UN-Abstimmung zu weltweitem Gedenktag: Streit über Opfer von Srebrenica

Die UN-Vollversammlung entscheidet über einen Internationalen Gedenktag für die 1995 ermordeten 8.000 Bosniaken. Serbien will das verhindern.

Eine weiß gekleidete Frau küsst einen Grabstein auf einem großen Gräberfeld

Sefika Mustafic küsst den Grabstein für ihren Sohn in der Potocari-Gedenkstätte für die Opfer von Srebrenica Foto: Armin Durgut/ap

SARAJEVO taz | Es ist in Sarajevo derzeit kaum möglich, jemanden auf die am Donnerstag stattfindende Abstimmung in der UN-Vollversammlung über eine Srebrenica-Resolution anzusprechen. Denn die Stimmung der Menschen schwankt zwischen Verletztheit und Resignation, vermischt mit ein bisschen Hoffnung. Immerhin sei Bosnien wieder ins Zentrum politischer Diskussion gerückt, betonen die Medien. Aber es herrscht mehr zweifelndes Abwarten.

Als am 11. Juli 1995 serbische Truppen in die von UN-Soldaten bewachte Sicherheitszone Srebrenica einmarschierten und in den folgenden Tagen mehr als 8.000 bosniakische Männer bestialisch ermordeten, standen die UN-Truppen nur Spalier und sahen zu. Wie ein Jahr zuvor auch beim Völkermord in Ruanda.

Dass die UNO-Vollversammlung am 23. Mai auf Antrag Deutschlands und Ruandas über einen weltweiten Gedenktag für die Opfer des Genozids in Srebrenica am 11. Juli (International Day of Reflection and Remembrance of the 1995 Srebrenica Genocide) abstimmen wird, ist ein bedeutsames Zeichen.

Zwar ist diese Resolution ein bisschen auch eine Art Entschuldigung der UNO für die Versäumnisse von damals. Doch dass in Zukunft jedes Jahr der Opfer des Genozids gedacht werden soll, ist nicht nur eine Genugtuung für die Opfer, die Frauen von Srebrenica, wie Munira Subasić. Für den Leiter der Gedenkstätte in Srebrenica, Emir Suljagić, und vor allem jene, die damals überlebt haben, ist es positiv zu sehen, dass zukünftig in allen Schulbüchern der Welt der Opfer des Genozids in ihrer Stadt gedacht werden soll.

Verherrlichung von Kriegsverbrechern

Ist es der Außenministerin Annalena Baerbock wirklich gelungen, mit Srebrenica und im Verein mit Ruanda glaubwürdig deutsche Außenpolitik zu vertreten? Werden sich die westlichen, aber wichtiger noch, die afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatischen Länder gerade jetzt, nach dem Palästina-Konflikt, hinter eine von Deutschland initiierte Resolution stellen? Denn um angenommen zu werden, muss eine Zweidrittelmehrheit in der Vollversammlung zustande kommen. Die serbische Seite tut gemeinsam mit den Freunden aus Russland, Nordkorea, Iran, Nicaragua, Ungarn und anderen alles dafür, diese Resolution zu verhindern.

Im Frühjahr noch waren die Töne aus Belgrad schrill und aggressiv, die Überlebenden wurden diffamiert und bedroht, alkoholisierte Männer zogen an der Gedenkstätte in Potocari vorbei, in Fußballstadien wurde gegenüber Bosniaken wieder mit Messer, Strick, Stacheldraht und „Srebrenica“ gedroht.

Doch die aggressive Variante musste aufgegeben werden, denn in der UNO zeichnete sich eine Mehrheit für Srebrenica ab. So musste Belgrad umschalten. Nachdem die aggressive Kampagne nicht verfing, werden jetzt weichere Töne angeschlagen. Marko Đurić, der serbische Außenminister, warnt seit Dienstag davor, dass die Resolution keineswegs zu einer Versöhnung führen würde, sondern eher dazu, die „Gräben auf dem Balkan“ wieder aufzureißen.

Die vorgeschlagene Resolution verschweige nach Ansicht der serbischen Führung, dass nicht nur bosnische Muslime Opfer der Balkankriege waren, sondern auch andere Volksgruppen, vor allem die Serben. Dass seither keine Woche vergeht, in der nicht verurteilte serbische Kriegsverbrecher verehrt und gefeiert werden, ist dem Außenminister kein Wort wert.

Serbien solle endlich mit einer ehrlichen Diskussion über die Geschichte anfangen, kontern die Vertreter der Opfer von Srebrenica wie Munira Subasić.

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