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+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++Erneute UN-Abstimmung über Waffenruhe

Der Grenzkorridor zwischen dem Gazastreifen und Ägypten soll unter israelischer Kontrolle sein. Ein Resolutionsentwurf im UN-Sicherheitsrat fordert eine sofortige Waffenruhe.

Rafah nach einem israelischen Luftangriff, von der Stadt Khan Yunis aus gesehen Foto: Mohammed Salem/reuters

Armeevertreter: Israel kontrolliert Grenzkorridor zwischen Gazastreifen und Ägypten

Die israelische Armee hat nach Angaben eines Militärvertreters die Kontrolle über einen 14 Kilometer langen Grenzkorridor zwischen dem Gazastreifen und Ägypten übernommen. „Wir haben die operative Kontrolle erlangt“, sagte der Militärvertreter, der nicht namentlich genannt werden wollte, am Mittwoch vor Journalisten. Der sogenannte Philadelphi-Korridor ist eine Sicherheitszone, die entlang der Grenze auf dem Gebiet des Gazastreifens verläuft.

Der Korridor wurde 1979 durch das Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten geschaffen. Die israelische Armee nutzte ihn bis zu ihrem Rückzug aus dem Gazastreifen 2005 als Patrouillenweg. Israel vermutet seit langen, dass militante Gruppen in dem Palästinensergebiet den Korridor für den Waffenschmuggel nutzen. (afp)

UN-Sicherheitsrat stimmt erneut über Waffenstillstand ab

Algerien hat einen Entwurf für eine Resolution im UN-Sicherheitsrat in Umlauf gebracht, in dem eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen und ein Ende der israelischen Militäroffensive in der südlichen Stadt Rafah gefordert wird. Der Entwurf, der mehreren Nachrichtenagenturen vorliegt, sieht vor, dass der Sicherheitsrat „beschließt, dass Israel, die Besatzungsmacht, seine Militäroffensive und alle anderen Aktionen in Rafah sofort einstellt“.

Daneben wird eine Freilassung aller Geiseln gefordert, die beim Angriff der Hamas auf den Süden Israels am 7. Oktober verschleppt wurden.

Der Entwurf fordert zudem, sich an frühere Sicherheitsratsresolutionen zu halten und alle Grenzübergänge zum Gazastreifen für humanitäre Hilfslieferungen zu öffnen. Die katastrophale Situation im Gazastreifen sei eine Gefahr für den regionalen und weltweiten Frieden und die Sicherheit, heißt es in dem Text. Gewarnt wird auch vor einer Hungersnot. Verurteilt werden „die wahllosen Angriffe auf Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, und auf zivile Infrastruktur“.

Einige Diplomaten sagten, sie hofften auf eine baldige Abstimmung, möglicherweise bereits am Mittwoch. „Wir hoffen, dass dies so schnell wie möglich geschehen kann, weil Leben auf dem Spiel stehen“, sagte der chinesische UN-Botschafter Fu Cong zu Journalisten. Die UN-Botschafterin der USA, Linda Thomas-Greenfield, sagte: „Wir warten darauf, ihn (den Entwurf) zu sehen und werden dann darauf reagieren.“ Die USA haben mehrere Resolutionen, die einen Waffenstillstand im Gazastreifen fordern, mit ihrem Veto gestoppt.

Auch der Zusammenschluss von Rotem Kreuz und Rotem Halbmond (IFRC) fordert eine Feuerpause. „Wir brauchen dringend eine politische Lösung, die es uns ermöglicht, eine Waffenruhe zu erreichen, um Hilfe zu leisten“, sagte IFRC-Präsidentin Kate Forbes Reuters. Bereits im Februar bei einem Besuch im Gazastreifen habe sie „grauenhaften“ Zustände beobachtet. „Es gab nicht genug Wohnraum. Es gab kein Wasser, es gab nicht genug Sanitäranlagen. Wir hatten ein Krankenhaus ohne Ausrüstung.“ (ap/rtr)

Israels Truppen stoßen weiter in Rafah vor

Israelische Bodentruppen sind unterdessen nach Augenzeugenberichten aus Rafah tiefer in die an Ägypten grenzende Stadt vorgedrungen. Demnach wurden am Dienstag auch im Stadtzentrum Truppen gesichtet. Panzer seien in der Nähe der Al-Awda-Moschee vorbeigefahren, einem zentralen Wahrzeichen von Rafah, schilderten Palästinenser in der Stadt dem Wall Street Journal. Vonseiten der israelischen Armee gab es zunächst keine Bestätigung dieser Berichte. Laut dem Armeerundfunk habe das Militär den fünf in der Stadt kämpfenden Brigaden eine weitere hinzugefügt, berichtete die US-Zeitung. Nach Aussagen eines Militärsprechers sind Israels Truppen auch in Nahkämpfe mit der Hamas verwickelt.

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, sagte am Dienstag bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus, die US-Regierung halte eine großangelegte Bodenoffensive in Rafah weiterhin für falsch. Davon könne beim Vorgehen des israelischen Militärs in der Stadt zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht die Rede sein, man beobachte die Entwicklungen aber sehr genau.

Kirby war danach gefragt worden, ob Israel bei dem tödlichen Luftangriff am Wochenende eine von US-Präsident Joe Biden angesprochene „rote Linie“ überschritten habe. Biden habe deutlich gemacht, dass er – sollte es dazu kommen – in Bezug auf die Unterstützung Israels möglicherweise anders entscheiden müsse, sagte Kirby. Der Angriff sei jedoch gerade erst passiert. Die Israelis untersuchten den Vorfall. Man verfolge, was sie dabei herausfinden. „Und dann werden wir sehen, wie es weitergeht.“ (dpa)

Hilfslieferungen über provisorischen US-Hafen ausgesetzt

Derweil stellen die USA Hilfslieferungen für die Menschen im Gazastreifen über die vom US-Militär errichtete provisorische Anlegestelle vorübergehend ein. Der an der Küste verankerte Pier sei bei rauem Seegang schwer beschädigt worden, sagte die stellvertretende Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh am Dienstag in Washington. Die Anlage werde in den kommenden 48 Stunden aus ihrer Verankerung gelöst und nach Aschdod geschleppt, wo das US-Militär Reparaturen vornehmen werde. Die israelische Stadt liegt gut 30 Kilometer von Gaza entfernt.

Die Reparaturen würden mindestens eine Woche dauern, sagte Singh. Danach müsse der Pier wieder an der Küste verankert werden. Die US-Regierung beabsichtige, die Hilfslieferungen über den Seeweg für die Menschen im Gazastreifen wieder aufzunehmen. (dpa)

Berichte über neuen Vorschlag für Geisel-Abkommen

Unterdessen sind die Aussichten auf eine Waffenruhe und die Freilassung der seit fast acht Monaten in Gaza festgehaltenen Geiseln ungewiss. Israel habe den Unterhändlern Katars, Ägyptens und der USA, die in dem Krieg vermitteln, am Montag einen aktualisierten Vorschlag für ein mögliches Abkommen unterbreitet, berichteten die israelische Zeitung Haaretz und das US-Nachrichtenportal „Axios“ unter Berufung auf mit den Verhandlungen vertraute Quellen.

Der schriftliche Vorschlag beinhalte „die Bereitschaft, flexibel zu sein“, was die Anzahl der lebenden Geiseln betreffe, die in einer ersten Phase eines Abkommens von der Hamas freigelassen werden müssten, so „Axios“. Auch sei Israel bereit, die Forderung der Hamas nach „dauerhafter Ruhe“ im Gazastreifen zu diskutieren. Die Hamas verlangt einen Abzug der israelischen Truppen, was Israel ablehnt.

Wegen des tödlichen Luftangriffs in Rafah hatte die Hamas ihre Teilnahme an den Verhandlungen über eine Waffenruhe vorerst ausgesetzt. Dies teilten ihre Repräsentanten der Deutschen Presse-Agentur am Montag mit. Die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Islamistenorganisation waren zuletzt in eine Sackgasse geraten. Es gebe bisher keine Fortschritte, berichtete die Zeitung Haaretz unter Berufung auf israelische Beamte. (dpa)

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7 Kommentare

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  • 5 Brigaden- Eine Brigade besteht, laut meinen Recherchen, aus 5000 Soldaten. Also sind 25.000 israelische Soldaten in Rafah und 5000 kommen noch hinzu- wenn das keine Großoffensive ist, was dann? Selbst die Journalisten bei der Pressekonferenz mit John Kirby schienen die Aussagen der Regierung absurd zu finden. Mir scheint es so, als spielt man den Einsatz dort runter um nicht zu offenbaren, dass man im Grunde keine "rote Linie" hat.



    Und wie sagte gestern ein Journalist über den provisorischen Pier: er steht sinnbildlich für Biden´s Nahostpolitik und Präsidentschaft- zum Scheitern verurteilt, geht den Bach runter, sinkendes Schiff...



    Ich denke es wird auch wieder ein Veto der Amerikaner im Sicherheitsrat geben- und selbst wenn nicht- das letzte Mal als sie eine Resolution haben passieren lassen, haben sie sich danach hingestellt und behauptet Resolutionen vom Sicherheitsrat sind nicht bindend. Kerby hat ja in der Pressekonferenz auch gesagt, das sie das Urteil vom IGH nicht anerkennen, weil er nicht zuständig ist. Kein Wunder das die Amerikaner nur noch von regelbasiertet Ordnung reden und nicht von internationalen Gesetzen. Regeln für die einen und Regeln für die anderen.

    • @Momo Bar:

      Vorschneller Schluss.

      Soweit ich weiß, sind’s ca. 5.000 in einer NATO-Brigade.

      Außerhalb muss dies nicht zwingend so sein, in der Schweiz z.B. 10.000.

      Eine der 5 in Rafah kämpfenden Brigaden ist die „Oz“ – das sind Spezialeinheiten, Kommandotruppen, und soweit ich recherchieren konnte, hat die nur eine Stärke von 2.000 Mann.

      Im übrigen muss die Tatsache, dass dort 5 Brigaden kämpfen nicht bedeuten, dass die gesamte Mannstärke in Rafah ist. Es kommt oft vor, das nur einige Einheiten einer Brigade der dort kämpfenden Division unterstellt werden, nicht die gesamte Brigade. Und bei den wenigen Kilometern Entfernung kann ein großer Anteil der Truppen (Teile der Logistik, des Sanitätswesens, Artillerie) außerhalb bleiben.

      Momentan scheint das Ziel zu sein, die Grenze zwischen Ägypten und Gaza unter Kontrolle zu bringen, um den Nachschub von Hamas & Co. zu unterbinden. Das ist aus meiner Sicht noch keine Großoffensive.

  • "... „beschließt, dass Israel, die Besatzungsmacht, seine Militäroffensive und alle anderen Aktionen in Rafah sofort einstellt“."



    "... Daneben wird eine Freilassung aller Geiseln gefordert, die beim Angriff der Hamas auf den Süden Israels am 7. Oktober verschleppt wurden."

    Auch als Apologetin der jüdischen/Israel-Seite finde ich das gut. Der Entwurf entspricht ungefähr der Aufforderung des IGH. Alle Geiseln sofort freilassen, dafür Rückzug aus Rafah.

    An welcher Kriegspartei diese Resolution ebenso wie die kürzliche Aufforderung des IGH scheitern wird, meine ich zu wissen.

    • @*Sabine*:

      An beiden. Wie immer. Weil beide Kriegsparteien kein Interesse daran haben, diesen Konflikt beizulegen: Netanjahu braucht die Hamas so wie die Hamas die Geiseln braucht.

      • @B. Iotox:

        Die US verwandeln sich in einen absoluten Witz. Bauen einen Hafen der sofort zusammenbricht und den es eh nicht hätte geben sollen, wenn es einfach Druck auf seinen Partner Israel ajgeübt hätte, damit Humanitäre Hilfe auf dem normalen Weg durchkommt.

        Stattdessen verdreht man sich dreimal rückwärts, um eine Alternative durchzuringen.

        Und natürlich ist auch nichts mehr von der roten Linie zu sehen, die Biden scheinbar gezogen haben soll bezüglich der Rafah Initiative.

      • @B. Iotox:

        Hamas har die freilassung der Geiseln für einen permanenten Waffenstillstand angeboten, also nein, es scheitert explizit wegen Netanjahu.



        Dieser hat sehr klar gestellt, dass es selbst nach der Freilassung der Geiseln kein Ende der Kämpfe geben wird.

        • @Jessica Blucher:

          Kennen Sie die Einzelheiten des Hamas-Angebotes?

          - Übergabe der ersten 33 Geiseln „Tot oder Lebendig“ (könnten mehr Leichen als lebende sein.)

          - Freilassung hunderter Terroristen

          - nach 6 Wo. erst 18 der 33 übergeben? (Hamas könnte dann unter einem Vorwand (findet sich immer) das Abkommen kündigen, die übrigen Geiseln behalten und zur erneuten Verhandlungsmasse machen – bis dahin ist der IDF zurückgezogen, & hunderte der gefährlichsten Terroristen schon frei um auch noch die WestBank ins Chaos zu stürzen.)

          - Treibstoff zur Betreibung des Kraftwerks? (Raketenbau ist Energieintensiv)

          - Ende der Blockade (Waffennachschub für Hamas)

          - nach 12 Wo. Beginn mit dem Wiederaufbau von Gaza über 3-5 Jahre, mit „Entschädigung aller Betroffenen“ (Klingt, als ob Israel für die ganzen Schäden jener Kriegseskalation gerade stehen soll, den die Hamas vom Zaun gebrochen hat)

          www.timesofisrael....ot-meet-its-terms/

          www.timesofisrael....ame-the-west-bank/

          Wussten Sie, dass N. nicht allein Abgelehnt hatte, sondern Einstimmig das Kriegskabinett?