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+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++Misstrauen zwischen USA und Israel

Israel besteht auf einer Offensive in Rafah, die US-Regierung fordert weiterhin einen Waffenstillstand. Mehr Hilfsgüter gelangen in den Gazastreifen.

Bleibt skeptisch gegenüber israelischen Hilfszusagen: US-Außenminister Antony Blinken Foto: Michael A. McCoy/reuters

USA bewerten Israels humanitäre Schritte auf längere Sicht

Die US-Regierung reagiert abwartend auf Israels Zusagen zur Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen. „Was zählt, sind Ergebnisse – und zwar nachhaltige Ergebnisse“, sagte US-Außenminister Antony Blinken am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit seinem britischen Amtskollegen David Cameron in Washington. „Und darauf werden wir in den kommenden Tagen sehr genau achten“, betonte Blinken.

Nach Darstellung Israels sind in den vergangenen Tagen deutlich mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen gelangt. 468 Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern seien am Dienstag inspiziert worden und nach Gaza gefahren, schrieb die für Kontakte mit den Palästinensern und humanitäre Hilfe zuständige Cogat-Behörde auf der Plattform X (vormals Twitter). „Dies ist die höchste Zahl von Lastwagen mit Hilfsgütern, die seit Beginn des Krieges an einem Tag in den Gazastreifen gefahren sind.“ (dpa)

Biden über Netanjahu: „Ich denke, was er tut, ist ein Fehler“

Unterdessen strahlte der spanischsprachige Sender Univision ein bereits vergangene Woche aufgezeichnetes Interview mit US-Präsident Joe Biden aus, in dem dieser das Vorgehen von Netanjahu in Gaza scharf kritisiert und auf einen Waffenstillstand drängt. „Ich denke, was er tut, ist ein Fehler“, sagte Biden. Er antwortete auf die Frage, ob Netanjahu mehr um sein politisches Überleben als um die nationalen Interessen Israels besorgt sei.

Biden sagte weiter: „Was ich also fordere, ist, dass die Israelis nun zu einem Waffenstillstand aufrufen, um die nächsten sechs, acht Wochen den vollständigen Zugang zu allen Nahrungsmitteln und Medikamenten (…) zu ermöglichen.“ Einige Medien deuteten diese Aussage als eine Art Kurswechsel, da Biden nicht betonte, die Verantwortung für eine Waffenruhe bei der islamistischen Hamas zu sehen. Das Weiße Haus stellte klar, dass dies nicht der Fall sei.

„Unsere Position ändert sich nicht. Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand, der mindestens sechs Wochen im Rahmen eines Geiselabkommens dauern würde“, zitierte die Times of Israel einen Sprecher des Weißen Hauses. Biden betonte in dem Interview weiter: „Ich denke, es gibt keine Entschuldigung, nicht für die medizinischen Bedürfnisse und die Nahrungsmittelbedürfnisse dieser Menschen zu sorgen. Das sollte jetzt geschehen.“ Biden hatte einen Tag nach der Aufzeichnung des Interviews mit Netanjahu telefoniert. In dem Gespräch hatte Biden dem Weißen Haus zufolge Netanjahu mit Konsequenzen gedroht, sollte Israel den Schutz von Zivilisten nicht erhöhen.

Israels Verteidigungsminister Gallant habe in einem Telefonat mit seinem US-Kollegen Austin gesagt, Israel sei noch dabei, Pläne für die Evakuierung der Zivilisten in Rafah fertigzustellen, berichteten mehrere israelische Medien am Dienstagabend. Für die kommende Woche sei ein Treffen mit einer israelischen Delegation geplant, um über die Bedenken der US-Seite gegen einen solchen Einsatz zu sprechen, sagte US-Außenminister Blinken am Dienstag in Washington. „Ich gehe nicht davon aus, dass vor diesen Gesprächen irgendwelche Maßnahmen ergriffen werden“, betonte er. Man sei nach wie vor der Überzeugung, dass ein größerer Einsatz in Rafah extrem gefährlich für die Zivilisten wäre. (dpa)

Hamas-Kreise: Israelis sind nicht an Waffenruhe interessiert

Mit Blick auf die laufenden Gespräche über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln sagte Sullivan, dass öffentliche Erklärungen der Hamas „nicht gerade ermutigend“ seien. Allerdings gebe es noch keine Antwort der Hamas auf einen Vorschlag, der aktuell auf dem Tisch liege, sagte Sullivan. Er habe mit den Verhandlungspartnern in Katar gesprochen und diese gedrängt, sich um eine Antwort der Hamas zu bemühen. Aus Hamas-Kreisen in der libanesischen Hauptstadt Beirut hieß es, die Verhandlungen liefen derzeit „nicht gut“. Die Israelis seien nur am „Geisel-Thema“ interessiert, nicht aber an einer Waffenruhe. Offizielle Angaben zum Verhandlungsstand gibt es nicht. Nach Gesprächen in Kairo hatten Vertreter der Hamas die ägyptische Hauptstadt am Montag für Beratungen mit ihrer Spitze verlassen. (dpa)

Israels Militär: Hisbollah-Stellungen in Syrien angegriffen

Das israelische Militär griff unterdessen nach eigenen Angaben erneut Stellungen der proiranischen Hisbollah-Miliz in Syrien an. Wie die Armee am Dienstagabend bekannt gab, wurde militärische Infrastruktur der Miliz attackiert, die diese nach präzisen geheimdienstlichen Erkenntnissen „an der syrischen Front“ genutzt habe. Man mache „das syrische Regime für alle Aktivitäten verantwortlich, die auf seinem Territorium stattfinden“, hieß es. Die Angaben konnten unabhängig zunächst nicht überprüft werden.

Israels Luftwaffe bombardiert immer wieder Ziele im benachbarten Syrien und will damit verhindern, dass der Iran und mit ihm verbündete Milizen wie die Hisbollah ihren militärischen Einfluss in dem Land ausweiten. Seit Beginn des Gazakriegs haben die Angriffe zugenommen. Nach dem mutmaßlich israelischen Luftangriff vor wenigen Tagen auf ein Gebäude der iranischen Botschaft in Syrien hatte die Hisbollah erklärt, der Angriff werde nicht ohne Folgen bleiben. Auch der Iran hat mit Vergeltung gedroht. Der Iran ist der größte Unterstützer der Hisbollah. Die Miliz kämpft politisch, aber auch mit Gewalt gegen Israel. (dpa)

Irland will einen Staat Palästina formell anerkennen

Irland hat sich im Nahostkonflikt für eine Zweistaatenlösung ausgesprochen und will Palästina in Kürze formell als Staat anerkennen. Das sagte der stellvertretende irische Premier und Außenminister Micheál Martin am Dienstagabend Medienberichten zufolge in Dublin. Die Anerkennung hinauszuzögern, sei „nicht länger glaubwürdig oder haltbar“. Er habe mit anderen Ländern, die an Friedensinitiativen im Gazakrieg beteiligt seien, Gespräche über die Anerkennung geführt und habe die Absicht, der Regierung einen formellen Vorschlag zur Anerkennung zu unterbreiten, sobald die internationalen Diskussionen darüber abgeschlossen seien. „Aber haben Sie keine Zweifel, die Anerkennung eines palästinensischen Staates wird geschehen.“

Die Regierung des EU-Mitglieds gehört seit Kriegsbeginn zu den Kritikern des israelischen Vorgehens im Gazastreifen. (dpa)

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5 Kommentare

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  • Dass Irland einen Staat Palästina anerkennt ist gut und auch überfällig.

    • @Ernie:

      Besteht denn mittlerweile Klarheit über ein palästinensisches Territorium? Hab ich kurioserweise gar nicht mitbekommen.



      Das war laut meinen rudimentären Völkerrechts-Erinnerungen eine wesentliche Bedingung für die Existenz eines Staates.



      Sonst wäre das nämlich m. E. lediglich ein politisches Statement, das nur Öl ins Feuer gießt. Zumal zu diesem Zeitpunkt.

      • @Encantado:

        Es besteht Klarheit drüber was israelisches Staatsgebiet ist und was besetzt ist. Nur weil es besetzt ist, ist es eben nicht israelisch. Und Siedlungen zu bauen und zu meinen, das wäre dann auch israelisches Staatsgebiet, das ist wohl ein Irrtum.

  • Fehler oder Verbrechen?

    Zitat: „Biden über Netanjahu: „Ich denke, was er tut, ist ein Fehler“

    Das erinnert an den berühmten Ausspruch „Das ist mehr als ein Verbrechen, das ist ein Fehler.“, alternativ Charles Maurice de Talleyrand, Joseph Fouché oder Antoine Boulay de la Meurthe zugeschrieben. Im gegebenen Kontext wäre diese Sentenz allerdings umzudrehen…

  • "Aus Hamas-Kreisen in der libanesischen Hauptstadt Beirut hieß es, die Verhandlungen liefen derzeit „nicht gut“. Die Israelis seien nur am „Geisel-Thema“ interessiert, nicht aber an einer Waffenruhe."



    Und ich möchte behaupten, bei der Hamas ist das genau andersrum. Das nennt man konträre Positionen. Über die wird verhandelt.