Studie über Autobahnausbau: Neue Straßen streichen und sparen

Die Bundesregierung ist knapp bei Kasse, es drohen Kürzungen bei der Schiene. For­sche­r:in­nen haben errechnet, wie sich das verhindern ließe.

Über 10 000 Menschen protesteieren und tanzen bei dem „A100 wegbassen“-Demo-Rave der vom A100-Ausbau bedrohten Clubs gegen die Verlängerung der Stadtautobahn durch Friedrichshain. Berlin, 02.09.2023.

Foto: Christian Mang

BERLIN taz | Wenn das Bundesverkehrsministerium seine Pläne für neue Straßen stoppt, könnte das rund 20 Milliarden Euro einsparen. Das haben For­sche­r:in­nen des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft in einer Studie errechnet, die sie am Montag veröffentlicht haben. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), die Gewerkschaft Verdi, die Klima-Allianz Deutschland und der ACE Autoclub Europa haben die Untersuchung in Auftrag gegeben.

Geplante Straßenneubauprojekte sind laut den Stu­di­en­au­to­r:in­nen deutlich teurer, als das Ministerium im sogenannten Bundesverkehrswegeplan 2030 annimmt. Das mache die Projekte unwirtschaftlich. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) solle sie daher streichen, fordern die Verbände – das eingesparte Geld wiederum solle in die Sanierung von Brücken und in die klimafreundlichere Schiene fließen.

„Die aktuelle Ausgestaltung des Bundesverkehrswegeplans beruht auf über zehn Jahre alten Annahmen“, sagt Christine Behle, stellvertretende Verdi-Vorsitzende. Der Plan wurde im Jahr 2016 aufgesetzt und gibt die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur bis 2030 vor.

Nun sei der finanzielle Aufwand, der 2016 für die Vorhaben veranschlagt wurde, längst überholt. So seien etwa die Kosten eines Klimaschadens, den eine neue Autobahn in Zukunft verursacht, bisher deutlich zu niedrig angesetzt worden. „Massive Kostensteigerungen“ führten dazu, dass alle geplanten Projekte zusammen „die zur Verfügung stehenden Mittel um mehr als 40 Prozent übersteigen“, heißt es in der Studie.

Kein Geld für Straßenneubau

Die Ampel-Koalition verhandelt im Moment mühevoll über den Bundeshaushalt 2025. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat vor Kurzem angedeutet, dass das Verkehrsministerium unter Wissing mit Kürzungen rechnen müsse.

Da biete das Ergebnis der FÖS-Untersuchung eine Chance, sagt Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim BUND: Das Haushaltsloch lasse sich stopfen, wenn Investitionen in Sanierungen und Schiene priorisiert werden. „Für Straßenneubau ist kein Geld mehr da“, betont Hilgenberg. Und: Es fehle an Personal- und Planungskapazitäten, sagt Kerstin Hurek, verkehrspolitische Leiterin beim ACE. Auch deshalb müsse der Bau komplett neuer Infrastruktur hintangestellt werden.

Jens Hilgenberg, BUND

„Für Straßenneubau ist kein Geld mehr da“

Die taz hat das Bundesverkehrsministerium um eine Stellungnahme zu den Forderungen der Verbände gebeten, die Anfrage blieb aber bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Zu den unwirtschaftlichsten Projekten gehöre der Ausbau der A8 zwischen München und Salzburg, sagt Hilgenberg. Die Planungen dafür laufen seit Jahren, aus bisher vier Spuren sollen sechs Spuren plus Standstreifen werden. Im April klagte der bayerische Ableger des BUND, der Bund Naturschutz (BN). „Der gesamte A8-Ausbau ist das klimaschädlichste bayerische Projekt im Bundesverkehrswegeplan“, sagte Martin Geilhufe, der Landesbeauftragte des BN, damals.

A20 besonders unwirtschaftlich

Außerdem lässt sich laut Hilgenberg besonders viel Geld sparen, wenn die sogenannte Küstenautobahn A20 gestoppt wird, die zwischen dem niedersächsischen Westerstede im Landkreis Ammerland und Drochtersen im Landkreis Stade entstehen soll. Auch hier sind die Planungen schon jahrzehntealt. Entlang der geplanten Trasse dort haben Bür­ge­r:in­nen rund 30 Initiativen gegen die Schnellstraße gegründet.

Wim Deekens ist einer von ihnen und seit rund 15 Jahren aktiv. „Wenn das Verkehrsministerium eine neue Kosten-Nutzen-Rechnung machen würde, wäre der Ausbau tot“, meint er. Weil die Bundesregierung gerade knapp bei Kasse sei, ist er überzeugt: „Jetzt ist ein guter Moment, das Projekt noch mal infrage zu stellen.“

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