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BLO-Ateliers in Lichtenberg vor dem AusKreative auf dem Abstellgleis

Die Deutsche Bahn will den Ende Juli auslaufenden Mietvertrag mit den BLO-Ateliers nicht verlängern. Das sorgt für Protest von vielen Seiten.

Heile Welt im BLO: Tag der offenen Tür in den Ateliers in Lichtenberg im Sommer 2017 Foto: Emma­nuele Contini/imago

Berlin taz | Die Aufregung ist groß, das zieht flanierende Be­su­che­r:in­nen an, die sich „nur mal umgucken wollen“, wie eine Frau im Vorbeigehen sagt, „weil ich das BLO gar nicht kannte.“ Da hat sie was verpasst: Das einstige Bahnbetriebswerk Berlin-Lichtenberg Ost (kurz BLO) ist ein Kunst- und Kreativstandort – und als solcher akut in Gefahr.

Das umzäunte Karree am S-Bahnhof Nöldnerplatz ist (noch) frei zugänglich. Die großen Kastanien am Eingang stehen in voller Blüte, weiter hinten auf dem über 12.000 Quadratmeter große Gelände ließe sich schon Mangold ernten. Überall sind Arbeitsmaterialien, Werkzeuge und immer wieder Kunstwerke zu sehen. Ein Engel aus Marmor steht wie ein Hoffnungszeichen neben einem Kirschbaum. Etwas weiter hinten liegen zwei Helme mit riesigen Hörnern auf einem Metallgestell – das BLO ist wehrhaft, wäre eine Interpretationsmöglichkeit.

An der roten Eingangstür zur Kantine, hier finden eigentlich Konzerte und Partys statt, hat jemand Ausdrucke aufgehängt, die auf Englisch und Deutsch verkünden: „Die heutige Veranstaltung ist leider abgesagt.“ Auch alle anderen Türen und Fenster der Gebäude sind verschlossen. Es liegt Wehmut in der Luft.

Rund 90 Künst­le­r:in­nen und Hand­wer­ke­r:in­nen sind betroffen: Sie haben seit 20 Jahren in dieser grünen Oase in ihren Ateliers und Werkstätten gearbeitet, haben hier Bogen und Bumerangs und Fahrräder gebaut, Workshops abgehalten, Filmabende und Ausstellungen organisiert, an Grafiken, Bildern, Skulpturen aus Holz und Metall, an Musik oder auch Filmeffekten gearbeitet.

Ende Juli soll Schluss sein

Damit soll Ende Juli Schluss sein, der Mietvertrag läuft aus. Aber schon jetzt ist eine Nutzung de facto „nicht mehr möglich“, sagt Peter Tietz vom Trägerverein Lockkunst der taz am Montag. Ende April „ist uns das Betreten unserer Arbeitsräume per Nutzungsuntersagung der Vermieterin, der Deutschen Bahn, verboten worden“ – angeblich wären die Mängel an der Elektrotechnik zu gravierend.

Doch das baurechtliche Sachverständigengutachten wurde dem Verein bislang nicht vorgelegt. „Die Nutzungsuntersagung hat uns den Boden unter den Füßen weggerissen“, sagt Tietz. Deshalb gab es am Freitag eine Pressekonferenz, die für Aufsehen sorgte.

Am selben Tag traf eine sogenannte „handlungsleitende Sprachregelung“ der Deutschen Bahn beim Mieter, dem Lockkunst e.V., ein; sie liegt der taz vor. Darin ist unter anderem vom Interimscharakter des vor 20 Jahren geschlossenen Mietvertrages und der Notwendigkeit die Rede, einzelne Räume „wegen Baufälligkeit zeitweise von der weiteren Nutzung auszuschließen“ – und das wiederholt – aber auch, dass „das finale Gutachten für alle Mietobjekte auch der DB noch nicht vorliegt“.

Mittelfristig könne das Gelände wieder für den Eisenbahnbetrieb genutzt werden, heißt es weiter: „Mit zusätzlichem Verkehr auf der Schiene wächst auch der Bedarf an zusätzlichen Abstellflächen für Züge. Vor allem im innerstädtischen Bereich sind diese Eisenbahnflächen daher ein hohes Gut. Parallel wird geprüft, ob die DB der Künstlergemeinschaft eine Ersatzfläche zur Verfügung stellen kann.“ Abstellflächen für Züge? Man stelle sich vor: ein 200 Meter langer ICE auf dem BLO-Gelände – dafür ist das Gelände offensichtlich gar nicht groß genug.

Im Kiez, im Bezirk verankert

„Von Ersatzflächen war schon ab und an die Rede“, sagt Peter Tietz. „Aber das ist nicht das, was wir wollen. Dieses Projekt ist in Lichtenberg verankert und ist wichtig für die Stadt und natürlich die Betroffenen. Die Gemeinschaft zwischen den Künstlern und Kleingewerbetreibenden, die Verankerung im Kiez, im Bezirk, in der Stadt – das macht das BLO aus. Dieses Projekt stirbt, wenn für einzelne Künstler neue Räume gefunden werden.“

Dieses Projekt ist in Lichtenberg verankert und ist wichtig für die Stadt

Peter Tietz, Lockkunst e.V.

Wie kann es weitergehen? „Uns geht es darum“, sagt Tietz, „die Bahn wieder an den Verhandlungstisch zu bekommen.“ Schon seit Wochen sei der Trägerverein im Gespräch mit Bundes- und Landespolitiker:innen. „Da gibt es einen echten Konsens für den Erhalt“ und auch dafür, dass das Land der Deutschen Bahn eine Ersatzfläche am Heizkraftwerk Klingenberg in Rummelsburg – mit Schienenanschluss -, das ja gerade in Landesbesitz übergegangen ist, zur Verfügung stellen könnte. „Mit dem Ziel, dass das BLO hier in Lichtenberg erhalten bleibt.“ Die Bahn wolle das aber nicht. „Dagegen kämpfen wir“, sagt Tietz.

Das unterstützt neben der Linken-Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch auch Landespolitiker Christian Goiny: „Hier passiert die nächsten 20 Jahre gar nichts, wenn die Ateliers verschwunden sind“, sagt der Sprecher für Clubkultur und Haushalt der CDU-Abgeordnetenhausfraktion der taz.

Die Ma­che­r:in­nen des BLO sind also bestens vernetzt. Das findet auch Julia Brodauf, eine der beiden Berliner Atelierbeauftragten. „Wir haben am Montag über das BLO beraten, um das Projekt bestmöglich zu unterstützen. Wir setzen uns für eine zumindest kurzfristige Lösung ein,“ sagt Brodauf. Schließlich handele es sich um Arbeitsplätze von Künst­le­r:in­nen und anderen Kreativen – das Aus fürs BLO wäre „fatal für ihre Berufstätigkeit“.

Das Prinzip Hoffnung

Die Bahn wird deshalb auch bald Post von den Atelierbeauftragten bekommen, einen Appell für den Erhalt. Außerdem, sagt Julia Brodauf, ist das BLO Thema in der nächsten Sitzung des Kulturausschusses am kommenden Montag. Das dürfte spannend werden.

Denn auch Kultursenator Joe Chialo (CDU) hat sich in den Konflikt eingeschaltet. Fast ein Jahr lang hätten der Trägerverein Lockkunst und die Bahn intensiv verhandelt, „mit Unterstützung und Beteiligung“ des Landes Berlin, heißt es aus Chialos Verwaltung. Auch deshalb sei man von den aktuellen Entwicklungen „überrascht und schockiert“.

Der Senat werde sich nun zeitnah mit Bitte um Unterstützung direkt an die Bundesregierung wenden. Mal sehen, was Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) dazu sagt. Es bleibt am Ende das Prinzip Hoffnung.

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