Tierschutzgesetz der Ampelregierung: Mehr Rinderschutz in 10 Jahren
Die schmerzhafte Anbindehaltung von Rindern soll verboten werden, aber nicht sehr bald. Ein Gesetzentwurf sieht weitreichende Ausnahmen vor.
Berlin taz | Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der in 10 Jahren verbieten soll, Rinder ganzjährig zu fixieren. Höfe mit höchstens 50 über sechs Monate alten Tieren ist diese „Anbindehaltung“ demnach nur noch erlaubt, wenn die Rinder während der Weidesaison auf die Weide und außerhalb dieser Zeit zwei Mal pro Woche Zugang zu einem Freigelände haben. Zudem sollen Kälbern die Hornanlagen nur noch unter Betäubung ausgebrannt werden dürfen.
Schlachthöfe müssen nach der von Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) vorgeschlagenen Reform des Tierschutzgesetzes zum Beispiel die Betäubung des Viehs auf Video aufzeichnen, damit Behörden Verstöße leichter verfolgen können. Das Kabinett der Ampelkoalition nahm die Vorlage am Freitag im Umlaufverfahren an.
2020 wurden nach einer Auswertung des bundeseigenen Thünen-Agrarforschungsinstituts 10 Prozent aller Rinder im Stall etwa durch einen Metallrahmen oder eine Kette am Hals fixiert – und zwar meist das ganze Jahr über. „Dies führt bei den betroffenen Tieren zu erheblichen Schmerzen, Leiden und/oder Schäden“, so das Agrarministerium. Die rund 28.300 Höfe mit dieser Haltungsform waren im Schnitt deutlich kleiner als Betriebe mit Laufställen.
„Anbindehaltung ist Tierqual. Es ist unerklärlich, dass Bundestierschutzminister Özdemir aus eigener Motivation – entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse und trotz einschlägiger Gerichtsurteile – das Leid der Rinder für ewig festschreiben will“, kritisierte der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder. Özdemir rechtfertigte seinen Vorschlag damit, dass bei einem völligen Verbot der Praxis viele Betriebe die Rinderhaltung aufgeben müssten, die „die wertvollen und artenreichen Kulturlandschaften in Süddeutschland mit den Bergbauern und Almen, Wiesen und Weiden“ erhalten würden.
Bauernverband setzt auf das Parlament
Auch die Tierschutzorganisation ProVieh forderte ein konsequenteres Verbot der Anbindehaltung. Sie lobte aber auch die verpflichtende Videoüberwachung in Schlachthöfen und dass die Regierung das schmerzhafte Kupieren der Ringelschwänze bei Ferkeln und das Enthornen von Kälbern strenger regeln will.
Dem Bauernverband geht all das schon zu weit. „Ausgerechnet jetzt sollen den Landwirten mit dieser Novelle weitere nationale Sonderwege und bürokratische Lasten ohne Zusatznutzen für den Tierschutz aufgebürdet werden“, teilte die Organisation mit. „Wir setzen jetzt auf das parlamentarische Verfahren“.
Diese Hoffnung der Agrarlobby könnte tatsächlich aufgehen. Denn die Erfahrung mit der Ampelkoalition zeigt, dass zum Beispiel die FDP im Bundestag regelmäßig Vorlagen der eigenen Regierung verwässert.
Leser*innenkommentare
Gunnar Grannis
Es geht hier mal wieder um die kleinen Familienbetriebe die angeblich so in Einklang mit Mensch und Natur sind, bei Tier- und Umweltschutz dann aber nicht liefern können. Kein Großbetrieb hat noch Anbindehaltung, die haben alle Freilaufställe.
lesnmachtdumm
Was in 10 jahren verboten wird...
hat der politische Rollback bis dahin schon längst wieder erlaubt. Bestimmte Tierschutzdetails müssten ins Grundgesetz - auch wenn jegliche Details wozuauchimmer da gesetzes-ästhetisch nie hingehören - damit den Schutz nur eine 2/3-Mehrheit wieder abschaffen kann. Wir brauchen weniger Spontandemokratie, um für die bösen Zeiten gerüstet zu sein.
Und wer Kühen (Schafen, Pferden ...) was Gutes tun will - ohne sie gleich vegan abzuschaffen - der sollte die Wölfe anbinden ....
Jesus
die „die wertvollen und artenreichen Kulturlandschaften in Süddeutschland mit den Bergbauern und Almen, Wiesen und Weiden“ erhalten würden.
Bei Tieren die das ganze Jahr über im Stall angekettet sind ist das wohl nicht der Fall.
Gunnar Grannis
@Jesus Den Winter über sind die im Stall, den Rest auf der Alm. Aber die Zeit im Stall sollte sich auch als Freilaufstall gestalten lassen.