Handball-EM in Deutschland: Was hilft: richtig gute Spieler

Frankreich gewinnt nach Verlängerung das EM-Finale gegen Dänemark. Das deutsche Team verpasst nach einem durchwachsenen Turnier die Bronzemedaille.

einige Spieler der deutschen Nationalmannschaft stehen in der Halle und schwitzen

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft nach dem Spiel um Platz drei am Sonntag: erschöpft und enttäuscht Foto: Tom Weller/dpa

Als Nikolaj Jacobsen, Trainer der dänischen Nationalmannschaft, am Samstag vor dem großen Finale zur Dominanz der französischen und dänischen Handballspieler gefragt wurde, verzichtete er auf eine große Analyse. Er hätte von der Förderung in Sportgymnasien in Jütland sprechen können oder vom Haus des Handballs nahe Paris, von der Einbindung von Handballspielern mit Migrationsgeschichte oder der flächendeckenden Existenz von Sporthallen im ländlichen Dänemark. Er hätte auch anführen könne, dass Erfolg sexy mache, denn Mädchen und Jungen beginnen gern eine Sportart, in der andere, Größere, schon mal erfolgreich waren, das nennt man Tradition. Und Handballtradition haben die beiden führenden Nationen dieser Sportart ganz gewiss. Nicolaj Jacobsen sagte aber: „Wir haben beide einfach ziemlich gute Spieler.“

Herrlich. Da werden Tausende Spielszenen mitgeschnitten und analysiert; manche, wie Bundestrainer Alfred Gislason, betreiben das Videostudium exzessiv. Stundenlang wird über Systeme vorn und hinten getüftelt. Und dann bricht der weltbeste Trainer es einfach auf die bloße Exzellenz Einzelner herunter.

Und er hat recht. Das Finale am Sonntagabend in Köln war nicht das Duell der Systeme; französische Teamqualität gegen die individuelle Klasse der Dänen. Am Ende, als das EM-Endspiel in die Verlängerung ging, hatten die beiden großen, alten Dänen Niklas Landin und Mikkel Hansen die Franzosen an den Rand der Niederlage gebracht. Frankreich rettete sich mit dem Ausgleich zum 27:27 in die Extra-Zeit. Und da waren es der bis dahin unauffällige Linkshänder Dika Mem mit zwei Toren und der beste Spieler des Finals, Kreisläufer Ludovic Fabregas, die Frankreich nach vorn und zum Titel brachten. 33:31 nach Verlängerung gewann die Mannschaft von Trainer Guillaume Gille in einem hochklassigen, fairen Endspiel, das von den spanischen Schiedsrichtern ausgesprochen gut geleitet wurde.

Wer gesehen hat, wie dominant die relativ jungen Dänen Mathias Gidsel und Simon Pytlick die Mannschaft schon navigieren, wer erlebte, wie Nedim Remili (MVP dieser EM) und Elohim Prandi im Rückraum ohne Mühe führten, dachte zwangsläufig an Jacobsens Sätze. Ja, es hilft ungemein, die besten Spieler zu haben.

Enttäuschung bei den Deutschen

Es ist etwas unfair, jetzt gleich zu den Bildern herüberzuzoomen, die die Deutschen in ihrem letzten Spiel anboten. Da war nur Enttäuschung, denn die 31:34-Niederlage gegen Schweden am Sonntagnachmittag im Spiel um Platz drei hatte ihre Ursache in einer verpatzten ersten Halbzeit. Ohne Mumm, ohne erkennbaren Plan tappten die Deutschen in ein 12:18, das selbst mit Torwart Andreas Wolffs tollsten Paraden und jeder Menge Kampf nicht mehr aufzuholen war.

Nichts wurde es mit dem schillernden Trostpreis – der Dritte dieser EM fährt ja direkt nach Paris zum olympischen Handballturnier. Stattdessen bilanzierte der DHB ein durchwachsenes Turnier mit vier Siegen, einem Remis und vier Niederlagen. Dass die letzten drei Spiele verloren wurden, lässt den Ruhm bei dieser an sich ordentlichen EM aus deutscher Sicht verblassen. Ganz hart resümiert bleiben zwei wirklich gute Auftritte im Gedächtnis – gegen die Schweiz und gegen Ungarn. Im Halbfinale ärgerte die DHB-Auswahl die Dänen wenigstens 50 Minuten.

Dass Bundestrainer Gislason später für seine junge Mannschaft warb und sich „extrem stolz“ zeigte, hat auch mit der kniffligen Vertragslage zu tun. Mitte März spielt sein Team nun in Hannover gegen Kroatien, Österreich und Algerien um zwei Plätze in Paris. Offenbar läuft Gislasons Vertrag nach dem Qualifikationsturnier aus. Er würde gern bis 2027 weitermachen. Dann wähnt der 64-Jährige dieses von ihm aufgebaute Team auf dem Höhepunkt; mit Julian Köster und Juri Knorr an der Spitze, mit sechs Spielern aus 2000er-Jahrgängen. Beim DHB will man Gislasons Analyse bei der Präsidiumssitzung im Februar abwarten. In Köln wollte DHB-Sportvorstand Axel Kromer kein klares Bekenntnis zum Trainer abgeben.

Bei allem Lob für Gislasons Lenkung, seine Ruhe und Strahlkraft gibt es berechtigte Kritik an der simplen Spielweise. Weder das 7:6 noch eine offensive Abwehr oder ein angemessenes Überzahlspiel beherrschen die Deutschen. Da fehlen Überraschungen, die die Gegner im Spiel vor Aufgaben stellen. Gislason verweist auf die fehlende Zeit, dies einzustudieren, oder die mangelnde Erfahrung seines Teams.

Über das gesamte Spiel gegen Schweden hinweg lag die Wurfeffizienz jedenfalls nur etwas über 50 Prozent; das ist deutlich unter allen Mitbewerbern. Und, bei allen Fähigkeiten der gegnerischen Torhüter, gab es hier einen deutlichen Mangel an Qualität im DHB-Team. Anders als bei den Franzosen und Dänen. Es hilft einfach, richtig gute Spieler zu haben.

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