piwik no script img

Bruch in der ZivilgesellschaftDie Krah-Sekte

Der letzte Auftritt des AfD-Politikers Maximilian Krah war der eines politischen Horrorclowns. Seine Tricks sind durchschaubar.

Der Krah kräht leider weiter Foto: Matthias Rietschel/reuters

D a stehen wir also im Regen und warten auf ihn. Maximilian Krah von der AfD, der in unserem Städtchen seinen letzten Wahlkampf-Auftritt haben wird, was aber zu der Zeit noch nicht klar ist. Maximilian Krah, zu dem mir sehr viele unerfreuliche Dinge einfallen und an dem ich leicht exemplifizieren könnte, dass man nicht nur Aussagen, Meinungen und Ideologien, sondern auch Personen einfach zum Kotzen finden kann. Aber wir, die wir hier im Regen stehen, ermahnen uns gegenseitig: Nicht so sein wie die, weder verbal noch körperlich auf die Provokationen eingehen. Wir, wir sind die Zivilisierten. Wir sind die Guten.

Wir, das sind die Omas gegen rechts, die Leutchen vom Stadtjugendring, von den Parteien ein paar, sogar der Bürgermeister ist da, einige Nonnen aus dem Kloster nebenan, ein paar Punks und Post-Hippies, die Kulturszene, hauptsächlich aber Leute wie du und ich. Wir wollen klar machen, dass wir keine Faschisten in unserer Stadt haben wollen. Dass es kein Recht auf Nazi-Propaganda gibt. Dass nie wieder heute ist. Das ist schon eine bunte Gesellschaft, und genau darum geht es auch in den Reden und auf den Schildern in unseren Reihen. Um das Recht auf eine Gemeinschaft der Verschiedenen. Eine von vielen Definitionen von „Demokratie“ möglicherweise.

Ich möchte schon ein bisschen stolz auf meine Mitbürgerinnen und Mitbürger sein. Doch wie man sich Krahs Auftrittsplatz nähert, wird deutlich: Genau so viele, wie sich gegen einen Auftritt von ihm wehren, wollen genau das. Einen Anti-Demokraten anti-demokratisch und anti-menschlich reden hören. Und sich selber beim völkischen Jubeln.

Man kann keinen gemeinsamen Alltag mehr bewohnen

Eine Stadt wie die unsere ist überschaubar; man kennt sich. Und dies sind die Geschichten, die man bei solchen Gelegenheiten immer wieder erlebt: Da ist der Handwerker, der einem gerade eine gepfefferte Rechnung geschickt hat. Da ist der Kellner, dem man vor ein paar Tagen ein anständiges Trinkgeld gegeben hat.

Den Omas gegen rechts stehen hier rechte Omas entgegen, die ihre Enkel zum Fähnchenschwenken mitbringen. Ist das nicht die Frau, der wir und der Nachbar mit dem schwer aussprechbaren türkischen Namen wochenlang die Einkäufe erledigt haben, krankheitshalber, und die jetzt begeistert klatscht, wenn von den kriminellen Ausländern die Rede ist, die man heimschicken werde?

Und jeder schaut den anderen an, durch die Regenschirme, durch die Versuche, sich gegenseitig zu übertönen, durch Absperrgitter, durch Blicke, die sagen, dass man nicht mehr gemeinsam wird Alltag, Arbeit und Freizeit bewohnen können, und man ist ratlos: Was ist mit euch geschehen? Wie könnt ihr da stehen und einem Faschisten zujubeln, der gar nicht verbergen will, dass er einer ist?

Man muss vieles in sich abgetötet haben, um Krah zu folgen

„Spaltung“, denke ich, ist ein zu harmloses Wort für das, was da geschieht. Die Menschen, die einem Maximilian Krah zujubeln, trotz des Regens, trotz der Gegendemonstration, trotz der Nachrichten über diesen Mann, müssen einen fundamentalen Bruch vollzogen haben. Nicht bloß einen äußeren Bruch mit den „Eliten“ der „Altparteien“, den „grünlinksversifften Intellektuellen“ oder den „genderwahnsinnigen Frühsexualisierern“, sondern auch einen inneren Bruch mit den Tugenden und Codes einer bürgerlichen Biografie in einer bürgerlichen Gesellschaft. Vernunft, Respekt, Anstand, ordentliche Sprache, Ehrlichkeit, Würde …

Von Sekten wissen wir, wie schnell man in ihren Bann gelangt, und wie schwer es ist, sich wieder zu befreien

Man muss das alles in sich abgetötet haben, wenn man diesem Mann und seiner Entourage zu folgen bereit ist, und wenn eine Deutschland-Fahne die niederträchtige AfD-Plakatparole unterstreicht: „Unser Geld für unsere Leute“. Zwischen den Gegnern und den Anhängern von Krah gibt es Absperrungen, die Polizei wird später verlautbaren, dass Veranstaltung und Gegenveranstaltung „friedlich“ verlaufen seien. Mir bleibt ein Bild im Gedächtnis; eine Polizistin, die einen Hund an der Leine führt, der sich etwas undiszipliniert um die Duftmarken der Hunde in unserer Stadt kümmert.

100 Polizisten und Polizistinnen sind dazu im Einsatz. Am Ende seines Auftritts lässt man bei Krah weiße Tauben in den Himmel fliegen. Frieden? Für wen? Mit wem? Oder einfach nur noch ein billiger Tingeltangel-Trick? Eins wird auch hier klar: Diesem Mann geht es noch nicht mal um furchtbare Ideologie und Politik, es geht ihm nur um sich selbst. Wir haben hier die vorläufige Abschieds­vorstellung eines politischen Horrorclowns gesehen, eines Erweckungs-Scharlatans, dessen schmutzige Tricks man leicht durchschauen könnte. Wenn nicht vorher etwas in einem gestorben wäre.

Ähnlichkeit mit einer Sekten-Versammlung

Das Ziel solcher Veranstaltungen, so scheint es, besteht nicht in einer politischen Überzeugungsarbeit, nicht einmal allein in der rauschhaften Vereinigung der Anhängerinnen und Anhänger (die Ähnlichkeit des rechten Spektakels mit einer Sekten-Versammlung ist freilich unübersehbar); das eigentliche Ziel ist eine Feier des Bruchs mit „den anderen“, des Bruchs mit bürgerlicher Nachbarschaft, mit bürgerlichen Vorstellungen von Moral und Würde. Hier geht es nicht um eine Argumentation, hier geht es um rituelle Bekenntnisse, um eine finstere Abart von „Glauben“ und „Erlösung“.

Peter Berghoff hat die Sprache und Riten der Rechtsextremen auch als „profane Transzendenz“ bezeichnet. Manchmal wird man, während man noch glaubt, es ginge um „Ideologie“, Zeuge, wie die profane Transzendenz des Faschismus Menschen wie dich und mich erfasst. Und wie nur noch Hass und Häme sind, wo gestern noch Nachbarschaft und Lebenlassen waren. Wäre der Rechtsextremismus eine „Meinung“, so könnte man Hoffnung auf eine Änderung im Namen von Vernunft und Moral haben. Doch als fundamentaler „Glaube“ sieht die Sache anders aus. Von Sekten wissen wir, wie schnell man in ihren Bann gelangen kann, und wie schwer es ist, sich wieder von ihnen zu befreien. Krah ist weg, aber die Risse in unserer kleinen Stadt bleiben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen