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Neuerliche Proteste gegen NetanjahuWarum nicht mal Neuwahlen?

Felix Wellisch
Kommentar von Felix Wellisch

Er träumt vom „totalen Sieg“, doch bislang sieht alles nach Machterhalt und Planlosigkeit aus. Auf Netanjahu nimmt in Israel niemand mehr Wetten an.

Jerusalem am 31. März 2024: Netanjahus Gesicht trägt Blutspuren Foto: ap

Gemeinsam werden wir siegen“: Diese Parole ist seit dem Überfall der Hamas in Israel allgegenwärtig. Doch je länger sich der Krieg im Gazastreifen hinzieht, je öfter die Spannungen an der Grenze zum Libanon eskalieren, desto mehr zerfällt die israelische Einigkeit.

Das liegt nicht zuletzt an Regierungschef Benjamin Netanjahu selbst. Als sich am Sonntag in Jerusalem Zehntausende Demonstranten zum größten Protest seit Kriegsbeginn versammelten, ging er nicht etwa auf deren Kritik ein, sondern warf ihnen vor, der Hamas in die Hände zu spielen. Er zeigt damit einmal mehr, dass es ihm weniger um Einheit als um Mehrheiten und sein politisches Überleben geht.

Zur Wahrheit gehört, dass trotz der regierungskritischen Demonstrationen viele Israelis Umfragen zufolge weiterhin hinter dem Krieg stehen, solange noch Geiseln in Gaza festgehalten werden. Viele sehen trotz der humanitären Katastrophe und der Hungersnot im Gazastreifen Hilfslieferungen kritisch. Doch statt nach Gemeinsamkeiten und Lösungen zu suchen, hat sich Netanjahu darauf verlegt, Lager und Widersprüche gegeneinander auszuspielen.

Komplizierten Fragen weicht der Regierungschef aus: Wie lässt sich künftig die Sicherheit von Israelis und Palästinensern garantieren? Wie kann ein Weg zum Frieden nach dem 7. Oktober und dem brutalen Gegenschlag der israelischen Armee aussehen? Stattdessen gibt es seit Monaten die gleichen Parolen vom „totalen Sieg“, von dem bis heute nicht klar ist, wann dieser erreicht wäre und inwiefern er Israel langfristig Sicherheit garantieren kann.

Seit dem 7. Oktober sind die Umfragewerte der in Teilen rechtsextremen Regierungskoalition eingebrochen, sie haben sich bis zuletzt kaum erholt. Seit Monaten würde die Opposition eine Mehrheit im Parlament erzielen. Netanjahu hat es nicht nur verpasst, einen realistischen Weg aus dem Krieg aufzuzeigen, er hat auch massiv Rückhalt in der Bevölkerung verloren. Neuwahlen im Krieg wären eine Herausforderung für die israelische Gesellschaft, doch sie wären auch eine Chance.

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Felix Wellisch
Korrespondent
berichtet für die taz aus Israel und den palästinensischen Gebieten. Geboren 1989. Er hat Politik- und Sozialwissenschaften in Jena, Dresden und Kairo studiert und die Deutsche Journalistenschule in München absolviert. Ernst Cramer & Teddy Kollek-Fellow.
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7 Kommentare

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  • 70% der Israelis wollen laut Guardian Neuwahlen

  • Die wichtigste Frage für mich ist, welche politische und ggf. militärische Vorgehensweise den Geiseln die beste Chance gibt, zu überleben und freizukommen.

    Ob das besser mit oder ohne militärischem Druck geht, hängt davon ab, wie man die Position und Motivation der Hamas zum jetzigen Zeitpunkt einschätzt. Vielleicht ist das eine Frage an die sogenannte "Spieltheorie"? (auch wenn es hier nicht um ein Spiel geht, sondern blutig ernst um menschliche Schicksale)

    Der erste Geisel-Deal im letzten November kam nur unter enormen Druck und zu einem sehr hohen Preis zustande. Aber vielleicht hat sich die Sitation ja inzwischen geändert.

    • @Winnetaz:

      Echte Verhandlungen über eine 2-Staaten-Lösung*.



      Anerkennung des Status von Jerusalem vor 2016.



      Stop der illegalen und aggressiven Siedlungspolitik.



      International dafür Sorge tragen, dass auch Palästinenser Menschen 1. Klasse sind. Und nicht Flüchtende im eigenen Land.



      Tchja, und dass man in dem Staat Palästina arbeiten, leben und leben lassen kann.

  • "Er zeigt damit einmal mehr, dass es ihm weniger um Einheit als um Mehrheiten und sein politisches Überleben geht."

    Netanjahu und seine rechtsextreme Regierung spielen ihr eigenes Spiel und verharren in ihren "Grossmachtsfantasien". Zum Leidwesen der israelischen Bevölkerung und zum Verhängnis der palästinensischen Bevölkerung.

    Neuwahlen und eine Neuausrichtung im Gazakonflikt sind dringend geboten und es wäre wünschenswert, wenn nach einer Absetzung Netanjahus gegen ihn von Seiten des internationalen Gerichtshofs wegen Verstoß gegen das Völkerrecht ermittelt würde.

    Gleichzeitig sollte die internationale Gemeinschaft noch mehr Druck ausüben auf die Länder (speziell Katar und die Türkei), welche den Hamasanführern ein Bleiberecht eingeräumt haben, um eine Freilassung der Geiseln zu erreichen, da Netanjahu sich als Verhandlungsführer als nicht sonderlich kompetent erwiesen hat.

    • @Sam Spade:

      Den Vorschlag, dass mehr Druck auf Hamas-freundliche Staaten wie die Türkei und Katar ausgeübt werden sollte - um eine Freilassung der Geiseln zu erreichen -, teile ich uneingeschränkt.



      Jedoch finde ich Ihre Begründung etwas schräg, dass dies geschehen solle, weil Netanyahu als israelischer Verhandlungsführer versagt habe. Oder habe ich Sie da falsch verstanden?



      Erstens hat er diese Verhandlungen ja an andere Personen delegiert - versagt hat er in seiner Eigenschaft als israelischer Regierungschef, indem er das Wohl und die Sicherheit seines Landes permanent aufs Spiel setzt (möglicherweise und anders als andere Regierungsmitglieder mehr aus persönlichen als aus ideologischen Motiven, was es freilich nicht besser macht).



      Zweitens tragen beide Konfliktparteien und ihre jeweiligen Unterstützer gleichermaßen Verantwortung für das Leben und die Gesundheit der Geiseln - und sollten aus dieser Verantwortung auch nicht entlassen werden. Solange Netanyahu noch Ministerpräsident des Staates Israel ist, gilt das also auch für ihn - übrigens auch für Benny Gantz als Mitglied dieses aus meiner Sicht etwas ominösen “Kriegskabinetts”, von dem offenbar niemand so genau weiß, wer da eigentlich was zu sagen hat.



      Es ist m.E. zu kurz gedacht, hier nur auf die Person Netanyahu zu schauen.

      • @Abdurchdiemitte:

        "ist m.E. zu kurz gedacht, hier nur auf die Person Netanyahu zu schauen."

        Da haben sie recht. Ich mag den einfach nicht wegen seiner Vita. Und das er ein politisches Amt missbraucht um der Strafverfolgung zu entgehen kommt noch obendrauf, obwohl die Liste der Regierungschefs die so verfahren ist lang, da ist Netanjahu nur einer von vielen.

  • Unbedingt Neuwahlen und die religiösen Vollpfosten aus der Regierung und die Siedler endlich hinter Gitter!

    Solche Demos wären auch auf arab. Seite gegen die Hamas wünschenswert.



    Das wäre ein Weg zum Frieden.