Demonstration zum Nakba-Tag in Berlin: Trotz und Pathos
Hunderte ziehen durch Charlottenburg, um an die Vertreibung von Palästinenser während des arabisch-israelischen Kriegs 1947 bis 1949 zu erinnern.
Die Nakba stehe für „76 Jahre Vertreibung und Tod“, rief ein Sprecher des Palästinensischen Nationalkomitees. „Aber wir leben und existieren. Allein das ist Widerstand genug.“ Die Menge schwenkte Palästinafahnen. Aber auch Fahnen der linken Partei Mera25 sowie kommunistischer Grüppchen waren zu sehen. Schilder forderten ein „Nein zu einer neuen Vertreibung“ und ein „Recht auf Rückkehr“, ein Ende der Besatzung und ein „Existenzrecht für Gaza“.
Eine Sprecherin der kommunistischen Antiimp-Gruppe „Revolution“ rief zu einem Schulstreik am 31. Mai auf. Man werde nicht schweigen, trotz einseitiger Berichterstattung, der drohenden Schließung des Kulturzentrums Oyoun und der Kündigung der Mädchenzentren Phantalisa und Alia sowie der Räumung des propalästinensischen Camps an der FU. Die Polizei war am Mittwochabend stadtweit mit einem Aufgebot von 470 Beamt*innen unterwegs. Die Demo war lautstark, verlief aber friedlich. Die Polizei meldete hinterher zwei Festnahmen. Passant*innen blieben neugierig stehen und machten Fotos, auch viel Presse war vor Ort.
Auf der Demonstration war Trotz und Entschlossenheit spürbar, vermischt mit Pathos. „Gerechtigkeit wollen wir“, riefen zwei Kinder ins Mikrofon. Das Altersspektrum war groß, viele augenscheinlich muslimische Frauen war dabei. Die Sprecherin des Vereins „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ ging mit der deutschen Politik hart ins Gericht. Deutschland sei „für Minderheiten in zunehmenden Maß gefährlich“ und habe „offensichtlich nicht aus seiner mit Genoziden gespickten Vergangenheit gelernt“, wetterte sie. Man werde sich als antizionistische Jüd*innen nicht von Deutschland instrumentalisieren lassen und weiter an der Seite der Palästinenser*innen stehen.
Ausschreitungen in Neukölln
Zwei junge Frauen mit Kufiya sagten, sie seien hier, um ein Zeichen gegen Ungerechtigkeit und für Solidarität zu setzen. Sie wollen auch versuchen, zur Demonstration „Palestine will be free“ am Samstagnachmittag zu kommen. Diese soll vom Oranienplatz zum Brandenburger Tor ziehen und ist mit 2.000 Teilnehmer*innen angemeldet. Dass sie verboten wird, glaubt hier niemand.
Auch eine ältere Türkin demonstrierte in Charlottenburg für ein freies Palästina. „Ich gehe so lange auf die Straße, bis der Krieg vorbei ist“, sagte sie bestimmt. Auch sie glaubt nicht, dass die Demonstration am Samstag verboten wird. Doch selbst wenn: „Angst haben wir nicht.“
Die Polizei geht ebenfalls davon aus, dass die Demonstration am Samstag wie geplant stattfindet. Es werde die „üblichen Verfügungen“ geben, erklärt eine Polizeisprecherin auf Nachfrage. Zur Anzahl der Einsatzkräfte will sie noch keine Angaben machen.
Die Leute seien wütend, bemerkte ein kräftiger Mann, vor allem seit der Räumung des Protestcamps. Jede Woche gebe es mindestens eine unangemeldete Spontanversammlung. Das ist auch nun so: Im Neuköllner Reuterkiez versammelten sich am späten Mittwochabend bis zu 200 Menschen. Die auch hier zahlreich anwesende Polizei hatte Lichtmasten aufgestellt und zerstreute schnell die Protestierenden, die vereinzelt Feuerwerk abbrannten und Mülltonnen anzündeten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“