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Doku über Muppets-Erfinder Jim HensonHumor als Heilmittel

Ron Howard zeichnet in seinem Dokumentarfilm „Jim Henson: Ein Mann voller Ideen“ ein umfassendes Bild des Muppets-Erfinders.

Jetzt bitte einmal „ah“ sagen: Jim Henson und seine Kermit-Puppe Foto: Disney+

Puppenspieler? Filmemacher? Auf die Frage, als was man ihn beschreiben solle, sagte Jim Henson einmal achselzuckend: Ganz egal, beides passt. Angemessener wäre vermutlich das, was eine Lokalzeitung in den 1950er-Jahren über ihn schrieb, als der damals gerade 18-Jährige mit ein paar seiner Muppets in Washington, D. C., in einer Late-Night-Show zu sehen war. Ein kreatives Genie! Doch dass er selbst viel zu bescheiden war, um diese Worte je in den Mund zu nehmen, davon bekommt man im Dokumentarfilm „Jim Henson: Ein Mann voller Ideen“ ein recht gutes Bild.

Zum 34. Mal jährte sich eben Hensons Tod; im Alter von gerade einmal 53 Jahren verstarb er 1990 an einer verschleppten Lungenentzündung. So kurz sein Leben war, so randvoll mit Kreativität, Humor und nicht zuletzt Arbeit war es auch. Diese Tatsache rückt Regisseur und Oscar-Gewinner Ron Howard ins Zentrum seines Films, der sich recht chronologisch an Hensons Biografie entlanghangelt.

Den sterbenden Großvater amüsierte der in Mississippi geborene Teenager mit einer Handpuppe, die er aus einem alten grünen Mantel seiner Mutter genäht hatte, mit zwei aufgeschnittenen Tischtennisball-Hälften als Augen.

Die später als Kermit der Frosch weltberühmte Schöpfung war dann auch fester Bestandteil besagter erster TV-Engagements, die Henson mit seiner späteren Ehefrau Jane bestritt, und Mitschnitte aus jener Zeit oder auch die Werbespots, die die beiden und frühe Mitstreiter mit ihren Muppets drehten, gehören ohne Frage zu den Höhepunkten des Films.

Sesamstraße und Muppet Show

Viel Raum wird natürlich der „Sesamstraße“ eingeräumt, zu deren Mit-Schöpfern Henson gehört, genauso wie der „Muppet Show“, die er mit Hilfe eines britischen Finanziers in London auf eigene Faust umsetzte und in die ganze Welt verkaufte, nicht zuletzt, um sich aus der Kinderfernsehen-Schublade zu befreien.

Aber zu den unzähligen Ideen, die dem Film seinen Titel geben, gehören auch seine visionären Einfälle als Experimental-Regisseur, die nicht nur den Look der frühen „Sesamstraßen“-Jahre entscheidend mitprägten, sondern ihm zum Beispiel für den Kurzfilm „Alpträume (Time Piece)“ sogar 1966 eine Oscar-Nominierung einbrachten.

So kurz sein Leben war, so randvoll mit Kreativität, Humor, nicht zuletzt Arbeit war es auch

Und selbstverständlich finden auch die Fantasy-Filme „Der dunkle Kristall“ und „Labyrinth“ aus den 1980er-Jahren Erwähnung, die beide in Sachen Puppenspiel, Kreaturenschöpfung und Animatronics visionär waren, aber erst spät Wertschätzung als Kultfilme erfuhren.

Er habe sich Henson als Fan angenähert, gab Howard gerade während der Filmfestspiele von Cannes im Interview zu Protokoll: „Als Kollege bewundere ich es, wie er immer wieder Neues ausprobiert, Grenzen gesprengt und die Welt mit seiner ganz eigenen Empfindsamkeit und seinem besonderen, sehr ironischen Witz unter die Lupe genommen hat.“

Doch wo in anderen Filmen dieser Art die von Bewunderung und Respekt geprägte Erzählhaltung mitunter zur langweiligen Lobhudelei verkommt, lässt man sich hier von der Warmherzigkeit des Tonfalls gerne mitreißen.

Schwieriger Ehemann, guter Teamplayer

Die Auswahl der Ge­sprächs­part­ne­r*in­nen trägt dazu entscheidend bei. Hensons vier noch lebende Kinder, die allesamt auf unterschiedliche Weise bis heute seine Arbeit fortsetzen, berichten offenherzig über ihren Vater als schwierigen Ehemann, Mit­ar­bei­te­r*in­nen wie Dave Goelz oder Fran Brill beschreiben ihn als kollaborativen Teamplayer.

Stellvertretend für die prominenten „Muppet Show“-Gäste kommt Rita Moreno zu Wort, doch am tiefsten schürft sein engster Wegbegleiter: Frank Oz berichtet nicht nur darüber, wie die beiden ikonische Duos wie Ernie und Bert oder Kermit und Miss Piggy schufen, sondern auch davon, wie der frühe Tod von Hensons Bruder seine Rastlosigkeit und die Vorstellung von Humor als Heilmittel befeuerte.

Dass trotzdem manches zu kurz kommt, versteht sich angesichts dieses Schöpfungsreichtums fast von selbst. Die „Fraggles“ (die aktuell bei AppleTV+ wiederauferstanden sind) oder auch der Verkauf der Muppets an Disney werden in den letzten Minuten abgehandelt, und eigentlich hätten Hensons wichtigste Werke allesamt eigene Dokumentarfilme verdient (über die „Sesamstraße“ gibt es einen sehenswerten: „Street Gang: How We Got to Sesame Street“).

Schier unerschöpfliche Phantasie

Doch von Hensons Vielseitigkeit und seiner schier unerschöpflichen Phantasie zeichnet „Jim Henson: Ein Mann voller Ideen“ ohne Frage ein umfassendes Bild, nicht zuletzt, weil die Auswahl der Clips – von vor und hinter den Kulissen – gut gewählt ist.

Der Film

„Jim Henson: Ein Mann voller Ideen“. Regie: Ron Howard. USA 2024, 107 Min. Läuft auf Disney+

Zu sehen gibt es Klassiker wie Kermit und die kleine Joey, die das Alphabet singen, oder die komplizierte Entstehung der „Rainbow Connection“-Sumpfszene aus „Muppet Movie“ genauso wie Henson und Oz in der Talkshow von Orson Welles, die wenig glückliche Kollaboration mit „Saturday Night Live“ oder jene Tanznummer, bei der es zwischen dem Frosch und seinem Schwein erstmals funkte.

Am Ende des Films sind schließlich Aufnahmen der farbenfrohen, von Lachen geprägten Trauerfeier zu sehen, für die Henson persönlich die Anweisungen hinterlassen hatte. Wenn dort dann Big Bird (alias Bibo) den legendären Song „It’s Not Easy Being Green“ singt, bleibt kein Auge trocken – und die Erkenntnis, dass Howard schon recht hat, wenn er sagt: „Für all die Freude, die Henson in die Welt gebracht hat, hat er es wie wenig andere sonst verdient, dass man ihm ein filmisches Denkmal setzt.“

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