Kündigung nach Antisemitismus-Vorwürfen: Noch kein Friede bei Frieda

Zwei Mäd­chenzen­tren wurde vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg fristlos gekündigt. Die Aufregung ist groß. Nun soll der Fall untersucht werden.

Das Bild zeigt den Protest gegen die Kündigungen am Dienstagabend vor dem Rathaus Kreuzberg

Proteste gegen die Kündigungen am Dienstagabend vor dem Rathaus Kreuzberg Foto: Wolfgang Borrs

BERLIN taz | Es ist wieder spät geworden, 14 Stunden schon beschäftigt sich der Jugendhilfeausschuss von Friedrichshain-Kreuzberg in der nun vierten Sitzung mit der außerordentlichen Kündigung für zwei Einrichtungen der Frieda-Frauenzentren. Die Stimmung im Saal des Rathauses Kreuzberg an der Yorckstraße ist erhitzt, die Erschöpfung groß. Draußen hallen die Sprechgesänge der Frieda-Solidaritätsbekundungen die Straße entlang, drinnen tagen die Bezirksverordneten noch um 23 Uhr.

Trägerverein soll sich öffentlich von antisemitischen Äußerungen distanzieren

In nichtöffentlicher Sitzung fällt schließlich folgender Beschluss: Der Ausschuss fordert das Jugendamt unter Leitung von CDU-Bezirksstadtrat Max Kindler auf, die Kündigung für den Betrieb der Zentren „Phantalisa“ und „ALIA“ zurückzunehmen. Das soll ein geordnetes Verfahren einleiten, das den Fall genauer untersucht.

Hintergrund der Kündigungen ist nach Darstellung des Jugendamts: Leitende Mit­ar­bei­te­r:in­nen von „Frieda“ sollen sich Medienberichten zufolge antisemitisch geäußert haben. Seitdem sind die beiden Einrichtungen dicht. Von jetzt auf gleich hätten Kinder dadurch ihr Betreuungs- und Schutzangebot verloren, lautet die Kritik.

Falls der Verein Frieda zustimmt, soll es dem Sitzungsbeschluss nach zu einem neuen Vertrag und auch zu einem „geordneten, ergebnisoffenen und rechtssicheren Verfahren zur Überprüfung der Zusammenarbeit“ kommen. Außerdem fordert der Jugendhilfeausschuss einen Fortbildungstag für die Beschäftigten. Außerdem sollen sich Bezirk und Verein auf eine Geschäftsordnung einigen, die zukünftige rechtliche Unklarheiten verhindern soll.

Verein soll sich von Antisemitismus distanzieren

Das Jugendamt nehme die im Beschluss aufgeführten Punkte zum anstehenden Verfahren mehrheitlich ernst, sagte Stadtrat Kindler am Mittwoch der taz. Man werde schauen, wie es mit den rechtlichen Überprüfungen weitergehe. Ursprünglich habe man eine fristlose Kündigung aber für richtig gehalten.

Der Jugendhilfeausschuss macht aber auch dem Verein Frieda Vorgaben: Der Träger soll sich öffentlich von antisemitischen Äußerungen distanzieren und von Aussagen, die das Existenzrechts Israels infrage stellen. Dies beziehe sich ausdrücklich auf den Träger, nicht auf Mit­ar­bei­te­r:in­nen als Privatpersonen. Außerdem werde „respektvolle und kooperative Dialogbereitschaft“ erwartet.

Die Mit­ar­bei­te­r:in­nen und Trägerleitungen, gegen die Antisemitismusvorwürfe vorliegen, sollen – so die Position des Ausschusses – bis zur Klärung der Situation nur eingeschränkt fachlich zuständig sein. Um den Kindern in den Zentren keinen Schaden zuzufügen, soll es ein Schutzkonzept geben. Dem Beschluss vom Dienstagabend ist zu entnehmen: Wenn diese Bedingungen nicht eingehalten werden, sei eine Zusammenarbeit nicht möglich.

Ver­tre­te­r:in­nen und Solibündnisse von Frieda argumentieren bei einer Kundgebung vor dem Bezirksamt und auch im von ihnen prall gefüllten Sitzungssaal immer wieder: Es gehe um die Kinder. Sie seien die Leidtragenden, die von einem Tag auf den anderen ein wichtiges Schutz- und Unterstützungsangebot verloren hätten.

Angespannte Atmosphäre

Eine Expertin für Mäd­chenar­beit kritisiert, dass es für queere und Migra-Kids ohnehin nicht genug Angebote gäbe. Die Schließungen würden dies noch befördern. Manal Sode von Frieda e. V. betont außerdem, dass die Zentren gegen jegliche Form von Diskriminierung seien, auch gegen Antisemitismus.

Die Atmosphäre im Saal bleibt bis zum Schluss des öffentlichen Teils angespannt. Frieda-Unterstützer:innen und Bezirksverordnete müssen immer wieder zur Ruhe aufgerufen werden. Als Stadtrat Kindler von Vergewaltigungen beim Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober spricht, ruft einer der Frieda-Unterstützer:innen: „Das war Propaganda.“ Unruhe bricht aus, die Mehrheit von ihnen verlässt unter lauten „Viva Palästina“-Rufen den Saal.

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