Klima-Versprechen in der Werbung: Wischiwaschi beim Fruchtgummi
Unternehmen dürfen nicht länger mit Pseudo-Umweltfreundlichkeit werben – gut so. Die Ampel solle jetzt mit besseren gesetzlichen Regeln nachlegen.
![Eine Frau läuft an einer Werbetafel vorbei Eine Frau läuft an einer Werbetafel vorbei](https://taz.de/picture/7088363/14/35674853-1.jpeg)
F ast alle Produkte zu 100 Prozent vegan, Peace-&-Love-Gummis, Kuscheln mit Kühen, klimaneutral: Die Lakritze und Fruchtgummis von Katjes wenden sich mit quietschbunten Verpackungen und Werbefilmchen an eine junge Zielgruppe – und wollen natürlich verkauft werden.
Dass Katjes – und damit auch andere Konzerne – der Kundschaft nicht irgendeinen grün gewaschenen Schmu versprechen kann, hat am Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Endlich. Denn: Es ist gut für die Umwelt, wenn Kund:innen klar unterscheiden können, welche Produkte nachhaltig hergestellt wurden – und welche nicht.
Verbraucher:innen begegnen nämlich immer öfter Wischiwaschi-Umweltversprechen, deren Wahrheitsgehalt sie nicht überprüfen können: „recycelbare Verpackung“, „bienenfreundlich produziert“, „aus verantwortungsvollen Quellen“, „enkeltauglich“ oder eben „klimaneutral hergestellt“ – mit Letzterem werden nicht nur Windeln, sondern auch Motoröl gelabelt.
Diese „Green Claims“ gibt es nicht nur als Werbeslogans, sondern auch in Form von Siegeln, die leider oft viel weniger halten als gedacht. Denn anders als bei staatlich vergebenen Bio- und Ökosiegeln gibt es für Klimasiegel keine gesetzlich geregelten Standards. Ihre Werbeversprechen können alles – und nichts – heißen.
Aber: Kommuniziert das Unternehmen hier sein tatsächliches Engagement für eine nachhaltige Produktionsweise? Oder macht es sich nur zunutze, dass Werbung mit Nachhaltigkeitsbezug bislang kaum reguliert ist – anders als beispielsweise gesundheitsbezogene Werbung? Die Vorinstanz hatte im Katjes-Fall noch viel konzernfreundlicher entschieden: Es reiche, wenn sich Kund:innen auf der Firmenhomepage über die Art der „Klimaneutralität“ unterrichten könnten.
Aber: Wie sollen Kund:innen, die von ihren Kindern in der Quengelzone an der Supermarktkasse bedrängt werden, ein möglicherweise nachhaltiges Gummizeugs zu kaufen, fix entscheiden, ob es „klimaneutral“ produziert wurde? Denn: Das kann vieles heißen. Oftmals ist die Produktion gar nicht nachhaltig, Treibhausgasemissionen wurden nicht reduziert, sondern lediglich „ausgeglichen“.
BGH fordert mehr Klarheit
Die dabei verwendeten Kompensationsprojekte, meist geht es um Aufforstung oder Waldschutz, halten oft nicht, was sie versprechen. Bei Werbung müsse deshalb künftig „zur Vermeidung einer Irreführung regelmäßig bereits in der Werbung selbst erläutert werden, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist“, betont der Bundesgerichtshof nun.
Gut so! Verbraucher:innenfreundlich wäre außerdem, liebe Ampel: Umweltbezogene Werbung muss stärker reguliert werden, umweltbezogene Siegel müssen von unabhängigen Dritten überprüft werden. Der freiwillige Kompensationsmarkt sollte stärker reguliert – und das Label „Klimaneutralität“ in der Werbung verboten werden.
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