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Rekord bei RüstungsexportenEhrlich oder anständig?

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Deutschlands Rüstungsexporte erreichen durch die Ukraine-Unterstützung Rekordwerte. Interessant sind aber Empfängerländer wie Saudi-Arabien und Singapur.

Die deutsche Panzerhaubitze 2000 in der ukrainischen Armee Foto: dpa

D as Spannende ist nicht der neue Rekord. Neuen Zahlen der Bundesregierung zufolge, erfragt von der BSW-Abgeordneten Sevim Dağdelen, steuert Deutschland zwar auf einen Höchststand der Rüstungsexporte zu.

Der Anstieg ist aber vor allem auf die Waffenhilfe für die Ukraine zurückzuführen, deren Volumen sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdreifacht hat. Beistand für eine Demokratie, die sich gegen einen Überfall wehrt und dabei das Völkerrecht achtet: Daran ist nichts auszusetzen.

Rüstungsexporte im ersten Halbjahr

Im ersten Halbjahr genehmigte die Bundesregierung Rüstungsexporte im Wert von 7,48 Milliarden Euro. Das sind gut 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Fast zwei Drittel der Exporte (4,88 Milliarden Euro) sind für die Ukraine bestimmt. Israel taucht in den Top 10 nicht mehr auf. Die BSW-Abgeordnete Dagdelen nannte den generell Anstieg „verantwortungslos“. (dpa/taz)

Interessant wird es auf den Plätzen hinter der Ukraine und bei den Kunden, die dort dominieren. Es sind Länder außerhalb von EU und Nato wie Saudi-Arabien, Indien oder Katar. Seitdem die Ampel regiert, spielen Exporte an solche Drittstaaten zwar keine so große Rolle mehr wie zuvor. Im ersten Halbjahr ist aber auch ihr Umfang wieder gestiegen. Besonders ins Auge springt der Zweitplatzierte der Export­rangliste: Singapur.

Rüstungsgeschäfte mit dem Stadtstaat unterstützt die Ampelregierung aktiv. Das grüne Wirtschaftsministerium kündigte 2022 in Eckpunkten für ein Rüstungsexportgesetz an, Genehmigungsprozesse „im Falle besonderer Werte- und Sicherheitspartnerschaften“ zu vereinfachen.

Klare Kriterien benennen

Das Gesetz gibt es bis heute nicht, für Singapur hat das Ministerium die Vorgaben trotzdem gelockert – obwohl das mit den gemeinsamen Werten so eine Sache ist: Singapur ist autoritär regiert und einigen wichtigen völkerrechtlichen Abkommen nicht beigetreten.

Ein Widerspruch, den die Bundesregierung auf zwei Wegen auflösen könnte. Der ehrliche: Sie bekennt sich dazu, dass es ihr global eben doch mehr um Interessen als um Werte geht; dass sie zum Beispiel in Südostasien auch mit Autokratien zusammenarbeitet, um China zurückzudrängen. Oder der anständige: Sie benennt klare Kriterien für Wertepartner.

Staaten wie Singapur würden dann rausfallen. Wenn es um Verbündete im Indopazifik geht, blieben aber immerhin noch Länder wie Südkorea. Auch Exporte dorthin hat die Bundesregierung vereinfacht – und dagegen ist viel weniger einzuwenden.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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14 Kommentare

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  • Nun von Singapur als Stadtstaat geht doch sicher keine Kriegsgefahr aus.

    Es wird nicht gesagt, was da exportiert wird, aber Panzer und Artillerie sind gegen Demonstranten eher unhandlich oder etwa nicht?

    • @Sonntagssegler:

      Es gibt tatsächlich gepanzerte Fahrzeuge und Panzervarianten für den "Urbanen Einsatz" z.B. mit Räumschild. Zudem gibt es auch im Bereich der Rüstung viele interessante Distanzwaffen, nicht nur Gummigeschoße.

  • Man könnte die Bewertung von Südkorea und Singapur auch anders gestalten. Ersteres ist formal im Kriegszustand mit dem Norden, es ist die militarisierteste Grenze der Welt. Singapur hingegen hat keine ernsthaften Querelen mit anderen Staaten, ein Einsatz deutscher Waffen im Inneren kann man sich auch nicht wirklich vorstellen. Die "gelenkte Demokratie" der PAP wäre - rein theoretisch - überwindbar und eines der Hauptziele dieser ist, die multikulturelle Gesellschaft zu bewahren... (klar, das ist Schönfärberei - aber nicht absurd)

  • Auch Singapur konnte sich früher der Unterstützung durch die USA gewiss sein - ob sie nun Teil der NATO ist oder nicht.



    Im Gegensatz zu Deutschland hat Singapur nun aber seine Lehren aus einer Trump Präsidentschaft gezogen. In Anbetracht der zunehmenden chinesischen Allmachtsphantasien muss der Staat nun auch selbst mehr in Verteidigung investieren. Eine Aggression Chinas gegenüber Singapur würde dort die Ärmsten und die Mittelschicht treffen. Reiche und Superreiche sind ausreichend mobil, so dass sie sich der Gefahr entziehen können.



    In Deutschland hört man leider nur starke Töne wenn es um die Stärkung der Bundeswehr geht. Eine real beobachtbare positive Entwicklung liegt bisher ja noch nicht vor und ist mit dieser Regierung auch nicht zu erwarten.



    Es ist wirklich erschreckend, dass unsere Regierung auch bei diesem Thema wieder einmal vor allem die Ärmsten und die Mittelschicht in Gefahr bringt.



    Es tut dagegen gut zu sehen, dass wenigstens unsere deutsche Rüstungsindustrie sich dafür einsetzt Singapur zu helfen.

    • @Andere Meinung:

      Die Rüstungsindustrie verfolgt da nur reine Profitinteressen. Wenn dann ist da der Bundetagsausschuss zu loben, der die Exportgenehmigungen erteilt.

      • @metalhead86:

        Dann verfolgt ein Landwirt auch nur reine Profitinteressen und hat kein Interesse an der Produktion von Nahrungsmitteln?



        Ein Uni-Professor hat ebenfalls nur Profitinteresse und kein Interesse an der Qualifizierung der Studierenden?



        Ein Pfarrer hat ebenfalls nur Profitinteresse und kein Interesse an der Seelsorge der Pfarrgemeinde?



        Ein Sozialarbeiter hat ebenfalls nur Profitintersse und kein Interesse an dem Wohlergehen von Sozialschwachen?

        Warum soll Ihre These nun exakt und nur auf Mitarbeitende und Eigentümer der Rüstungsindustrie zutreffen?



        Eien gewisse Voreingenommenheit kann man da schon erkennen.

        • @Andere Meinung:

          Drehen sie die Betrachtung doch einfach mal herum:

          Wo sind die Fertigungsstraßen, die AFU und Bundeswehr jeden Tag jeweils vier Leopard2 bauen? Die Massenfertigung von Iris-T, PzH2000, Taurus, Excalibur, Puma, Skyranger? Wisso hat Airbus den Eurofighter RECCE nicht schon längst auf den Hof gestellt, als die Bundeswehr so langwierig überlegte, womit man denn jetzt den Tornado RECCE ersetzt?

          Warum gibt es überhaupt Universitäten wo sich eingeschrieben wird anstatt auf der Straße Leute zu suchen, die man unterrichten kann?

          Warum gibt es einen Engpass an Arbeitern im sozialen Bereich (wozu ich auch Seelsorger zähle)?

          • @metalhead86:

            Da liegen Sie leider falsch.



            Es gibt einen massiven Engpass an Ingenieuren in der Rüstungsindustrie.



            Einfach mal die Stellenanzeigen der betreffenden Firmen anschauen - das hilft!

            • @Andere Meinung:

              Ingenieure produzieren nicht. Ingenieure entwickeln.

              Hier ein schönes aktuelles Beispiel:



              www.n-tv.de/wirtsc...ticle25055636.html



              Wenn es Aufträge gibt wird auch produziert.

              • @metalhead86:

                Da liegen Sie leider falsch.



                Die Fachdisziplinen von Ingenieuren sind doch deutlich breiter gespannt als die reine Entwicklung. Neben Teilen der Grundlagenforschung wie bspw. Materialentwiclung und der eigentlichen Konstruktion oder Produktentwicklung geht es Ingenieuren auch um die Konzipierung und den Aufbau der Produktion - beispielsweise über die Gestaltung und den Aufbau automatisierter Produktionsanlagen. Aber auch jenseits der Produktherstellung gibt es Ingenieursdisziplinen bspw. bei der Optimierung von Service sowie dem Recycling.

  • "Interessant wird es auf den Plätzen hinter der Ukraine und bei den Kunden, die dort dominieren"

    Man muss ja schliesslich dafür vorsorgen, dass in der Ukraine der Frieden plötzlich ausbricht. Nicht auszudenken, wie der Aktienkurs dann einbricht.

    "Hedging your bets" nennt das der Finanzzyniker.

    Leute -- das wird noch harte Arbeit, die Rüstungsindustrie danach gesundzuschrumpfen. Wenn's ein Danach gibt...

    • @tomás zerolo:

      Wenn in der Ukraine plötzlich der Frieden ausbrechen sollte wird Russland sich auf den nächsten Übergriff auf einen Nachbarn vorbereiten.

  • Der Democracy Index des Economist beschert 24 Ländern die Einstufung als „vollständige Demokratie”. Nur 24!!! Darunter auch Deutschland.

    Das würde bedeuten, dass nicht mal alle europäischen Länder unsere Werte vollständig teilen. Daher ist die Frage mehr als berechtigt, wie man sich positionieren sollte. Ca. 55% aller Länder haben mit Demokratie nichts zu tun. In Sachen Wirtschaftsleistung ist der Prozentsatz sogar höher, Tendenz steigend.

    Oder andersherum: Wir steigen ab. Der ewige deutsche erhobene Zeigefinger und die dazugehörige exportierte Moralpredigt haben offensichtlich nichts gebracht. Und die Akzeptanz der Demokratie nimmt ab, auch bei uns.

    Was es braucht ist Pragmatismus ohne oberlehrerhaften Zungenschlag. Auch wenn es momentan niemand hören will: Wandel durch Handel ist nicht gescheitert und es gibt auch keine Alternative. Erstens sind wir auf den Handel angewiesen. Zweitens sollte man sich von dem Irrglauben verabschieden, militärisch jemanden so einschüchtern zu können, dass dieser nach unserer Pfeife tanzt.

    Unsere Demokratie wurde nicht am Hindukusch verteidigt - die müssen wir hier verteidigen, hier bei uns!

    • @Jens Barth:

      Ich nehme an dass die Ukraine nicht zu diesen 24 Staaten gehört?