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Bilanz 2023 der Berliner WasserbetriebeLuft holen, ohne aufzuatmen

Die Berliner Wasserbetriebe freuen sich über das Ende der Dürre. Ihrer Bilanz tut das allerdings nicht unbedingt gut.

Wenn Berlin sein Hochwasser selber macht: Überflutung nach Rohrbruch in Neukölln Foto: Arthur Sullivan

Berlin taz | Ende Mai platzte eine Frischwasserleitung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) unter der Sonnenallee und verwandelte die Straßenkreuzung am gleichnamigen S-Bahnhof nach kurzer Zeit in ein Überschwemmungsgebiet. Zwei Wochen später sind die gröbsten Schäden behoben.

So weit, so gut – aber die Nachricht ließ aufhorchen: Das Rohr aus dem Jahr 1908 habe „das Ende seiner Lebensdauer erreicht“ gehabt, teilten die BWB mit. Könnten solche Überraschungen künftig eher die Regel als die Ausnahme sein? Schließlich wurde auf der anderen Seite des S-Bahn-Rings erst im April eine Riesenbaustelle nach einem Jahr aufgehoben. Hier hatte ein ebenso altes Kanalbauwerk unter dem Charlottenburger Kaiserdamm seine Lebensdauer beendet und die Fahrbahn absacken lassen.

Auf der Bilanz-PK der BWB am Montag beruhigte Vorstandschef Christoph Donner: Zwar könne er nicht versprechen, dass Derartiges nicht mehr passieren werde, aber „ein höheres Alter der Anlagen ist nicht unbedingt schlecht“. Tatsächlich stehe Berlin im bundesweiten Vergleich der Schadenshäufigkeit gut da. „Sonderbauwerke“ wie der Düker unter dem Kaiserdamm, bei dem gleich ein ganzes Leitungsbündel betroffen war, schaue man sich jetzt aber genauer an – „mit Robotik und künstlicher Intelligenz“.

Donner konnte auch auf eine besonders hohe Investitionstätigkeit im vergangenen Jahr verweisen: 474 Millionen Euro flossen in Sanierung und Ausbau der Infrastruktur – über 70 Millionen mehr als 2022. Im Fokus steht dabei die Einrichtung zusätzlicher Reinigungsstufen in 5 der 6 BWB-Klärwerke, sie sollen Phosphor und Stickstoff, aber auch problematische Spurenstoffe aus dem Abwasser entfernen. Die vor über 20 Jahren stillgelegten Wasserwerke Jungfernheide und Johannisthal werden derweil für den neuerlichen Betrieb fit gemacht.

Erfreuliches Minus

Dass die Bilanz rein monetär betrachtet weniger gut ausfiel – bei einem Umsatz von 1,28 Milliarden Euro gab es ein kleines Minus von 25,7 Millionen –, hat erfreuliche Gründe: 2023 war ein regenreiches Jahr, mit rund 700 Litern pro Quadratmeter fiel doppelt so viel Niederschlag wie im Dürrejahr 2022 und ein Drittel mehr als im langjährigen Mittel. Das führte dazu, dass weniger aus den Hähnen gezapft wurde – um etwa den darbenden Garten zu wässern.

Gleichzeitig entstanden höhere Kosten bei der Abwasserbehandlung, denn ein Teil des Regens landet über die Mischwasserkanalisation in den Klärwerken. Auf der Habenseite stehen leicht erholte Grundwasserstände, die laut dem BWB-Vorstandschef im Schnitt wieder um 30 Zentimeter gestiegen seien. „Normal“ ist das Niveau allerdings noch lange nicht: Nach jahrelanger Trockenheit waren die Stände um bis zu 75 Zentimeter gesunken. „Wir können Luft holen“, sagte Donner am Montag, „aber Luftholen ist nicht Aufatmen.“ Im Grunde brauche es noch drei Jahre mit überdurchschnittlichen Niederschlägen, um das Defizit wettzumachen.

Dass die Wasserbetriebe mehr Einnahmen benötigen, um ihre beiden Hauptthemen „Wachstum und Transformation“ (Donner) zu stemmen, stellte die BWB-Aufsichtsratsvorsitzende, Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD), klar: 2027 werde es eine „moderate Gebührenanhebung“ geben, um das Unternehmen „nachhaltig zu finanzieren“. Bis Ende dieses Jahres werde eine Arbeitsgruppe einen Vorschlag dazu machen, kündigte Donner an.

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