Performance über Klimakatastrophe: Nichts mit Sand am Meer
In der Schwankhalle in Bremen bringt das Kollektiv Markus & Markus eine Fortsetzung zum Kino-Blockbuster „Titanic“ auf die Bühne.
Man kann gar nicht so viel Popcorn essen, wie man kotzen möchte: Da werden diese Warnungen von Expert*innen einfach ignoriert, weil es gerade so gut läuft; weil man nicht wahrhaben möchte, dass man geradewegs auf die Kollision zusteuert. Volle Kraft voraus! Dann macht es Rumms und ehe man sich versieht, ist man in irgendetwas hineingeraten, wie 1912 die „Titanic“ in einen Eisberg. Und über 100 Jahre später gondeln wir wieder zielstrebig auf eine Katastrophe zu. Oder, wenn man dem vierköpfigen niedersächsischen Theaterkollektiv Markus & Markus glaubt: Das Schiff sinkt längst.
Am Wochenende sie ihr Stück „Titanic II“ in der Bremer Schwankhalle – als Fortsetzung des Kino-Blockbusters mit Mitteln des Theaters. Eisberge sind zwar keine in Sicht, dafür eine Menge maritime Dekoration auf der Bühne: eine Prise Seemannsflair, die zuletzt auch in München gut funktionierte: am Fuß der alpenländischen Gebirge. Wie wir aber ins Gedächtnis gerufen bekommen: Auch die höchsten Berge waren mal Meeresboden, bis sie sich unter hohem tektonischen Druck zu ihrer heutigen Form aufgetürmt haben.
So weit, so gut, alles schon mal im Erdkunde-Unterricht gehört. Vielleicht noch bekannter ist James Camerons Kinohit von 1997 über die Romanze zwischen einer Dame aus der Upperclass und einem verarmten Künstler an Deck eines Ozeandampfers. Bei einer der letzten Aufführungen des Stücks in München haben fast alle die Hände gehoben, als sie vom einen Markus gefragt wurden, ob sie „Titanic“ schon mal gesehen haben.
Im Sand erstickt
Im Stück begibt sich das Kollektiv auf die Suche nach Sand. Denn die Stückentwicklung „Titanic II“ sollte laut Ankündigungstext „dort anfangen, wo der Film aufgehört hat: auf dem Meeresgrund“. Und der besteht nun mal aus Sand.
Performance „Titanic II“: Fr, 19. 4., und Sa, 20. 4., 20 Uhr, Schwankhalle
Dreh- und Angelpunkt ist ein Betonwerk, wo das Zeug als Rohstoff in unvorstellbaren Massen verbraucht wird. Nur trifft das der Ausdruck „wie Sand am Meer“ zwar auf einiges zu, nur eben auf den Sand selbst nicht. Der wurde über Jahrmillionen aus den Bergen ins Meer gespült, wo er zwar containerweise abgebaut wird, aber eben nicht nachwächst. 90 Minuten dauert das Theater-Sequel von „Titanic“. Und 90 Minuten dauert es auch, Sand unwiederbringlich in Beton zu binden.
Denn darum geht es bei dieser „Titanic“-Fahrt: Die Menschheit verbraucht laut Markus & Markus doppelt so viel Sand, wie die weltweiten Flüsse nachliefern können. Da kann man etwa ins Grübeln kommen, ob angesichts angespannter Wohnungsmärkte das Credo „Bauen! Bauen! Bauen!“ nun das Gebot der Stunde ist.
Und beim Bauen hört es nicht auf. Denn wie uns der eine Markus erklärt, gibt es auf der Bühne zwar keine Dünen, aber doch ziemlich viel Sand: im Glas der Glühbirne, in den Badelatschen, in der Stonewashed-Jeans des anderen Markus und so weiter und so fort.
Das Problem ist dabei gar nicht, dass uns der Sand ausgeht. Sondern dass die Umwelteinflüsse so enorm sind. Die indischen Landwirte, die in „Titanic II“ per Video zu Wort kommen, berichten, dass sich Sandstaubschichten so stark auf die anliegenden Agrarflächen rund um die Raubbauregion legen, dass Pflanzen mitsamt der darin lebenden Tiere zugrunde gehen. In anderen Teilen der Welt rutschen ganze Küstenabschnitte in die Tiefe, weil weiter draußen gebuddelt wurde. Und das ist nur die Spitze des bildlichen Eisberges.
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