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: Nimm das, KI!

Scarlett Johansson hat gewonnen. Das Unternehmen OpenAI darf ihre Stimme als KI-Version in ihrem Sprachassistenten nicht verwenden. Um sich wirklich gegen die Vorherrschaft der künstlichen Intelligenz in Hollywood zu behaupten, müssen sich aber die Schau­spie­le­r*in­nen jetzt organisieren

Scarlett Johansson hat nicht nur im Film „Black Widow“ genügend Ausrüstung, um sich gegen Angreifer zu wehren Foto: Marvel Studios/Zuma Press/imago

Von Daniél Kretschmar

Sam Altmann, Chef des ChatGPT-Entwicklers Open­AI, fragte den Hollywood-Star Scarlett Johansson im Herbst 2023, ob sie ihre Stimme für eine neue Assistenzsoftware bereitstellen würde. Johansson lehnte ab. Nach ihrer Darstellung, die von OpenAI nicht bestritten wird, wurde auch eine erneute Nachfrage vor zwei Wochen abgelehnt.

In jedem gewöhnlichen Geschäftsfeld wäre die Geschichte damit zu Ende gewesen. Nicht jedoch in der Blase des Größenwahnsinns, in der Technologie-Milliardäre zu leben scheinen. Bei der Vorstellung neuer Sprachassistenten präsentierte OpenAI vor einigen Tagen unter anderem die Stimme „Sky“, die verdächtig nach Scarlett Johansson klang. In einem Social-Media-Post drückte Sam Altman seine Begeisterung mit nur einem Wort aus: „her“. Rein zufällig ist das der Titel eines Films, in dem Johansson einer künstlichen Intelligenz die Stimme leiht.

Hinter den Kulissen folgte der eilige Austausch anwaltlicher Schriftsätze, an deren Ende OpenAI, nach Angaben Johanssons „nur widerwillig“, die Stimmkopie abschaltete. Das Unternehmen erklärte nun, dass die verwendeten Stimmen nicht absichtlich Prominente nachmachen sollten und behauptet, dass „Sky“ keine Imitation von Scarlett Johanssons Stimme sei. Das kann die Schauspielerin gelassen übergehen.

Die Pseudo­entschuldigung von OpenAI gibt einen Hin­weis darauf, wohin die Reise künftig gehen soll

In ihrem Statement macht Johansson deutlich, dass sie mehr Transparenz über die Mechanismen des AI-Geschäfts und besseren gesetzlichen Schutz individueller Rechte der Kreativen erwartet. Damit befindet sich die Schauspielerin auf einer Linie mit ihrer Gewerkschaft, SAG-AFTRA, die mit Nachdruck für Gesetze lobbyiert, die die unautorisierte Verwendung von Stimmen und Abbildern ihrer Mitglieder verhindern sollen. Das ist ein wichtiger Schritt zum Schutz kreativer Arbeit. Es ist aber nur ein Anfang, um mit Produktionsbedingungen im digitalen Zeitalter umzugehen. Die Pseudoentschuldigung von Open­AI gibt einen Hinweis darauf, wohin die Reise künftig gehen soll. So wird behauptet, dass die Stimmen der Sprachassistenten, inklusive der Johansson-Kopie, von bezahlten Schau­spie­le­r*in­nen eingesprochen seien. Man könne deren Identitäten aber zum Schutz der Privatsphäre nicht offenbaren. Privatsphäre ist ein etwas unplausibles Argument in einem Geschäft, in dem sich Marktwert doch aus öffentlicher Wahrnehmung errechnet und unbekanntere Schau­spie­le­r*in­nen jeden Werbespot, an dem sie mitgewirkt haben, stolz in der Vita präsentieren. Aber die Anonymität der Stimmen ergibt durchaus Sinn. Schließlich müssen Voice Actors etwa in Videospielen und Hörbüchern oft die Verwertungsrechte an ihren Stimmen über die eingesprochenen Rollen hinaus den Studios einräumen. Die können das Material bequem verkaufen und verändern.

So werden Stimmdatenbanken aufgebaut, die sich aus der Arbeit realer Schau­spie­le­r*in­nen speisen. OpenAI kann aus diesem Pool die benötigten Stimmen ungefragt kaufen und das Studio verdient ohne Aufwand extra. Keine Schauspielerin kann dagegen vorgehen – die Fremdnutzung ist von vornherein autorisiert. Noch ist jedoch nicht alles verloren, solange die mächtigen Gewerkschaften der Schau­spie­le­r*in­nen und Au­to­r*in­nen in Hollywood sich mit Blick auf AI nicht ausschließlich auf Copyrights, sondern zunehmend auf weiter gefasste Regeln für eine faire Weiterverwertung konzentrieren. Dann kann in Zukunft nicht nur Scarlett Johansson mit ihren teuren Anwälten Figuren wie Sam Altman in ihrer ganzen Peinlichkeit vorführen.