Andreas Speit
Der rechte Rand
: Wie ein Nordkreuzler im Kreistag landet

Einer der führenden Aktivisten der aufgeflogenen Preppergruppe „Nordkreuz“ zieht in den Kreistag Nordwestmecklenburgs ein. Haik Jäger und seine Komplizen wollten am Tag X bereit sein für den Umsturz: Die Gruppe legte Feindeslisten an, hortete Leichensäcke und machte ­Schießübungen.

Ermöglicht wurde Jägers Mandat durch den Erfolg der AfD bei den Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern. Landesweit wurde sie zur stärksten Kraft. Mit 25,6 Prozent liegt sie vor der CDU – ein Zuwachs von über elf Prozentpunkten. Im Landkreis Nordwestmecklenburg lag die Steigerung mit 13 Prozentpunkte etwas über dem Landesdurchschnitt. Die Zahl ihrer Mandate verdoppelte sich auf 16.

Das frischgebackene Kreistagsmitglied Jäger ist kein Nobody. Er hat für den ehemaligen AfD-Landtagsabgeordneten Holger Arppe gearbeitet. Der Ex-Landessprecher war 2018 aus der Partei ausgeschlossen worden, nachdem 2017 via taz und NDR bekannt wurde, dass er in Chats mit Parteikollegen über die Hinrichtung politischer Gegner fantasiert hatte.

Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) des Landtags zum NSU hob ein Zeuge des Bundeskriminalamtes (BKA) die Rolle Jägers in der Gruppe Nordkreuz hervor. Er sagte aus, dass Jäger „als Polizeibeamter ohne dienstliche Veranlassung aus den Datenbanken der Polizei Informationen für die Feindeslisten von Nordkreuz gesammelt“ habe. Jäger soll über seinen Dienstcomputer illegal Daten zu Asylrechtsanwälten, Flüchtlingsvereinen und engagierten Kommunalpolitikern abgefragt haben. Eine Liste mit mehr als 5.000 Namen und Adressen von ausgemachten Feinden erstellte der des Anwalt Jan Hendrik Hammer für die Gruppe.

Foto: Jungsfoto: dpa

Andreas Speitarbeitet als freier Jour­nalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Der BKA-Zeuge hatte von 2017 bis 2021 gegen Jäger ermittelt. Vor dem PUA bestätigte der Zeuge, dass er als Ermittler ebenso wie das BKA das Verfahren gegen Jäger und ein weiteres Mitglied der Gruppe wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat habe weiterführen wollen. Der Generalbundesanwalt habe jedoch entschieden, das Verfahren zu beenden. Jäger wurde vom Dienst suspendiert und erhielt eine Geldstrafe.

Die von Marko Gross gegründete Gruppe „Nordkreuz“ war im Herbst 2017 aufgeflogen. Für sie stand der Feind links und Flüchtlinge waren eine Bedrohung. Gross fiel schon 2009 in der Polizei mit rechtsextremen Aktivitäten auf, ohne dass das dienstliche Folgen gehabt hätte. Bis zu 50 Personen soll die Gruppe um den Beamten des Landeskriminalamtes (LKA) umfasst haben. Gemeinsam fuhren sie für Schießübungen nach Güstrow, zur Polizeischießanlage nach Plate oder zur Schießsportanlage des Reservistenverbandes in Hagenow.

Bei den Razzien gegen die Gruppe in Mecklenburg-Vorpommern war die regionale Polizei nicht eingebunden. Der Grund könnte gewesen sein, dass weitere „Nordkreuz“-­Mitglieder bei der Polizei tätig waren. Die Ermittelnden fanden 55.300 Patronen, von denen 1.400 dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterlagen. Sie stammen zum größeren Teil aus Beständen der Landespolizeien, der Bundespolizei und Bundeswehr, wie die taz 2020 recherchierte.

Die AfD störte sich nicht an den Aktivitäten Jägers. Der Landesband um den Bundestagsabgeordneten Leif-Erik Holm berief den Ex-Kriminalkommissar Ende 2017 in eine interne Arbeitsgruppe zum Thema Sicherheit. Die Vorwürfe waren zu der Zeit bereits bekannt. Im Januar 2018 bestimmte der Landesverband Jäger zum Vorsitzenden des Fachausschusses 5, „Innere Sicherheit, Justiz und Datenschutz“.

Jäger soll als Polizist illegal Daten für eine Feindesliste abgefragt haben

Mit der Aufstellung Jägers zur Kommunalwahl habe die AfD deutlich gemacht, „dass sie keinerlei Berührungsängste mit dem rechtsextremen Rand der Gesellschaft hat“, findet Bernd Lange, Obmann der SPD-Fraktion im PUA. Die bundesweite Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz sei absolut gerechtfertigt. Der Landesverfassungsschutz sieht die AfD bisher selbst als „Verdachtsfall“.