Exminister Sonko aus Gambia verurteilt: Der lange Arm der Justiz
Ein Gericht in der Schweiz verurteilt Gambias ehemaligen Innenminister zu 20 Jahren Haft. Ousman Sonko war einst für Tötungen und Folter verantwortlich.
Die Taten habe Sonko teils im Täterkollektiv mit Gambias Militärdiktator Yahya Jammeh, der das kleine westafrikanische Land von 1994 bis 2017 regierte, und anderen damaligen Führungsmitgliedern begangen.
Sonko war unter Jammeh Armeemitglied, dann Generalinspektor der Polizei und zuletzt von 2006 bis 2016 Innenminister. In der Zeit wurden nach Überzeugung des Gerichts Oppositionelle, Journalisten und als Putschisten verdächtige Personen systematisch gefoltert, außergerichtlich hingerichtet, willkürlich inhaftiert und zum Verschwinden gebracht. Daran sei Sonko beteiligt gewesen. Eine Anklage wegen Vergewaltigung stellte das Gericht ein. Sonkos Anwalt hat in dem Prozess sämtliche Vorwürfe zurückgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
„Als ehemaliger Innenminister Gambias ist Ousman Sonko bisher in seiner Hierarchiestufe der höchste Staatsfunktionär, der, gestützt auf die universelle Gerichtsbarkeit, vor Gericht gestellt und verurteilt wird“, teilte das Gericht mit.
Auch in Deutschland gab es bereits einen Prozess gegen einen ehemaligen gambischen Soldaten wegen Beteiligung an Gräueltaten während Jammehs Herrschaft. Das Oberlandesgericht in Celle verurteilte Bai Lowe am 30. November 2023 zu lebenslanger Haft.
Karriere unter der Militärdiktatur
Ousman Sonko trat 1988 in die gambische Armee ein. Ein Jahr nachdem sich Yahya Jammeh als junger Soldat 1994 an die Macht in Gambia geputscht hatte, heuerte Sonko bei der Präsidentengarde an. Als Mitglied der Garde soll Sonko am Kommando beteiligt gewesen sein, das im Jahr 2000 den Soldaten Almamo Manneh ermordete, weil der angeblich einen Coup geplant hatte. Mannehs Frau wirft Sonko vor, sie nach dem Mord mehrfach vergewaltigt zu haben.
Anfang der 2000er Jahre wurde Sonko erst stellvertretender Kommandant der Präsidentengarde, kurz darauf ihr Chef. 2005 ernannte Jammeh ihn zum Polizeichef, 2006 zum Innenminister. In diesem Amt waren ihm die Polizei, der Geheimdienst und die Gefängnisse unterstellt, in denen Folter von politischen Gegnern an der Tagesordnung war. Noch im April 2016, nur Monate vor Ende des Jammeh-Regimes, folterte Sonko nach Überzeugung des Gerichts mit anderen zusammen Oppositionelle und tötete einen Organisator von Protesten.
Im September 2016 setzte sich Sonko nach Europa ab. Er beantragte eine Aufenthaltsgenehmigung in Schweden; als dies abgelehnt wurde, ging er in die Schweiz. Zwischenzeitlich hatte Diktator Jammeh in Gambia Ende 2016 Wahlen angesetzt und diese überraschend verloren.
Zuerst erkannte er das Ergebnis an, dann änderte er seine Meinung, und am Ende musste die westafrikanische Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) eine Militärintervention unter Führung des großen Nachbarn Senegals starten, um Jammeh zu stürzen und den rechtmäßigen Wahlsieger Adama Barrow ins Amt einzusetzen. Jammeh konnte sich nach Äquatorialguinea absetzen, wo er bis heute lebt.
Wenige Tage nach Jammehs Sturz im Januar 2017 wurde Sonko in einem Zentrum für Asylbewerber im Kanton Bern, wo ihn andere Flüchtlinge erkannt hatten, festgenommen. Die Festnahme folgte auf eine Anzeige der Organisation Trial International, die gegen Straflosigkeit für solche Verbrechen kämpft.
Der Ex-Minister bestritt während des Prozesses in der Schweiz die Zuständigkeit des Gerichts und erklärte sich für unschuldig. Er ist bisher der höchste Amtsträger aus Jammehs Regime, der sich für die Verbrechen vor einem Gericht verantworten musste.
Madi MK Ceesay, ein einst unter Anordnung Sonkos festgenommener Journalist, der auch als Zeuge in dem Prozess ausgesagt hatte, zeigte sich zufrieden mit dem Urteil. Es beweise, dass der lange Arm der Justiz die Täter erreichen könnte, sagte Ceesay der Nachrichtenagentur AP. Das dürfte auch Jammeh beunruhigen. Hoffentlich werde auch der ehemalige Machthaber bald zur Rechenschaft gezogen, sagte der US-Menschenrechtsanwalt Reed Brody, der das Verfahren verfolgt hatte.
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