Kündigung nach Antisemitismus-Vorwürfen: Noch kein Friede bei Frieda
Zwei Mädchenzentren wurde vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg fristlos gekündigt. Die Aufregung ist groß. Nun soll der Fall untersucht werden.
Berlin taz | Es ist wieder spät geworden, 14 Stunden schon beschäftigt sich der Jugendhilfeausschuss von Friedrichshain-Kreuzberg in der nun vierten Sitzung mit der außerordentlichen Kündigung für zwei Einrichtungen der Frieda-Frauenzentren. Die Stimmung im Saal des Rathauses Kreuzberg an der Yorckstraße ist erhitzt, die Erschöpfung groß. Draußen hallen die Sprechgesänge der Frieda-Solidaritätsbekundungen die Straße entlang, drinnen tagen die Bezirksverordneten noch um 23 Uhr.
In nichtöffentlicher Sitzung fällt schließlich folgender Beschluss: Der Ausschuss fordert das Jugendamt unter Leitung von CDU-Bezirksstadtrat Max Kindler auf, die Kündigung für den Betrieb der Zentren „Phantalisa“ und „ALIA“ zurückzunehmen. Das soll ein geordnetes Verfahren einleiten, das den Fall genauer untersucht.
Hintergrund der Kündigungen ist nach Darstellung des Jugendamts: Leitende Mitarbeiter:innen von „Frieda“ sollen sich Medienberichten zufolge antisemitisch geäußert haben. Seitdem sind die beiden Einrichtungen dicht. Von jetzt auf gleich hätten Kinder dadurch ihr Betreuungs- und Schutzangebot verloren, lautet die Kritik.
Falls der Verein Frieda zustimmt, soll es dem Sitzungsbeschluss nach zu einem neuen Vertrag und auch zu einem „geordneten, ergebnisoffenen und rechtssicheren Verfahren zur Überprüfung der Zusammenarbeit“ kommen. Außerdem fordert der Jugendhilfeausschuss einen Fortbildungstag für die Beschäftigten. Außerdem sollen sich Bezirk und Verein auf eine Geschäftsordnung einigen, die zukünftige rechtliche Unklarheiten verhindern soll.
Verein soll sich von Antisemitismus distanzieren
Das Jugendamt nehme die im Beschluss aufgeführten Punkte zum anstehenden Verfahren mehrheitlich ernst, sagte Stadtrat Kindler am Mittwoch der taz. Man werde schauen, wie es mit den rechtlichen Überprüfungen weitergehe. Ursprünglich habe man eine fristlose Kündigung aber für richtig gehalten.
Der Jugendhilfeausschuss macht aber auch dem Verein Frieda Vorgaben: Der Träger soll sich öffentlich von antisemitischen Äußerungen distanzieren und von Aussagen, die das Existenzrechts Israels infrage stellen. Dies beziehe sich ausdrücklich auf den Träger, nicht auf Mitarbeiter:innen als Privatpersonen. Außerdem werde „respektvolle und kooperative Dialogbereitschaft“ erwartet.
Die Mitarbeiter:innen und Trägerleitungen, gegen die Antisemitismusvorwürfe vorliegen, sollen – so die Position des Ausschusses – bis zur Klärung der Situation nur eingeschränkt fachlich zuständig sein. Um den Kindern in den Zentren keinen Schaden zuzufügen, soll es ein Schutzkonzept geben. Dem Beschluss vom Dienstagabend ist zu entnehmen: Wenn diese Bedingungen nicht eingehalten werden, sei eine Zusammenarbeit nicht möglich.
Vertreter:innen und Solibündnisse von Frieda argumentieren bei einer Kundgebung vor dem Bezirksamt und auch im von ihnen prall gefüllten Sitzungssaal immer wieder: Es gehe um die Kinder. Sie seien die Leidtragenden, die von einem Tag auf den anderen ein wichtiges Schutz- und Unterstützungsangebot verloren hätten.
Angespannte Atmosphäre
Eine Expertin für Mädchenarbeit kritisiert, dass es für queere und Migra-Kids ohnehin nicht genug Angebote gäbe. Die Schließungen würden dies noch befördern. Manal Sode von Frieda e. V. betont außerdem, dass die Zentren gegen jegliche Form von Diskriminierung seien, auch gegen Antisemitismus.
Die Atmosphäre im Saal bleibt bis zum Schluss des öffentlichen Teils angespannt. Frieda-Unterstützer:innen und Bezirksverordnete müssen immer wieder zur Ruhe aufgerufen werden. Als Stadtrat Kindler von Vergewaltigungen beim Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober spricht, ruft einer der Frieda-Unterstützer:innen: „Das war Propaganda.“ Unruhe bricht aus, die Mehrheit von ihnen verlässt unter lauten „Viva Palästina“-Rufen den Saal.
Leser*innenkommentare
Puky
Der letzte Absatz beschreibt sehr schön, warum die Schließung von Einrichtungen mit solcher Führung und solchen Unterstützern, nicht so ganz verkehrt ist.
Jim Hawkins
@Puky Jedenfalls scheinen sie nicht übertrieben intelligent zu sein, sonst hätten sie der Einrichtung nicht diesen Bärendienst erwiesen.
Aber so ist das eben bei denen, es muss raus, es muss einfach raus.
Pflasterstrand
@Puky Ihre drei Zeilen verdeutlichen sehr gut, warum es wichtig ist in einem Rechtsstaat zu leben. Der identifiziert nämlich eine Einrichtung für soziale Arbeit mit jungen, von Rassismus und Queerfeindlichkeit betroffenen Frauen* nicht mit dessen Führungspersonal oder dessen Instrumentalisierung durch durchgeknallte Intifada-Schwurbler*innen. Das eine ließe sich auch ohne das andere haben, es bildet keinen notwendigen Zusammenhang.
Dr. McSchreck
@Pflasterstrand Problem ist laut Tagesspiegel, dass die Geschäftsführerinnen ganz vorn dabei sind bei den " durchgeknallten Intifada-Schwurbler*innen" und das Massaker für israelische Propaganda erklären...
Sonntagssegler
@Puky Widerspruch,
Man kann hier auch zwischen Einrichtung und Träger differenzieren.
Diese Einricchtungen sind so dünn gesät (und ihre Aufgabe hat sehr wenig mit Palästina zu tun), das ich die Einrichtungen selbst für zu wichtig halte, um sie einfach mal spontan zu schließen.
Wenn so ein Träger einen zu palästinalastigen Vorstand hat, kann man das Problem auch im Verlauf einiger Monate lösen und ggf. einen anderen Träger suchen.
Dr. McSchreck
@Sonntagssegler und wo ist die Grenze? Erst wenn man bestreitet, dass es den Holocaust gegeben habe?
Ich finde richtig, dass man dafür sorgt, dass solche Leute nicht Kinder indoktrinieren können.
Jessica Blucher
@Dr. McSchreck "Als Stadtrat Kindler von Vergewaltigungen beim Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober spricht, ruft einer der Frieda-Unterstützer:innen: „Das war Propaganda"
Dazu braucht es mehr Komtext für den genauen Wortverlauf.
Die New York Times sprach davon das Hamas Massenvergewaltigungen als Waffe veewende und das wurde inzwischen wiederlegt.
Wobei es wahrscheinlich ist, dass es dennoch sexuelle Gewalt gab.