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Erfolgsrezept des TSV Hannover-BurgdorfDer Verein von nebenan

Die Profi-Handballer des TSV Hannover-Burgdorf setzen auf den eigenen Nachwuchs und Nähe zum Publikum. Zuletzt stand ein 20-Jähriger Abiturient im Tor.

Intensives Publikumserlebnis durch Nähe: Szene aus dem Spiel von Hannover-Burgdorf gegen Kiel im November 2023 in der ZAG Arena Foto: dpa | Swen Pförtner

Der Held des Handballabends kam wie auf Bestellung daher. Torwart Lasse Andresen, 20 Jahre alt und angehender Abiturient, wurde nach dem 33:26-Heimsieg gegen Frisch auf Göppingen von Fans und Journalisten umringt. Aufgrund von krankheitsbedingten Ausfällen hatten die Bundesliga-Handballer der TSV Hannover-Burgdorf auf der Position des Torhüters improvisieren müssen und sie setzten auf Andresen.

Einen Novizen auf die ganz große Bühne des Profisports zu hieven, das klingt zwar ziemlich riskant, passt aber perfekt zur Philosophie des Vereins. Die Recken, wie sich die TSV-Mannschaft aus Gründen der besseren Vermarktung nennt, wollen kein zusammengekaufter Haufen sein. Sie wollen ein Verein von nebenan sein, der vor allem mit guter Nachwuchsarbeit glänzt. Mit Nachwuchs wie Andresen.

Der eher schmächtige Andresen sieht auf den ersten Blick nicht wie ein Idol für die Handball-Fans aus. Seine Vorbereitung auf die Partie gegen Göppingen war von Nervosität und Selbstzweifeln bestimmt. „Ich habe meine Tasche fünfmal gepackt, um ja nichts zu vergessen“, erzählt der Aushilfstorhüter.

Was zunächst wie eine kaum zu lösende Aufgabe aussah, endete als Abend voller Großtaten. Andresen zeigte eine starke Parade nach der anderen. Seine routinierteren Mitspieler halfen ihm durch Applaus und Zuspruch, erst die eigene Aufregung und dann den Gegner zu bezwingen. „Lasse hat das überragend gemacht“, sagte sein deutlich erfahrener Mitspieler Vincent Büchner.

Anfänge in der Grundschul-Sporthalle

Das Schöne an den Heimspielen der Hannoveraner ist: Nach der Schlusssirene verstecken sich die Spieler nicht in der Kabine, sondern sie suchen die Nähe zum Publikum. 7.002 Zuschauer bildeten in der riesigen ZAG-Arena auf dem ehemaligen Expo-Gelände bei der Partie gegen Göppingen eine imposante Kulisse.

Hier wird Handball als Sportart zum Anfassen inszeniert. Wer möchte, betritt nach der Partie einfach das Spielfeld, plaudert mit den Akteuren oder holt sich ein Autogramm von den Machern des Vereins. „Das war heute eine richtig gute Geschichte“, sagte Sven-Sören Christophersen, der Sportliche Leiter des TSV Hannover-Burgdorf. Er sei stolz darauf, dass es mehrere Nachwuchsspieler nicht nur bis in den eigenen Profikader, sondern bis in die Nationalmannschaft geschafft haben.

Die Mischung, mit der sie sich ihren Weg bahnen, lässt aufhorchen. Sie haben als ganz normaler Verein vom Lande in der Sporthalle der Gudrun-Pausewang-Grundschule in dem Kleinstädtchen Burgdorf begonnen. Mit zunehmendem Erfolg und Unterstützung eines Pharmaunternehmens war der Umzug nach Hannover verbunden – zunächst in eine mittelgroße Halle und dann sukzessive in die ZAG-Arena.

„Wir sind organisch gewachsen und sehr ehrgeizig“, sagt Christophersen. An seiner Seite arbeitet der ehemalige Bundestrainer Christian Prokop daran, den nächsten Schritt zu vollziehen. Zuletzt spielten die „Recken“ sogar in der European League und konnten internationale Erfahrungen sammeln.

Ein kurzer Bummel durch das Foyer der ZAG-Arena genügt, um zu verstehen, warum die Mannschaft in Hannover gut ankommt und angenommen wird. Vor allem der jungen Kundschaft macht es Spaß, im Fanshop nach Trikots von jenen Helden zu suchen, die sie nebenan in der Halle aus nächster Nähe erleben durften.

Das Bad in der Menge wollte für Lasse Andresen, dem eben noch total unbekannten und plötzlich umjubelten Nachwuchstorhüter, am Freitagabend einfach kein Ende nehmen. Fans, Mitspieler und Vereinsführung erfreuten sich bei einem familienfreundlichen Event über eine weitere Bestätigung dafür, dass der Weg der „Recken“ mit hausgemachten Protagonisten zu einer starken Rolle in Deutschlands bester Handball-Liga führt.

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1 Kommentar

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  • Im Handball ist dies nicht so selten, wie im zehnfach überhöhten Fussball.



    Die meisten Vereine machen eine gute Jugendarbeit, aus der immerwieder Bundesligaspieler heranreifen und den Durchbruch schaffen. Auch die Nahbarkeit ist nicht nur in Hannover so ausgeprägt. Das liegt einfach auch m an den Handballhallen, in denen die Sitzplätze bis zu etwa zwei Meter an das Spielfeld heranreichen