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Ex-DDR-Fußballer über Spiel gegen BRD„Wir hatten großen Respekt“

Bei der Weltmeisterschaft vor 50 Jahren schlugen die DDR-Fußballer im Hamburger Volksparkstadion die BRD mit 1:0. Harald Irmscher war dabei.

Deutsch-deutsche Geschichte: DDR-Stürmer Jürgen Sparwasser trifft zum 1:0 gegen die BRD am 22. Juni 1974 Foto: dpa | Roland Witschel
Interview von Jonas Kähler

taz: Herr Irmscher, wie haben Sie sich gefühlt, als sie am 22. Juni 1974 den Platz im Volksparkstadion betreten haben?

Harald Irmscher: Das war für mich und uns alle natürlich ein riesiges Gefühl, erstmals bei einer Fußball-Weltmeisterschaft teilzunehmen. Dann auch noch im Land des sogenannten Klassenfeindes, wie es damals behandelt wurde. Und sogar in einer Gruppe zu spielen gegen die BRD, Chile und zuletzt Australien. Für mich war es ein riesiges Erlebnis, dort in Hamburg zu zeigen, dass auch die kleine DDR Fußball spielen kann.

Es war die einzige WM-Teilnahme der DDR.

Genau. Es war schon eine Sensation, dass diese zufälligerweise in der Bundesrepublik stattfand und wir uns qualifiziert haben. Wir haben sehnsuchtsvoll auf die Auslosung geschaut. Als wir in die Gruppe der BRD gelost wurden, war das auch eine große Freude. Mal gegen die großen Fußballer, die wir nur im Fernsehen gesehen haben, anzutreten. In Jena, wo ich gespielt habe, konnten wir nahe der Grenze Westfernsehen erleben und auch die Bundesliga oder Länderspiele sehen.

Die BRD trat mit vielen Legenden an.

dpa | Danny Gohlke
Im Interview: Harald Irmscher

Jahrgang 1946, absolvierte 42 Länderspiele und 330 Spiele in der DDR-Oberliga. 1972 holte er Olympia-Bronze. Heute noch kickt er jeden Mittwoch mit alten Mitspielern in Jena.

Wolfgang Overath, Berti Vogts, Franz Beckenbauer, Sepp Maier und so weiter. Wir hatten großen Respekt vor diesen Spielern. Gerd Müller vorne, der Torjäger der Welt. Wo er auftrat, hat er getroffen. Das ist unnachahmlich.

Es war das einzige Spiel zwischen DDR und BRD. Was waren die Erwartungen in der Kabine?

Ich kann mich erinnern, dass wir auf der Hinfahrt zum Spiel im Bus erfahren haben, dass wir aufgrund des Ergebnisses zwischen Chile und Australien bereits für die nächste Runde qualifiziert waren. Unser Kapitän, Bernd Bransch, hat dann gesagt: „Jungs, jetzt können wir einfach einen drauflegen. Jetzt können wir mal zeigen, dass wir Fußball spielen können.“

Sie waren vollkommen auf den sportlichen Wettbewerb konzentriert?

An unsere Funktionäre ist sicherlich eine politische Einweisung gekommen. Aber unser Trainer, Georg Buschner, war ein absoluter Fachmann und intelligent genug, das von unser Mannschaft fernzuhalten. In der DDR zählten Medaillen, es ging um politische Anerkennung. Ich kann mir vorstellen, dass er von der Regierung politisch instruiert wurde. Er hat unser aber nur fußballerisch vorbereitet, taktisch eingestellt – und uns nicht verrückt gemacht.

Und wie war die Stimmung im Stadion?

Die Zuschauer haben natürlich zu ihrer eigenen Mannschaft gehalten. Aber sie waren sicherlich auch interessiert, was der Osten macht. Es war keine gehässige Atmosphäre seitens der Tribüne. Dieser Hass, den man vielleicht hätte erwarten können, kam nicht. Letztlich hatte ich das Gefühl, dass auch anerkannt wurde, dass wir als Sieger vom Platz gingen.

Sie gewannen das Spiel mit 1:0.

Und wir haben, denke ich, nicht glücklich gewonnen, wir haben durchaus auf Augenhöhe agiert. Das Tor von Jürgen Sparwasser war hervorragend herausgespielt.

Gab es unter den Spielern eine besondere Anspannung?

Wir haben uns beim Aufwärmen und auf dem Spielfeld nicht bekriegt, es gab keine Bösartigkeiten. Beide Mannschaften wollten gewinnen, es hing ja auch viel daran, politisch und finanziell, vom Ansehen. Das Spiel war als Klassenkampf hochstilisiert, Ost gegen West. Das haben wir ehrlicherweise aber fast gar nicht mitbekommen, so weit es ging.

Vortrag und Podiumsgespräch

„Vor 50 Jahren: Wir gegen uns – das legendäre 1:0 von Hamburg“, mit Harald Irmscher, Wolfgang Overath und DDR-Schlagersänger Frank Schöbel; Mo, 17. 6, 19 Uhr, Staats­bibliothek Hamburg, Von-Melle-Park 3

Wie hat sich dieser Sieg angefühlt?

Wenn du bei einer WM den großen Favoriten schlägst, der sich am Ende auch durchgesetzt hat, bist du natürlich wahnsinnig glücklich. Wir haben dann auch das ein oder andere Bier getrunken. Sicherlich ein Holsten oder Jever, wie sich das gehört in Norddeutschland.

Beide Mannschaften nahmen es sportlich?

Nach dem Spiel haben wir alle im Kabinengang noch Trikots getauscht. Auf dem Platz war das natürlich von unseren Offiziellen nicht gerne gesehen, wobei sie an dem Tag vielleicht auch ein Auge zugedrückt hätten. Ich habe zu Franz Beckenbauer gesagt „Franz, das wäre mir eine große Ehre.“ Da hat er zu mir gesagt „Ich muss aber erst zur Dopingkontrolle.“ Ich bin dann in die Kabine und hätte nie geglaubt, dass Beckenbauer in unsere Kabine kommt. 15 Minuten später brachte er mir sein Hemd. Mittlerweile habe ich es meinem Sohn geschenkt.

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