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Bürgerwissenschaften in BremenIgel gesucht

Das Bremer Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie bindet Bür­ge­r*in­nen in seine Arbeit ein. Aktuell geht es um den Bestand von Igeln.

Tierischer Sensor: Igel leben da, wo die Natur in einem guten Zustand ist Foto: dpa | Patrick Pleul

Hamburg taz | Igel zu schützen, kommt auch der menschlichen Gesundheit zugute. Das möchten Forschende am Bremer Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (Bips) und das Bremer Netzwerk Igelfreunde mit dem neuen Citizen Science Projekt „Guardians of the Hedgehogs“ zeigen. Zugleich soll es Menschen für einen bewussteren Umgang mit ihrer Lebensumwelt sensibilisieren.

„Eine gesunde Lebensumwelt für den Igel ist letztlich auch eine gesunde für den Menschen“, erklärt Wolfgang Ahrens. Er leitet die Abteilung Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung am Bips. Das Igel-Projekt folgt dem „One Health“-Gedanken: Der Ansatz begreift die menschliche Gesundheit als eng verknüpft mit der Umwelt und in ihr beheimateten Lebewesen. Gerade in grünen Regionen, in denen die Artenvielfalt hoch ist und viele Insekten beheimatet sind, halten sich Igel gerne auf. Der Igel ist also auch ein Hinweis dafür, wie gesund eine Umwelt für den Menschen ist.

Gleichzeitig kooperierte das Projekt mit der bundesweiten Igelzählaktion des Naturschutzbundes (Nabu), die vom 17. bis zum 27. Mai stattfand. In diesem Zeitraum sammelten Bür­ge­r*in­nen Daten über die Igelbestände der Bremer Region, die anschließend in einer interaktiven Karte auf der Website des Netzwerks Igelfreunde aufgerufen werden kann.

Wie wichtig es ist, dass sich Wissenschaft, Politik und Gesellschaft vermehrt austauschen und zusammenarbeiten, hatte sich spätestens während der Covid-19-Pandemie gezeigt. Bürgerwissenschaften sind nicht nur ein Mittel, um den Feldzugang zu erleichtern und größere Datenmengen zu sammeln. Sie stellen auch eine Möglichkeit dar, Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu finden und das Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken. Auf diese Weise können Bür­ge­r*in­nen ermutigt werden, wissenschaftliche Prozesse mitzugestalten und so ein gesellschaftliches Umdenken anzustoßen.

In städtischen Randzonen hat das Vorbild-Projekt in Großbritannien dazu geführt, dass die Igelbestände stiegen

Gerade im Ausland haben Bürgerwissenschaften lange Tradition. Im Jahr 1900 fand die erste gemeinsame Aktion von Wis­sen­schaft­le­r*in­nen und Bür­ge­r*in­nen statt: Sie zählten in den USA gemeinsam Vögel, um deren Bestand zu erfassen und so für den Wert der Fauna zu sensibilisieren. Seither hat sich die Vogelzählung dort als jährliches Ereignis etabliert, das mittlerweile auch in Deutschland als „Stunde der Gartenvögel“ regelmäßig praktiziert wird.

In Deutschland erhielt Citizen Science seit 2014 verstärkt Aufmerksamkeit. Internationales Aufsehen hat der deutsche „Mückenatlas“ am Brandenburger Zentrum für Agrarlandschaftsforschung erregt, bei dem in einem Jahr 5.000 Hobbyforscher über 17.000 Mücken einschickten. Effekt: Eine tropische Mückenart, und dort Infektionsauslöser, wurde erstmals in Deutschland entdeckt – Folge des Klimawandels.

Vorbild für „Guardians of the Hedgehogs“ sei ein Citizen-Science-Projekt aus Großbritannien gewesen, das vor mehr als zehn Jahren auf den Rückgang von Igeln aufmerksam machte. In städtischen Randzonen habe das Projekt dazu geführt, dass die Igelbestände stiegen, erklärt Ahrens. Forschende vermuten deshalb, dass das Projekt die Bevölkerung für eine naturnahe und igelfreundliche Gestaltung ihrer Gärten sensibilisieren konnte, wodurch das Säugetier wieder genug Nahrung und Schutz fand.

Denn gerade das Verdrängen heimischer Pflanzen und der massenhafte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sorgen dafür, dass der Igel heute kaum noch Insekten findet, von denen er sich ernähren kann. Aus Not frisst er oftmals Schnecken oder Würmer, die ihn mit Parasiten befallen.

Bedrohung durch Verkehr und Mähroboter

Gleichzeitig bedrohen der steigende Verkehr und der verstärkte Einsatz von Mähroboter und Fadenschneider seine Existenz: „Die Igel kommen teilweise in so elenden Zuständen zum Netzwerk Igelfreunde, dass sie nur noch auf der Seite liegen und sich kaum regen“, erklärt Ahrens, der engagierter Vorstand des Netzwerkes ist.

Wichtig sei es daher beispielsweise, Zäune an kleinen Stellen zu öffnen, Wildwuchs zuzulassen und Mähroboter nur tagsüber zu nutzen. Igel sind schließlich dämmerungsaktiv. Darüber möchte auch das Bremer Projekt aufklären. Gleichzeitig wünscht sich Ahrens, dass der Igelschutz als Hilfe zur Selbsthilfe begriffen wird: „Wir müssen verstehen, dass eine grüne und artenreiche Umwelt nicht nur gut für Insekten und Tiere ist, sondern dass wir uns auch selbst einen Gefallen tun.“

Aber auch hier endet die Vision des Projekts noch nicht: „Guardians of the Hedgehogs“ ist mit dem Bips-Projekt „Healthy Planet“ verlinkt, das satellitengestützte Daten über Umweltbedingungen verschiedener Regionen sammelt und so geographische Informationssysteme über ihre Umweltzustände erstellt. Daraus soll anschließend abgeleitet werden, wie sich unterschiedliche Umweltbedingungen auf die menschliche Gesundheit und das Gesundheitsverhalten auswirken. Zumal man beispielsweise schon wisse, dass sich Kinder in grünen Umwelten, die wenig bebaut sind, deutlich mehr bewegen würden. Das Igelprojekt dient daher als eine Art Fallbeispiel, an dem der Zustand unseres Ökosystems und seine Auswirkungen verdeutlicht werden.

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