Proteste vor Hamburger Körber-Stiftung: „Vertreter eines Terror-Regimes“

Iranische Oppositionelle klagen die Körber-Stiftung an. Die hatte Hossein Mousavian eingeladen, der mutmaßlich viele tote Exil-Iraner verantwortet.

Seyed Hossein Mousavian gestikuliert

Umstrittener Gesprächsgast: Der ehemalige Botschafter Irans in Deutschland, Seyed Hossein Mousavian Foto: Middle East Images/Imago

BREMEN taz | Die Hamburger Körber-Stiftung hat, Nazi-Gründer hin, Nazi-Gründer her, in progressiven Kreisen alles in allem einen ziemlich guten Ruf. „Shame, Shame, Shame“, riefen dennoch einige iranische Oppositionelle am Donnerstag vor dem Haus der Stiftung, „Shame, Shame, Shame“, immer wieder. „Die Leute haben sich etwas gewundert“, erzählt die iranische Menschenrechtlerin Mina Ahadi, „dass wir ausgerechnet dort demonstriert haben. Wir mussten es immer wieder erklären.“

Der Grund für den Protest am Donnerstag liegt schon einige Wochen zurück. Mitte Mai hatte die Hamburger Stiftung ein „politisches Frühstück“ zum Nahostkonflikt in Berlin veranstaltet. Das politische Frühstück ist kein netter Infotermin, sondern ein vertrauliches Treffen für Entscheidungsträger*innen. Es kommen ausgewählte Thinktanks, Regierungsmitglieder, hohe Beamte aus dem Auswärtigen Amt. Am 16. Mai ging es dabei um den Iran. Mit dabei: Der ehemalige iranische Botschafter in Deutschland, Seyed Hossein Mousavian.

Der Mann ist seit 2009 Professor für Internationale Beziehungen in Princeton in den USA. Doch für Ahadi und viele ihrer Mitstreiter ist er vor allem ein Mörder und ein Mann des Regimes. „Man wird schmutzig, wenn man sich mit bestimmten Leuten zusammensetzt“, sagt Ahadi. „Er ist verantwortlich für viele Tote.“

Für die Körber-Stiftung ist Mousavian erst einmal ein interessanter Gesprächspartner zur aktuellen Eskalation im Nahostkonflikt. Schon mehrfach haben sie ihn eingeladen, zuletzt 2018. „Bei dem Hintergrundtermin jetzt im Mai stand die regionale Rolle des Irans im Mittelpunkt, nach dem direkten Angriff auf Israel“, sagt der Sprecher der Körberstiftung, Julian Claaßen. „Wir wollten wissen: Wie tickt das Regime?“ Wer das wissen wolle, der müsse eben mit denen reden, die es wissen können.

Ein Mann des Regimes

Als ehemaliger Verhandler für das iranische Atomprogramm kann Mousavian als Experte mit Insiderwissen gelten – auch wenn seine Verhandlungstätigkeit von 2003 bis 2005 lange her ist. Und in Princeton forscht er als Politologe zu den iranischen Atomprogrammen. Er hat mehrfach Präsident Obama getroffen und beraten. Die Stiftung sieht ihn als Intellektuellen, der die Diskussion weiterbringen kann – auch, wenn Mousavian in den USA längst höchst umstritten ist und eine Kampagne für seine Entlassung läuft.

Ein Teil der iranischen Regierung jedenfalls, das ist der Stiftung wichtig, ist Mousavian nicht – als solcher würde er wohl auch nicht eingeladen. „Für uns verbietet sich der Dialog mit offiziellen Stellen Russlands und auch mit offiziellen Stellen des Irans“, sagt Claaßen.

Tatsächlich wurde Mousavian unter der Regierung des fundamental-konservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad 2007 sogar kurzzeitig unter Spionageverdacht verhaftet. Doch die Gründe dafür liegen wohl eher in internen Machtkämpfen. Er muss demnach grundsätzlich als Mann des Regimes betrachtet werden. Nur so konnte seine Karriere als Herausgeber der staatlichen Tehran Times, als Botschafter in Deutschland und als Vertreter in den Verhandlungen zum Atomprogramm stattfinden.

Mousavian trägt dabei mehr als nur Kontaktschuld. Während seiner Zeit als Botschafter in Bonn unterhielt der iranische Geheimdienst laut eines Geheimberichts der Bundesregierung, der vom Berliner Kammergericht 1995 zitiert worden war, in der Botschaft selbst eine Dependance, von der aus Morde an Exiloppositionellen in ganz Europa verübt wurden.

24 dieser gewaltsamen Tode an Exi­li­ra­ne­r*in­nen fielen in seine Amtszeit. Mousavian verteidigte damals gegenüber deutschen Medien die Todesurteils-Fatwa gegen den Schriftsteller Salman Rushdi. Und jüngst verglich er auf X, ehemals Twitter, den Staat Israel mit Nazi-Deutschland.

Stiftung nimmt Kritik ernst

Politische Bemerkungen von Gästen wolle man nicht kommentieren, hatte die Pressestelle der Körber-Stiftung daraufhin zunächst der Oppositionsplattform „Iran International“ geantwortet. „Das muss man differenzieren“, sagt auf Nachfrage der taz nun Sprecher Claaßen. „Natürlich verurteilen wir Antisemitismus, aber es fällt uns schwer, auf allen Plattformen zu verfolgen, was jeder unserer Gäste je gesagt hat. Das können wir nicht leisten.“

Dass Mousavian auch heute noch seiner Princeton-Anstellung zum Trotz weiter im Sinne des Regimes unterwegs ist, das liest Ahadi auch aus dem Interview heraus, dass die Stiftung mit Mousavian veröffentlicht hat. „Er hat dort behauptet, man könne mit dem Regime zusammenarbeiten. Das darf eigentlich kein Thema mehr sein.“

Zur Demo vor der Stiftung sind laut Ahadi nur 15 bis 20 Teilnehmende gekommen. „Aber es waren die richtigen“, sagt sie. Eine Frau erzählte auf Persisch von ihren getöteten drei Brüdern und einer Schwester und zeigt ein Foto herum. Eine andere erzählt von ihrem Mann, der vor wenigen Monaten im Iran getötet wurde. Auch Ahadi selbst ist emotional, erzählt sie – am Freitag jährt sich der Tod ihres Mannes, der in den 1980ern im Iran hingerichtet wurde.

Mit der Körber-Stiftung haben Ahadi und ihre Mitstreiter vor der Demo gesprochen. „Schließlich sagen die ja: Miteinander reden ist das Wichtigste.“ Beide Seiten sprechen von einem konstruktiven Gespräch. „Es hat uns jedenfalls sehr beschäftigt, wir nehmen die Kritik sehr ernst“, sagt Claaßen.

Viel habe man in den letzten Tagen über Konsequenzen nachgedacht – dass sich die Gästepolitik ändern wird, ist wahrscheinlich. Wie sie in Zukunft aussieht, das sei aber noch nicht entschieden. „Es wird irgendwann schwer, politischen Dialog zu gestalten, wenn wir nur noch mit denen reden, die die gleichen Interessen und Werte haben“, gibt Claaßen zu bedenken. „Man muss das sehr gut abwägen.“

Ahadi wünscht sich eine klarere Ansage. „Ich arbeite gegen Hinrichtungen und Steinigungen. Und ich muss sagen: Einige Institutionen nehmen das etwas locker. Sie reden trotzdem mit den Regimen.“

Demonstriert wird weiter – schon diesen Freitag, mit anderem Anlass: Im Iran ist Wahl. „Und vor dem Konsulat, wo man seine Stimme abgeben kann, da werden wir laut“, kündigt Ahadi an. „Denn das ist keine Wahl, das muss allen klar sein.“

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