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Prozess gegen Reichsbürger beginntVon wegen Rollator-Gang

Der innere Zirkel der Gruppe Reuß steht seit Dienstag in Frankfurt a. M. vor Gericht. Ihre Umsturzpläne waren fortgeschritten und auf Gewalt ausgerichtet.

Die Freakshow beginnt: Neun Angeklagte, darunter Prinz Reuss, der Kopf der Bande, stehen seit Dienstag vor Gericht Foto: Boris Roessler/dpa

Der Hauptangeklagte Heinrich XIII. Prinz Reuß erscheint in standesgemäßem marineblauen Sakko mit erhobenem Haupt, die mittellangen, weißen Haare zurückgekämmt. Die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann wiederum schlurft zu ihrem Platz, trotz sommerlicher Temperaturen in Daunenjacke und Schal gekleidet.

In Begleitung von jeweils zwei Polizeibeamten werden die neun Angeklagten nacheinander mit rund einer Stunde Verspätung am Dienstag zu ihren Plätzen auf den Anklagebänken in der extra für den Mammutprozess errichteten Leichtbauhalle am Stadtrand von Frankfurt am Main geführt.

Ebenfalls angeklagt sind die Anführer des „militärischen Arms“ der Gruppe: der ehemalige Bundeswehr-Oberst, Rüdiger von Pescatore. Der ehemalige KSK-Soldat Peter Wörner, ein großer, grimmig dreinblickender Mann mit grauem Vollbart im Trachtenjanker – und in Begleitung von einschlägig bekannten Neonazi-Anwälten. Die ehemaligen Elite-Militärs waren in der Gruppe unter anderem für Planungen zur Erstürmung des Bundestags verantwortlich.

In einem von drei Terrorverfahren um die Reuß-Gruppe ist dieser innere Kreis der Ver­schwö­re­r*in­nen angeklagt. Der Generalbundesanwalt wirft ihnen die Bildung einer terroristischen Vereinigung und Umsturzpläne vor:

Harmlos? Bis an die Zähne bewaffnet

Demnach wollten sie Bundestagsabgeordnete mit Waffengewalt festnehmen, Tötungen waren beim Sturm auf den Bundestag eingepreist, den sie unter Hilfe der ehemaligen AfD-Abgeordneten Malsack-Winkemann ausgekundschaftet hatten. Nach der Machtübernahme wollten sie regionale Säuberungen durchführen, organisiert durch „Heimatschutzkompanien“.

AfD-Politiker verharmlosten die Gruppe nach bundesweiten Razzien im Dezember 2022 als „Rentnertruppe“ und sprach von einem „Rollatorputsch“ – obwohl sie für ihren Umsturz eine halbe Million Euro sowie 382 Schusswaffen, 347 Hieb- und Stichwaffen, über 148.000 Munitionsteile sowie weit fortgeschrittene Planung verfügt haben sollen. Auch beim 72-jährigen Prinz Reuß fanden die Ermittler fast tausend Schuss Munition, im Haus der AfD-Richterin Malsack-Winkemann entdeckten sie Waffen und Munition griffbereit in einer Sporttasche.

Noch vor Beginn der Anklageverlesung und der eigentlichen Hauptverhandlung ist die Szenelastigkeit einiger Anwälte überdeutlich geworden. Nach dem Einmarsch hagelt es Anträge fürs Gericht: Auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters, auf Nichtverlesung der Anklageschrift, auf audiovisuelle Aufzeichnung des Prozessgeschehens.

Der Vorsitzende Richter Jürgen Bonk war sichtlich darum bemüht, voranzukommen, um schon am ersten Tag zur Anklageverlesung fortzuschreiten. Er stellte sämtliche Anträge zurück, bis auf den zur Audioaufzeichnung des Prozesse, gestellt von der AfD-Richterin Malsack-Winkemann, dem sich mehrere Angeklagte anschlossen.

Der Richter weist die Anträge zurück

Der Generalbundesanwalt hielt eine Aufzeichnung nicht für nötig, weil das nur in Ausnahmefällen üblich sei und das Verfahren keine herausragende historische Bedeutung habe. Darauf antwortete ein Verteidiger Martin Schwab der Angeklagten Johanna F.-J., dass das Verfahren sehr wohl historische Bedeutung habe: „Wir haben es hier mit dem größten Missbrauch in der Geschichte der deutschen Rechtspflege zu tun“, sagte er.

Nun, Richter Bonk sah das deutlich anders, er wies die Anträge nach einer Mittagspause zurück, sodass danach schließlich um 13:35 Uhr mit der Verlesung der Anklage begonnen werden konnte, die anschließend über zwei Stunden dauerte.

Auch die legt nahe, dass die Gruppe alles andere als harmlos war: Den Rädelsführern der Gruppe sei es um „Mord, Totschlag und gemeingefährliche Straftaten gegangen, die dazu bestimmt sind, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern oder die Grundstrukturen des Staates zu beschädigen“, trug Oberstaatsanwalt Tobias Engelstetter vor.

Sie hätten sich als Rädelsführer einer terroristischen Vereinigung beteiligt und „hochverräterische Unternehmen gegen den Bund“ geplant. Die Mitglieder der Gruppe habe eine tiefe Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland verbunden. Sie wollten die staatlichen Strukturen bekämpfen, die Ordnung beseitigen.

Langer Prozess in der Containerhalle

Der Oberstaatsanwalt berichtet minutiös über umtriebige und fortgeschrittene Umsturzplanungen, umfassende Feindeslisten, auf denen die staatliche Repräsentanten vom Minister, über Abgeordnete bis hin zum Bürgermeister, Landrat, Amtsarzt, Polizisten und Journalisten standen, Schießtrainings sowie der Gründungen erster Heimatschutzkompanien – bis die Gruppe schließlich in bundesweiten Razzien und Festnahmen im Dezember 2022 zerschlagen wurde.

Weitgehend ungerührt verfolgte die Gruppe den langen Vortrag der Generalbundesanwaltschaft: Reuß blieb regungslos, Malsack-Winkemann verdrehte mehrfach die Augen nach oben oder wandte sich lächelnd zu Reuß um. Wörner, der bärbeißige Bartträger, sah die meiste Zeit mit verschränkten Armen zu. Einstellen können sie sich noch auf zahlreiche weitere Prozesstage in der stickigen Containerhalle: Das Verfahren umfasst 801 Aktenordner, gehört werden sollen bis zu 260 Zeug*innen, Termine sind angesetzt bis in den Januar 2025.

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7 Kommentare

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  • Es wurde mindestens ein Maschinengewehr sichergestellt.



    Rollatoren können bestens als MG-Lafetten zweckentfremdet werden.

    Nach Focus durchquerte die Ex-Richterin forsch den Gerichtssaal statt zu schlurfen.



    Der Presse-Widerspruch bedarf der Aufklärung.



    Der Pippifax-Prinz ist umringt von Eldermen-Verteidigern im fortgeschrittenen Rentner-Alter .



    Da die durchschnittliche Lebenserwartung von Anwälten stressbedingt bei 70,437 Jahren liegt und der Prozess jahrelang dauern könnte, könnten des Prinzen Anwälte altersbedingt wegen Demenz oder Tod ausfallen und den Prozess zum Platzen bringen.



    Darauf könnte der listenreiche Pippifax-Prinz spekulieren mit seiner Anwältewahl, da seine Lebenserwartung als Nichtanwalt weit höher ist als die seiner überbetagten Anwälte.

    Das nutz- und sinnlose Anträge-Gedöns ist procedere as usual.

    Der kritische Prozessbeobachter

  • Die Anmaßung, einen Prinzentitel zu tragen, sollte ihm weitere 18 Jahre bringen.



    Gut, daß uns das Rechtssystem von diesen gewalttätigen Umstürzlern befreit.

  • Ach du meine Güte. Die Staatsanwaltschaft sollte hier vorsichtig sein. ich muss da an ein Zitat von Napoleon denken "Es ist oft nut ein kleiner Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen". Wenn der Titel schon die Möglichkeit eröffnet dass es letzteres sein könnte, dann sollte man wirklich aufpassen. Aber, ich nehme mal an dass das geschichtliche Wissen der betroffenen Politiker und Staatsanwälte nicht bis zurück zum alten Boney (wie die Engländer ihn nannten) reicht. Von daher sehe ich den Entwicklungen mit Spannung entgegen.

    Was die Waffen angeht, war nicht einer der Verschwörer ein Waffenhändler? Sollte man evtl erwähnen, weil der ja berufsmäßig eine Anzahl der verschiedensten Waffen im Sortiment hat. Und was für Waffen, Luftgewehre und Armbrüste wie bei der vorherigen Verschwörung? Auch das sollte man dazusagen. In der "Welt" wusste der Redakteur nur von einer Makarov und einer Walther (Handfeuerwaffen), sonst nichts. Es kann sich also um alles mögliche, vom Pfadfinderdolch bis zur Schrotflinte handeln. Jedenfalls wären das kaum Waffen für einen ernst zu nehmenden Umsturzversuch. Aber dafür hatten die ja eine Wahrsagerin und ein paar Esoteriker, die im überdimensionalen Raum arbeiten dabei, so dass man schnöde Eisenwaren nicht so sehr brauchen würde..

  • Entschuldigung, aber könnt ihr mal aufhören, diesem Kerl sein "Prinz" nachzuplappern?



    Das ist kein Namensteil, auf den er Anspruch hat. Diese Leute führen diese Titel, um den Adelsstand immer wieder in Erinnerung zu rufen.



    Es war viel Arbeit für viele Leute, diese Pseude-Hohe-Leute-Angeberei loszuwerden, wir sollten dafür sorgen, dass das auch so bleibt.

    • @Jeff:

      Sehe ich ähnlich. Wie heißt der Mann laut Anklageschrift wirklich?

    • @Jeff:

      Finde ich auch, Herr Reuß wäre meiner Meinung durchaus ausreichend , in Österreich ist man da schon deutlich weiter , da gehts auch ohne Adelstitel .

    • @Jeff:

      Ja. Da hat Österreich etwas besser gemacht.