Folgen der Klimakrise: Nach der Trockenheit ist davor

Dank des vielen Regens im Herbst und Winter ist die Trockenheit in den Böden vorüber. Doch ist Deutschland gegen eine neue Dürreperiode gewappnet?

Ein Fluss führt wenig Wasser, Sommergrün, einige Menschen laufen am Ufer

Ein Rest Wasser fließt in der Weißen Elster in Thüringen im Sommer 2022 Foto: Bodo Schackow/dpa

HANNOVER taz | Nach dem Ende von fünfeinhalb Jahren extremer Dürre in Deutschland mahnen Forschende zur besseren Vorbereitung auf künftige Perioden der Trockenheit. „Ich sehe die Gefahr, dass der Eindruck entsteht, die Dürre ist erst einmal vorbei und wir können uns anderen Problemfeldern zuwenden“, warnt Klimawissenschaftler ­Andreas Marx vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ in Leipzig. „Wir müssen aber damit rechnen, dass ein ähnliches Dürreereignis zukünftig wiederauftaucht. Und dann sollten wir besser vorbereitet sein, als wir es 2018 waren“, fordert er.

Der Hydrologe leitet den Dürremonitor am UFZ, der fünfeinhalb Jahre lang vor allem tiefrote Flächen gezeigt hat. So lange war es viel zu trocken im Land – bis überdurchschnittlich hohe Regenfälle 2023 und in den Herbst- und Wintermonaten 2023/24 die ausgedörrten Böden wieder vernässt haben.

Endlich gute Nachrichten? Nur zum Teil. „Jede Dürre als ­Extremereignis geht irgendwann vorbei“, sagt Marx. Im Osten Sachsens, Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns gebe es aber einzelne Regionen, in denen die Wasserstände von vor 2018 noch nicht wieder erreicht sind. Ein Grund ist, dass die Niederschlagsmenge, die 2023 bundesweit rund 40 Prozent über dem langjährigen Mittel lag, hier geringer ausfiel. Ein anderer, dass in Regionen mit hohem Anteil Lehm- oder Tonböden das Wasser langsamer im Boden versickert.

Auch der Hydrobiologe Dietrich Borchardt, Leiter des Forschungsbereichs „Wasserressourcen und Umwelt“ am UFZ in Magdeburg, stellt klar, dass die Langzeitfolgen der Dürre vielfach noch zu spüren seien. Manifeste Defizite gebe es nach wie vor in tiefen Grundwasserkörpern, es gebe Schäden in Wäldern, die erst jetzt sichtbar würden, aber auch zu niedrige Wasserstände von Seen und Kleingewässern. „Ein Beispiel dafür ist der Seddiner See in Brandenburg, dessen Wasserstand in den letzten Monaten zwar wieder um 40 Zentimeter gestiegen ist, aber im März 2024 immer noch 110 Zentimeter unter dem Wert von vor 2017 liegt.“

Klimawandel als Faktor

Der Klimawandel hatte nach Untersuchungen des UFZ an der langjährigen Trockenheit einen entscheidenden Anteil. „Die im Mittel steigenden Temperaturen und die Ausprägung von extremer Hitze in den Sommern der letzten fünfeinhalb Jahre haben dazu geführt, dass sich die Dürre nicht schneller aufgelöst hat“, sagt Marx. Es sei normal, dass die Böden im Winter nasser werden als im Sommer. Aber die nasse Phase im Winter habe nicht ausgereicht, um die ausgetrockneten Böden wieder aufzufüllen. „Das ist ein Klimaeffekt, der zukünftig häufiger auftreten wird.“

Und dann ging auch noch ein Extrem ins Nächste über: Nach der Dürre kam das Hochwasser. Dort, wo der Dürremonitor im Nordwesten inzwischen weiße Flächen zeigt, sei teilweise wesentlich mehr Wasser im Boden als normal, berichtet Marx. Das verrät allerdings auch der Blick auf so manche Äcker in Niedersachsen, die vielerorts noch immer einer Seenlandschaft gleichen.

Aufatmen kann laut Marx zumindest die Wald-, Forst- und Wasserwirtschaft. Zu Beginn der Vegetationsperiode sei in Wald und Forst so viel Wasser im Boden, dass die Gefahr von extremer Dürre 2024 in diesen Bereichen nicht so groß sei. Ähnliche Prognosen für die Landwirtschaft gelingen aber nicht. Viele Nutzpflanzen hängen vom Niederschlag im Frühjahr bis zum Ende der Vegetationszeit ab – und niemand könne heute seriös sagen, was etwa im Juni sein wird, erklärt Dietrich Borchardt.

Er warnt: „Der Jahreswechsel 2017/18 war von den Voraussetzungen her ähnlich wie jetzt. Ein feuchter, warmer Winter, und dann kam das Dürrejahr 2018. Wenn wir im Mai oder im Juni eine mehrwöchige Trockenheit haben, wird uns das Lachen schnell wieder vergehen.“

Schaden in Milliardenhöhe

Schätzungsweise 35 Milliarden Euro Schaden entstanden laut einer Studie des Bundeswirtschaftsministeriums durch Hitze und Dürre allein in den Jahren 2018 und 2019. Für Dürremonitor-Leiter Andreas Marx liegt das auch an der fehlenden Erfahrung. Eine so intensive Dürrephase über mehrere Jahre hinweg hat es hierzulande seit Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr gegeben.“

Ob Deutschland darauf vorbereitet ist, wenn es wieder passiert? „Wir haben die Weichen gestellt, um besser vorbereitet zu sein“, antwortet Marx – aber die Maßnahmen müssten umgesetzt, die Finanzierung sichergestellt werden. Erforderlich sei zunächst eine klare Definition, was Dürre überhaupt sei. Anders als für Hochwasser sei mancherorts nämlich noch gar nicht klar, was als Dürre zu gelten habe: Die Bodenfeuchte im Gesamtboden von 1,80 Meter Tiefe, mit der das UFZ arbeitet, sei etwa für die Binnenschifffahrt in Flüssen wenig entscheidend.

Nötig seien ähnlich effizien­te Frühwarnsystem wie im Hochwasserbereich. „Wir brauchen ein kohärentes, länderübergreifendes Wasserinforma­tions­system, so wie es der Deutsche Wetterdienst beim Wetter bereitstellt“, fordert Borchardt. Erste Projekte dazu in Kooperation von Wasserwirtschaft und Forschung haben dem Wissenschaftler zufolge bereits begonnen, weitere würden folgen.

Kommunen müssen ran

Darüber hinaus müsse der Wasserverbrauch in Krisenzeiten klar reguliert werden. Die 2023 vom Bund beschlossene Nationale Wasserstrategie liefert laut Marx den Rahmen dafür. Die Kommunen müssten verbindliche Regeln festlegen, wer wann wie viel entnehmen darf. In Extremsituationen, wenn die Böden austrocknen, Schäden auftreten und die Grundwasserpegel sinken, brauche es zudem die tagesgenaue Überprüfung der Entnahmemengen. Marx meint: „Die Unteren Wasserbehörden haben heute schon die Möglichkeiten, das zu machen.“

Helfen gegen Dürre würden laut dem Hydrologen natürlich auch noch all jene Vorhaben, die Klima- und Umweltschutz allgemein voranbringen: etwa die Entsiegelung von asphaltierten Flächen wie Parkplätzen, der Waldumbau hin zu artenreichen Mischwäldern, die Wiedervernässung von Mooren.

All das seien langfristige Prozesse bis 2030 und darüber hinaus, verbunden mit großen Investitionen. Direkt nach der Krise sei das Bewusstsein dafür hoch, aber je mehr Zeit vergehe, desto weniger konsequent würden die Vorhaben angegangen, fürchtet er.

Dietrich Borchardt macht Mut. Er glaubt, das Bewusstsein habe sich durch die Erfahrung der vergangenen fünfeinhalb Jahre geändert. „Zum einen sind fast alle Bundesländer dabei, Vorhersagesysteme zu erarbeiten. Zum anderen sind die vermeidbaren Schäden so hoch, dass die Bundesregierung, die Versicherungswirtschaft und viele Wirtschaftsbranchen das verstanden haben.“ Dennoch bedenkt auch er: „In Anbetracht der Gesamtlage der Krisen ist das Gedächtnis sehr kurz.“

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