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Forschungsstatistik mit kritischen Zahlen

Die deutsche Forschung rüstet auf, und zwar wortwörtlich. So erhöhten sich die Ausgaben der Bundesministerien für die Wehrwissenschaftliche Forschung von 1,1 Milliarden Euro im Jahr 2017 auf 2,1 Milliarden Euro in 2022.

Es ist der größte Wachstumssprung unter allen Forschungsbereichen, die der gerade erschienene „Bundesbericht Forschung und Innovation“ (Bufi) aus dem Hause von BMBF-Ministerin Bettina Stark-Watzinger ausweist. Weiter an der Spitze rangiert die Gesundheitsforschung mit 3,3 Mlliarden Euro in 2022 vor der Luft- und Raumfahrtforschung mit 2,2 Milliarden Euro.

Die Klima- und Umweltforschung konnte sich bei den Bundesausgaben seit 2020 leicht verbessern: von 1,6 auf 1,8 Milliarden Euro, die für 2023 eingeplant waren. Dagegen musste die Bioökonomie, die etwa naturbasierte Verfahren für die Industrie entwickeln will, ihrerseits Federn lassen. Hier sanken die Ausgaben im gleichen Zeitraum von 308 auf 256 Millionen Euro. Hart trifft es auch den vermeintlichen Forschungs-Superstar im FDP-Ministerium: Die Fusionsforschung wird von ohnehin knappen 40 auf 35 Mil­lionen Euro reduziert.

Nach der neuen Ausgabe des alle zwei Jahre vorgelegten Berichts steigt der finanzielle Input ins deutsche Wissenschaftssystem zwar weiter an, während sich beim Output – was Forschung bewirkt – immer mehr Fragen stellen. So gaben die Bundesministerien im Jahr 2021 insgesamt 21,7 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung (FuE) aus, bei den Ländern waren es 15,6 Milliarden (ohne akademische Lehre in den Hochschulen). Der größte Batzen in der FuE-Bilanz kommt allerdings aus der Wirtschaft, mit 75,7 Milliarden Euro in 2021. Dort forschen aber in erster Linie die Großkonzerne, und das extrem einseitig. 2022 investierten die Unternehmen sage und schreibe 28,7 Milliarden Euro allein in die FuE für den Automobilsektor – ein Riesensprung gegenüber dem Jahr 2012 mit 17,3 Milliarden Euro.

Dennoch verlieren die deutschen Autohersteller weiter an Marktanteilen. Vergleichweise niedrig sind die Wirtschafts-Ausgaben für FuE in Datenverarbeitung und Elektronik mit 12,8 Milliarden Euro in 2020. Dass Deutschland bei der Digitalisierung so hinterherhinkt, hat seinen Grund auch in diesen Zahlen.

Auch in anderen Feldern lässt der BUFI-Bericht bei genauerem Hinsehen einige Schattenseiten erkennen. So hat sich bei den Beschäftigten im Forschungs­system (2021 waren das 478.000 Vollzeitstellen) der Frauen­anteil, der 10 Jahre zuvor noch bei 19,3 Prozent lag, wieder auf 18,9 Prozent reduziert. Auch bei eiem anderen Sorgenkind der Wissenschaftspolitik, den so genannten Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) stagnieren in der Tüftlernation Deutschland seit Jahren die Absolventenzahlen (2022: 101.000) und finden keinen Weg nach oben. Noch schlimmer die Lage bei den Firmengründungen in der so genannten Wissenswirtschaft. So wurden 2022 in der Spitzentechnologie und der hochwertigen Technologie zusammen nur 940 Unternehmen gegründet, gemessen an den Gesamtgründungen ein Anteil von 2,6 Prozent. Zwei Jahre zuvor waren es noch 3,7 Prozent.

Manfred Ronzheimer

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