Bezahlkarte für Geflüchtete: Koalition steht vor Konflikt

Mit seiner Zustimmung zur 50-Euro-Bargeldgrenze übergeht Berlins Regierender Bürgermeister (CDU) einen Senatsbeschluss. SPD kritisiert den Alleingang.

Kai Wegner bei der Konferenz der Ministerpräsident*innen am 20.06.2024

Hätte sich an den Senatsbeschluss halten müssen: Kai Wegner bei der Konferenz der Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen Foto: Hannes P. Albert / dpa

BERLIN taz | Dass auch Berlin eine Bezahlkarte für Geflüchtete einführen wird, das hat der Senat bereits beschlossen. Im Ringen darum, was genau die Karte können wird, zeichnet sich allerdings ein Konflikt ab zwischen der Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) und dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Denn die Sozialverwaltung von Kiziltepe ist – bisher – federführend zuständig dafür, wie die Bezahlkarte ausgestaltet werden soll.

Wegner wiederum hatte bei der Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen­kon­fe­renz (MPK) am Donnerstag den Beschluss mitgetragen, dass Flüchtlingen mit der Karte nur noch 50 Euro in bar ausgezahlt werden sollen. Damit hat sich der Regierende Bürgermeister über den Beschluss des Senats hinweggesetzt. Dort hatten die Verantwortlichen ausdrücklich festgelegt, dass die zuständige Sozialverwaltung über die Höhe von Barauszahlungen entscheiden solle.

„Es entspricht nicht meinem Verständnis einer humanitären Flüchtlingspolitik, dass Geflüchtete nur 50 Euro Bargeld bekommen sollen“, betonte Sozialsenatorin Kiziltepe nach Bekanntwerden der MPK-Einigung erneut. „Der Bargeldbetrag muss Gleichberechtigung und Teilhabe ermöglichen und rechtssicher festgelegt werden“, sagte sie. Geflüchtete sollten selbst entscheiden können, wann sie mit Karte zahlen oder mit Bargeld. „Ich setze mich dafür ein, dass geflüchtete Menschen in Berlin auch weiterhin das Geld, das ihnen zusteht, zu 100 Prozent selbstbestimmt und ohne Reglementierung verwenden können, auch in Form von Bargeld“, hieß es von der Senatorin. Geflüchtete Menschen seien aufgrund ihrer finanziellen Lage umso mehr auf Bargeld angewiesen, zum Beispiel bei Einkäufen auf Wochen- und Flohmärkten.

Kiziltepe weiß bei dem Thema ihre Partei hinter sich. „Wir mussten mit Entsetzen feststellen, dass der Regierende Bürgermeister in der Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen­kon­fe­renz nicht nur einer Bezahlkarte für Asylsuchende zugestimmt hat, sondern auch einer Bargeldauszahlungsgrenze dieser geplanten Karte in Höhe von 50 Euro“, heißt es in einer Pressemitteilung der Jusos Berlin gemeinsam mit der AG Migration und Vielfalt der Berliner SPD. Sie seien erfreut, dass Kiziltepe sich gegen die Karte ausspreche und erwarteten nun „auch von allen anderen Se­na­to­r*in­nen und Abgeordneten unserer Partei, sich an den Parteibeschluss gegen die Bezahlkarte und an die dort weiter vorgegebenen Kriterien zu halten“.

Antrag gegen die Karte beim Landesparteitag

In einem Beschluss hatten sich auf dem SPD-Landesparteitag Ende Mai die Delegierten gegen die Karte und gegen beschränkte Bargeldzahlungen ausgesprochen. „Die SPD Berlin bekräftigt ihre Ablehnung des Konzepts einer diskriminierenden Bezahlkarte für Asylsuchende“, heißt es in dem von den Jusos eingebrachten und mit Änderungen beschlossenen Antrag.

Asylsuchenden stünden in Deutschland unverhandelbare Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu, eine Einschränkung der selbstbestimmten und freien Handhabe über diese Mittel würde eine Ungleichbehandlung von Asylsuchenden gegenüber dem Rest der Bevölkerung darstellen. Es sei klar, dass mit der Karte Bargeld-Zahlungen an Asylsuchende eingeschränkt werden sollten, heißt es in dem Antrag. „Die dahinterstehende Argumentation ist rassistisch und paternalistisch – so soll angeblich Überweisungen ‚ins Ausland‘ entgegengewirkt werden.“

Der Antrag fordert die SPD-Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats auf, sich gegen die Einführung einer solchen Bezahlkarte für Asylsuchende einzusetzen. Sollte diese trotzdem eingeführt werden, müssten zumindest „klare Kriterien“ dafür sorgen, dass die Karte „möglichst diskriminerungsfrei“ bleibe.

Auch in Brandenburg hatte es innerhalb der Koalition aus CDU, SPD und Grünen Streit um die Bezahlkarte für Geflüchtete gegeben. Die dortige Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hatte sich ebenfalls gegen Beschränkungen bei den Bargeldzahlungen ausgesprochen. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte das Thema daraufhin an sich gezogen und im Mai mit einer Absichtserklärung auch der 50-Euro-Bargeld-Beschränkung zugestimmt.

Laut Flüchtlingsrat „undemokratisches Verfahren“

Die Minister*innenpräsident*innenkonferenz (MPK) war als Gremium während der Coronapandemie zusammengekommen, um sich länderübergreifend über Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung auszutauschen. Das Gremium ist verfassungsrechtlich nicht legitimiert. Der Flüchtlingsrat kritisierte daher, dass die MPK in „undemokratischem Verfahren“ die Ko­ali­ti­ons­par­tne­r*in­nen auf Landesebene schwäche. Es sei oft unklar, ob etwa der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) die Agenda seiner eigenen Politik verfolge, oder ob er Koalitionsbeschlüsse einbringe.

Aus Berlins Sozialverwaltung heißt es währenddessen, dass die Debatte um die Bezahlkarte „kein einziges Problem löse“. Die Bezahlkarte sei kein Selbstzweck und sie sei überhaupt nicht geeignet, um mit ihr die Zuwanderung von geflüchteten Menschen zu steuern, „wie es manche Po­li­ti­ke­r*in­nen immer wieder gern behaupten“, teilt die Sozialsenatorin dazu mit. Es sei unwahrscheinlich, dass die Karte noch im laufenden Jahr eingeführt werde, heißt es aus der Kiziltepes Verwaltung.

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