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EU-Gesetz zur PlattformarbeitEnde der Scheinselbständigkeit

Wer für Uber oder den Kurierdienst fährt, ist auf dem Papier bisher häufig selbständig. Das neue EU-Gesetz zur Plattformarbeit soll das ändern.

Lieferdienst-Fahrer auf einer Brücke in Wiesbaden Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Brüssel taz | Rückschlag für die FDP, Erfolg für Kurierfahrer und Online-Lieferanten: Die EU hat sich doch noch auf ein Gesetz zur so genannten Plattformarbeit geeinigt. Damit wird die Scheinselbständigkeit für Uber-Fahrer und Deliveroo-Kuriere eingedämmt. Die Beschäftigten sollen mehr Rechte und eine bessere Sozialversicherung bekommen.

Dass doch noch eine Einigung zustande kam, ist eine Überraschung. Neben Frankreich hatte sich auch Deutschland enthalten – wegen des Widerstands der FDP. Diesmal reichte das so genannte „German Vote“ (die Enthaltung) aber nicht zur Blockade. Denn 25 EU-Staaten stimmten zu, so dass die nötige qualifizierte Mehrheit erreicht wurde.

Das Gesetz soll dafür sorgen, dass Beschäftigte bei Online-Plattformen unter bestimmten Bedingungen als voll angestellt gelten und damit auch mehr Rechte genießen. Bislang sind etwa Uber-Fahrer oder Fahrradkuriere auf dem Papier häufig selbständig und deshalb auch nicht über ihren Arbeitgeber sozialversichert.

Das soll sich nun ändern. Dafür wird die Beweispflicht umgekehrt – künftig müssen die Plattformen beweisen, dass ihre Mitarbeiter tatsächlich selbständig tätig sind. Ansonsten gelten sie als Festangestellte. Doch statt der zunächst geplanten einheitlichen EU-Regeln sollen die nationalen Regeln der 27 EU-Staaten maßgeblich sein.

Der belgische EU-Vorsitz lobte die Einigung als Meilenstein auf dem Weg zum „sozialen Europa“. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach von einem Durchbruch: „Scheinselbstständigkeit und prekäre Arbeitsbedingungen werden so zurückgedrängt.“ Die FDP sei nicht kompromissfähig und könne daher auch nicht mitgestalten.

Auch Soloselbständige gestärkt

Lauter Beifall kam von den Gewerkschaften. „Diesmal hat die FDP es nicht geschafft, ein wichtiges europäisches Gesetzgebungsvorhaben zu blockieren“, freute sich Verdi-Chef Frank Wernicke. Auch Soloselbständige würden gestärkt. „Wir haben gewonnen“, hieß es beim Europäischen Gewerkschaftsbund EGB. Dies sei ein wichtiger Erfolg, da die Zahl der Online-Arbeiter ständig ansteige.

Nach Angaben der EU arbeiten knapp 30 Millionen Menschen als sogenannte Plattformarbeiter. Seit der Vorlage des Gesetzentwurfs vor 800 Tagen sei ihre Zahl um mehr als ein Drittel gestiegen, teilte der EGB mit. Denn immer mehr Menschen shoppen online – und lassen sich ihre Bestellungen dann von Kurieren anliefern.

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4 Kommentare

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  • Von seiner Arbeit halbwegs leben und sich eine bescheidene soziale Sicherung aufbauen können, sollte drin sein oder das Herumgehoppele ist nicht wirklich wertschöpfend.

  • Cool wäre dann mal solche Anstalten wie den MDR zu untersuchen. Die sind ja alle Freischaffend...

  • Gute Sache, eigentlich. Leider wird man da die üblichen Schlupflöcher finden und an der Ausbeutung wird sich nichts ändern.

    Bei den Kurierfahrern in Angestelltenverhältnissen bei Sub-sub-sub Unternehmern weiss man auch seit Jahren über die Missstände Bescheid. Doch viele arbeiten noch immer unter Mindestlohn. Dagegen getan wird - bis auf die üblichen grossen Worte einiger Politiker - nur sehr wenig bis gar nichts.

  • Die Pseudo-Partei FDP hat nichts, gar nichts zu bieten außer VETO in der letzten- weil öffentlichkeitswirksam- Minute. So ein Verein will Zukunft gestalten? Mit was denn? Mit Njet, Njet, Njet ? Das freut die Jugend, die mit solchen Zerstörern in die Zukunft muss.



    Den Namen "Freie" sollte sie auch möglichst schnell aufgeben und durch "Egomane" Partei ersetzen