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Rechstextreme und das Justizsystem„Ein Schlag ins Gesicht“

Andreas Speit
Essay von Andreas Speit

Trotz Protest der Stadt durften Rechtsextreme ein Event im Schweriner Rathaus abhalten, entschied die Justiz. Sie untergräbt ihre Glaubwürdigkeit.

Doch Zutritt für Rechtsextreme: die „Herzkammer der Demokratie“, das Schweriner Rathaus Foto: Pond5 Images/imago

R echtsextreme Personen machen rechtsextreme Sachen. Doch müssen diese Staatsfeinde ihre Veranstaltungen ausgerechnet in staatlichen Räumlichkeiten ausrichten? In Schwerin befand die Dritte Kammer des Verwaltungsgerichts kürzlich, dass die Junge Alternative (JA) im Rathaus der mecklenburg-vorpommerischen Landeshauptstadt den Demmlersaal für eine Veranstaltung nutzen darf.

Auch der Rechtsextremist und Verleger Götz Kubitschek durfte vergangenen Samstag auftreten. Die Stadtverwaltung und Zivilgesellschaft hatten erfolglos versucht, das zu verhindern. Eine wehrhafte Demokratie scheint in diesem Konflikt nicht wehrhaft gewesen zu sein.

Am Samstagabend demonstrierten über 100 Menschen gegen die Veranstaltung vor dem Rathaus. Eine Blockade am Eingang verärgerte die JA, sodass sie selbst räumen wollten. Nicht einmal die offiziellen Blockade-Räumungsarbeiten der Polizei wartete sie ab. Daniel Fiß, einst stellvertretender Bundesvorsitzender der rechtsextremen Identitären Bewegung, ging sechs Blockierende an, Kubitschek drängte sich durch, berichten Be­ob­ach­te­r*in­nen von vor Ort. Schon die Aktion offenbart, dass in den Kreisen Ansagen der Staatsmacht wenig geachtet werden.

Die Stadt wollte der JA die anfänglich zugesprochene Raumnutzung wieder absprechen. Die JA, die das Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextrem einstuft, habe bei der Anmietung nicht angegeben, dass Kubitschek der Referent ist.

Ein wichtiges Signal

Das neurechte Institut für Staatspolitik (IfS), dessen Mitgründer Kubitschek ist, hat das Bundesamt ebenso als rechtsextrem eingestuft. Die AfD-Jugend hätte unter Vortäuschung falscher Tatsachen eine Genehmigung erhalten, so die Stadt. Der Auftritt von Kubitschek sei mit der Würde des Hauses nicht vereinbar.

Das ist ein wichtiges Signal. Personen, die sich selbst in die antidemokratische Tradition der Konservativen Revolution stellen – ein Herrenkreis der 20er Jahre mit tiefem Hass auf Liberalität, Parlamentarismus und Demokratie –, sollten nicht unnötig demokratische Räume geöffnet werden. Weder bei örtlichen Räumen noch im diskursiven Raum.

Selbst aus der CDU kamen klare Worte für eine Brandmauer. Die bleiben sonst bei den Ost-Verbänden oft aus. Schwerins Stadtpräsident Sebastian Ehlers (CDU) führte beim NDR aus, dass der Demmlersaal, in dem die Stadtvertretung tage, die Herzkammer der Demokratie der Landeshauptstadt sei und kein Ort für Rechtsextremisten.

Das Verwaltungsgericht würdigte diese Bedenken allerdings nicht. Die JA hatte das Gericht angerufen und darauf hingewiesen, dass sie bereits in der Vergangenheit im Demmlersaal Vorträge veranstaltet habe.

Die dritte Kammer erklärte, dass der Saal „faktisch“ eine öffentliche Einrichtung sei, er werde von der Stadt auch für politische Vortrags- und Schulungsveranstaltungen vergeben. Auf diese Vergabe könne sich die JA berufen – auch aus Gründen des im Grundgesetz verankerten Gleichbehandlungsgrundsatzes. Dass das Bundesamt beide Strukturen als rechtsextreme bewertete, scheint irrelevant. Der Zugriff der Zuständigen wird so nicht greifen.

Die Forderung bei den unzähligen Demonstrationen mit über 4 Millionen Teilnehmenden, endlich stärker im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit gegen die rechtsextremen Staatsfeinde vorzugehen, verpuffen so.

Die Gerichte sind unabhängig. Ein hohes Rechtsgut, das es zu verteidigen gilt – eben auch gegen die AfD. Diese Rechtsextremen wollen aber nicht bloß spielen oder provozieren, sie wollen mächtiger werden, um handeln und verändern zu können. Gerichte sollten so auch wahr- und ernst nehmen, was diese Kreise sagen und schreiben.

Worte sollten Taten folgen

Und ein Kubitschek wird deutlich. In der Standardschrift der Szene, „Provokation“, führt er aus: „Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern eine andere Sprache.“ Das Ende des Konsenses impliziert das Ende einer Demokratie, in der um den Konsens gestritten wird. Die andere Sprache, die angestrebt wird, bedeutet, dass sie den Ton angeben wollen.

Und er wird noch deutlicher: „Wozu sich auf ein Gespräch einlassen, auf eine Beteiligung an einer Debatte? (…) Nein, diese Mittel sind aufgebraucht, und von der Ernsthaftigkeit unseres Tuns wird Euch kein Wort überzeugen, sondern bloß ein Schlag ins Gesicht.“ Solchen Worten folgten schon Taten. Es ist dringend notwendig, dass alle Zuständigen den Worten Konsequenzen folgen lassen. Dann könnte der Zugriff gelingen.

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Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
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7 Kommentare

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  • Dürfen unter dem Deckmantel der "Gleichbehandlung" dann in Zukunft auch Islamisten den Demmlersaal für ihre "Schulungs- und Weiterbildungsveranstaltungen" zur Anwendung der Schariah" anmieten?

    • @spaltarsch:

      Die Frage können Sie sich selbst beantworten: Haben "Islamisten" für Sie den gleichen Stellenwert wie Parteien?

      • @DiMa:

        Und im Saal des Gesundheitsausschuss werden im Sudan oder Somalia ausgebildete Gynäkologen über Sauber- Kratzen und Entfernung des Wespen- Stachels reden.

        • @Christoph Strebel:

          Wenn der Gesundheitsausschuss dazu einlädt, dann mag das wohl so sein.

  • "Die Gerichte sind unabhängig..."



    Ich finde es sonderbar, dass diese Ansicht in der Presse immer dann lautstark vertreten wird, wenn das Urteil nicht gefällt. Als Form der Kritik, dass das Rechtssystem nicht so funktioniert, wie der Autor es sich wünscht.



    Dabei ist der Satz schon in sich zumindest stark verkürzt, wenn nicht sogar sachlich falsch. Richterliche Unabhängigkeit bedeutet nicht richterliches "Privat-Recht", kein Recht auf willkürliche Entscheidungen oder (bis auf wenige Ausnahmen) auf Rechtsfortbildung (bzw. Richterrecht) aus eigenem Antrieb heraus. Der Richter hat das Gesetz und die Entscheidungen höherrangiger Gerichte zu respektieren und in seinen eigenen Entscheidungen umzusetzen. Punkt.



    Eine Veranstaltung im öffentlichen Raum, bei der davon auszugehen ist, dass sich feindlich gegenüberstehende Meinungen direkt aufeinander treffen, ist im Hinblick auf den sog. "öffentlichen Frieden" einfacher zu verbieten, als eine geschlossene Veranstaltung. Da muss sich der Veranstalter im Grunde nicht darum kümmern, was vor dem Rathaus los sein wird, das ist dann Sache der Polizei. Von daher ist das Urteil nachvollziebar.



    Dabei ist der Verweis aus die Wehrhaftigkeit der Demokratie ja nicht falsch, im Gegenteil. Ein Verbot solcher Veranstaltungen wäre vorbildlich und sinnvoll. Allerdings müsste man den Ball zur Politik spielen, sie ist verantwortlich für die Ausgestaltung der Gesetze. Und man würde wohl kaum um das heiße Eisen Beschränkung der Meinungsfreiheit herum kommen. Und eine Beschränkung ist leider häufig auch nur ein Anfang, der Begehrlichkeiten weckt. Ein Ritt auf der Rasierklinge, der jedoch in naher Zukunft wohl kaum zu vermeiden sein wird, wenn sich das rechte Spektrum weiter so radikal entwickelt.



    Dies alles wäre übrigens viel einfacher zu verhindern gewesen, wenn die Schweriner Verantwortlichen zuvor nicht jedem Hinz und Kunz und jeder anderen politischen Partei den Saal zur Verfügung gestellt hätten. Andere Städte sind da schon schlauer...

  • Der Autor verkennt vollkommen. Dass die Einschätzung des Verfassungsschutzes überhaupt keine Bedeutung hat. Wenn der Saal in der Vergangenheit anderen Parteien oder deren Jugendorganisationen zur Verfügung gestellt worden ist, dann gilt dies auch für die AfD und zwar solange, bis diese Partei verboten ist.

    Jede andere Entscheidung würde die Glaubwürdigkeit der Gerichte unterlaufen.

  • Ich hoffe doch das es von der Veranstaltung ein lückenlosen aufgezeichneten Film gibt, der Anlass zum Verbot der AfD geben sollte.



    Diese faschistische Verschwörertruppe AfD kann durch demokratische Maßnahmen, noch vor drohendem Unheil für Deutschland, gestoppt werden.