Verfahren wegen Staatsverschuldung: EU geht gegen Sünder vor
Die EU-Kommission leitet Defizitverfahren gegen Frankreich, Italien und und fünf weitere EU-Länder ein, die zu hohen Geldbußen führen können.
Für Frankreich kommt der blaue Brief aus Brüssel zur Unzeit. Präsident Emmanuel Macron hat nach Verlusten bei der Europawahl für den 30. Juni Neuwahlen angesetzt. Umfragen zufolge liegen die Nationalisten von Marine Le Pen vorn. Ihr Wahlsieg könnte Frankreich in eine Finanzkrise stürzen, Spekulanten wetten bereits eifrig gegen Paris.
Auch in Italien und Belgien schlug die Nachricht ein wie eine Bombe. In Belgien haben gerade die Verhandlungen für eine neue Regierung unter Führung des flämischen Nationalisten Bart De Wever begonnen. Harte Sparauflagen der EU gefährden die Koalitionsgespräche. Und in Italien lehnt man neue Kürzungsprogramme aus Brüssel ohnehin ab.
Die EU-Kommission versuchte, ihren harten Kurs freundlich zu verpacken. Die neuen Schuldenregeln sähen angepasste, länderspezifische Pläne zum Defizitabbau vor, hieß es. Außerdem werde man soziale Probleme sowie Investitionen in die Rüstung und in den Klimaschutz berücksichtigen.
3 Prozent Wirtschaftsleistung einsparen
Auf Nachfrage räumte die Behörde ein, dass die Defizitverfahren eine „milde dämpfende Wirkung“ auf die Konjunktur haben: Das ohnehin schwache Wirtschaftswachstum wird weiter gebremst. Nach Berechnungen der Denkfabrik Bruegel müsste Belgien staatliche Ausgaben im Wert von 3 Prozent der Wirtschaftsleistung kürzen, Frankreich 3,7 und Italien sogar 4,3 Prozent. Dies dürfte zu sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen führen. Verschont hat die EU Deutschland. Obwohl das größte EU-Land die 60-Prozent-Grenze bei der Gesamtverschuldung überschreitet, droht kein Strafverfahren.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der die neuen EU-Regeln mit ausgehandelt hat, könnte sich entspannt zurücklehnen und mehr Geld ausgeben. Dennoch will er an der umstrittenen Schuldenbremse festhalten und das deutsche Budget kürzen. Deutschland müsse „Stabilitätsanker“ in Europa bleiben – „wegen der Entwicklungen in Frankreich, aber auch der fiskalischen Lage in Italien“, sagte Lindner. Wenn es dabei bleibt, treten bald die beiden größten EU-Länder – Deutschland und Frankreich – gleichzeitig auf die Sparbremse.
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