: Am Milieu vorbeimodernisiert
In einem Neuköllner Milieuschutzgebiet dämmt das Unternehmen Covivio ein Wohnhaus. Dabei hat der Bezirk das gar nicht genehmigt. Nun drohen Konsequenzen
Von Yannic Walther
Laut war es in den vergangenen Wochen in der Mareschstraße 8 in Neukölln. Es wurde gehämmert und gemeißelt, dann Dämmplatten angeschraubt – und das von früh bis spät. So schildert es eine Mietpartei des Hauses, die anonym bleiben möchte. Und so weit nichts Ungewöhnliches bei einer Fassaden- und Dachgeschossdämmung. Das Problem: Der Eigentümer Covivio hat für die Modernisierung gar keine Genehmigung. Das Bezirksamt Neukölln droht dem Unternehmen deshalb mit einem Bußgeld.
Die Mareschstraße unweit des S-Bahnhofs Sonnenallee liegt im Milieuschutzgebiet Rixdorf. In Milieuschutzgebieten müssen energetische Modernisierungen durch das jeweilige Bezirksamt genehmigt werden. Dadurch soll verhindert werden, dass sich die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in den betroffenen Quartieren verändert. Eine Art Schutzmechanismus für Bestandsmieter also, insbesondere mit Blick auf Mieterhöhungen nach Modernisierungen und dem damit verbundenen Verdrängungsdruck.
Das gilt auch für Dämmungen, wie sie Covivio in der Mareschstraße vornimmt. Auf Anfrage muss das laut Eigendarstellung „360°-Immobilienunternehmen“ einräumen: „Die Arbeiten wurden begonnen, da wir irrtümlich davon ausgegangen waren, dass ein Antrag gestellt und positiv beschieden worden war. Dies war leider nicht der Fall.“ Darüber hinaus teilt die Covivio-Sprecherin mit: „Wir bedauern dies außerordentlich und haben entsprechend umgehend mit der zuständigen Verwaltung das Gespräch gesucht.“ Im Zuge der taz-Recherche hat das Unternehmen die Arbeiten nun vorerst gestoppt.
Es war allerdings nicht der erste Anlauf, das Haus ohne Genehmigung zu dämmen: Bereits im vergangenen Sommer starteten erste Arbeiten. Erst nach Aufforderung durch das Bezirksamt habe Covivio im September 2023 einen Antrag für die Modernisierungsarbeiten gestellt, sagt der Sprecher von Neuköllns Baustadtrat Jochen Biedermann (Grüne) zur taz. Der Antrag sei „jedoch nie vervollständigt worden und konnte dementsprechend nicht abschließend durch das Bezirksamt bearbeitet werden“. Und vor allem: „Ein neuer Antrag ist nicht gestellt worden.“ Covivio bestätigt das auf Nachfrage.
Das Bezirksamt Neukölln droht nun mit Konsequenzen. „Ein Bußgeld für Bauen ohne Genehmigung befindet sich in Bearbeitung. Weitere Verfahren sind nicht ausgeschlossen“, teilt Biedermanns Sprecher mit. Seitens Covivio heißt es, man bereite den Antrag derzeit vor und werde diesen „kurzfristig“ einreichen.
Bereits am Montag habe man einen Baustopp verhängt. Im Anschluss seien lediglich noch „Aufräumarbeiten“ erfolgt. Die Mieter sollen über den Vorgang informiert werden. Die Mietpartei aus der Mareschstraße 8, mit der die taz gesprochen hat, schildert das anders: „Auch diese Woche war kein Baustopp zu erkennen. Die vergangenen Tage war ein riesiger Lärm, weil die Balkone abgeschliffen wurden.“
Demnach reiht sich die Modernisierung in eine lange Liste von Maßnahmen zur Erhöhung der Miete ein, die das Unternehmen in der Mareschstraße vornehmen würde. So ist vom Einbau neuer Fenster die Rede und von nichtexistenten Posten in der Nebenkostenabrechnung wie einem Fahrradabstellplatz, den es gar nicht gebe. „Es entsteht der Eindruck, dass das ein Heuschreckenkauf war und nun mit allen Mitteln versucht wird, das Geld wieder hereinzuholen“, sagt die Person.
Für die bisher nicht genehmigte Dämmung haben die Mieter noch keine Erhöhung erhalten. Covivio rechnet nach Abschluss der Dämmmaßnahmen mit einer Energieeinsparung von rund einem Drittel des vormaligen Verbrauchs. Für die Modernisierung seien auch Fördermittel beantragt worden. „Diese Förderung führt zu einer entsprechenden Reduzierung der Mieterhöhung“, so die Covivio-Sprecherin.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Immobilienkonzern mit seinen – Stand 2023 – rund 17.000 Wohnungen in Berlin in die Schlagzeilen gerät. Im vergangenen Jahr stand die deutsche Tochter eines französischen Aktienunternehmens als erste mit auf der Matte, als es darum ging, den kurz zuvor vorgestellten, damals noch „einfachen“ und damit gesetzlich nicht bindenden Berliner Mietspiegel zu umgehen, um höhere Mietforderungen durchzudrücken.
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