Abstimmung über Macrons Ukraine-Abkommen: Truppen für die Wahlkampffront
Macron lässt die Nationalversammlung über sein Ukraine-Abkommen abstimmen. Dabei geht es aber nicht um Legitimation, sondern um den EU-Wahlkampf.
N atürlich war es eine Provokation, als Macron im Anschluss den Ukraine-Gipfel die mögliche Entsendung französischer Soldaten an die Front in der Ukraine vage in Erwägung zog. Wladimir Putin nimmt diese Drohung kaum ernst. Dafür benutzt er sie, um vor den russischen Präsidentschaftswahlen seine Aggression gegen die Ukraine innenpolitisch zu rechtfertigen und sich als Schutzherr von Großrussland aufzuspielen.
Aber auch Macron treibt politische Spielchen: Er wollte vor dem Publikum im In- und Ausland Eindruck schinden und mit seinem martialischen Tonfall davon ablenken, dass Frankreich der Ukraine bisher weit weniger geholfen hat als Deutschland und andere Verbündete.
Seine Provokation schürt indes eine sehr konkrete Angst vor einer Expansion des Konflikts. Dabei hat Macron weder die Absicht noch die personellen Mittel, den russischen Imperator auf dem Schlachtfeld herauszufordern. Seine Drohung mit einer Eskalation der Intervention ist zur Hauptsache Teil einer politischen Strategie im Hinblick auf die EU-Wahlen. Macron schickt seine „Truppen“ nicht in die Schützengräben der Ukraine, sondern an die Wahlfront.
Allen Umfragen zufolge wird die Liste seines Regierungslagers im Juni eine schwere Niederlage einstecken, mit Abstand vorne liegt der Rassemblement National von Marine Le Pen. Und deren Sympathien für Putin sind ihr wunder Punkt – und darum der erfolgversprechendste Angriffswinkel für Macron: Wer nicht für ihn und seine Kriegspolitik ist, steht auf der Seite von Putin – so vereinfacht Macron die Konstellation, um die rechtsextreme Opposition an den politischen Rand zu drängen.
Dieser Wahlstrategie und nicht etwa dem Bemühen um parlamentarische Mitbestimmung diente die Ukraine-Debatte und die Abstimmung in der Nationalversammlung über das bilaterale Abkommen. Linke Pazifisten, die Macron dabei keinen Blankoscheck für eine allfällige Eskalation erteilen wollten und dagegen stimmten oder sich enthielten, werden so als Putin-Freunde abgestempelt und angeprangert und mit rechtsextremen Nationalisten in denselben Topf geworfen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen