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6-Punkte-Plan für AlleinerziehendeAlleinerziehende nicht alleinlassen

Patricia Hecht
Kommentar von Patricia Hecht

Die Linken haben einen 6-Punkte-Plan zur Entlastung Alleinerziehender vorgestellt. Es wird Zeit, dass sich etwas ändert für diese Gruppe ohne Lobby.

Brauchen weniger Sorgen: Alleinerziehende Foto: Ute Grabowsky/photothek/ imago

U nruhige Nächte, lange Tage, keine freien Wochenenden. Allein zuständig für Lohnarbeit, Care­arbeit und überhaupt alles, was im Leben so anfällt, dem eigenen und dem des Kindes. Und im schlechtesten Fall keine Oma, die wenigstens mal kurz einspringt, zum Beispiel wenn man selbst gerade Grippe hat. So sieht die Realität für viele Alleinerziehende aus.

Rund 1,6 Millionen Menschen betreuen hierzulande minderjährige Kinder allein, ganze 85 Prozent davon sind Frauen. Mehr als ein Drittel ist auf Grundsicherung angewiesen.

Für diese über alle Familienformen hinweg größte armutsgefährdete Gruppe fordert die Linkspartei nun einen 6-Punkte-Plan: Eine Kindergrundsicherung in Höhe von mindestens 328 Euro monatlich, Hilfe im Haushalt einmal pro Woche, bessere Altersvorsorge und eine reale Kitaplatzgarantie durch den Ausbau der Versorgung und die Abschaffung von Gebühren. So lauten einige der Vorschläge, die Parteichefin Janine Wissler am Montag vorstellte.

Recht hat sie damit. Schon fast traditionell fallen Alleinerziehende in der hiesigen Familienpolitik durchs Raster – und mangels Zeit und Geld bilden sie keine Gruppe, die sich darüber lauthals beschweren könnte. In der Pandemie vor schier unmenschliche Herausforderungen gestellt, kamen sie auch im Koalitionsvertrag der Ampel nur hier und dort vor.

Substanziell hat sich seitdem kaum etwas für sie getan. Zwar stieg der steuerliche Entlastungsbetrag. Beim Schutz vor häuslicher Gewalt aber herrscht Stillstand, und die geplanten Änderungen etwa im Kindschaftsrecht sowie bei der Kindergrundsicherung stoßen nicht nur bei Alleinerziehendenverbänden auf Kritik.

Der Vorstoß der Linkspartei richtet sich an Alleinerziehende als eigene Gruppe. Er will kurzfristig Erleichterung (Haushaltshilfe, yeah!) und langfristig Verbesserung (Rente, yay!). Und er pusht ein sozialpolitisch dramatisch relevantes Thema, das die Ampel längst nicht wie angekündigt umsetzen wird. Denn mehr Möglichkeiten für alleinerziehende Eltern heißt immer auch: bessere Startchancen für deren Kinder.

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Patricia Hecht
Redakteurin Inland
war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erschien mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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5 Kommentare

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  • Auch ich hatte jahrelang mein Kind alleine, aber im Stich gelassen sind alle Kinder und so war auch immer mein Gefühl.



    Bildung, gutes Essen, Freizeitmöglichkeiten, unabhängige (!!) IT Grundlagen, gute Lehrpläne, gute Schulen...



    Wo hat unser Staat eigentlich nicht versagt? Für die Industrie ist Geld da, aber für Kinder kaum, zumindest nicht vorausschauend.



    Da ist mir der Aspekt "alleine erziehend" auch schon egal.

  • Alleinerziehende haben ja wirklich überhaupt keine Lobby....in keiner Talkshow werden sie erwähnt, wenn es um Armut geht, nie wird ihr Beispiel genannt, wenn es um "benachteiligte" Personen geht und die eigene Steuerklasse und den Zuschlag beim Bürgergeld habe ich mir wohl auch selbst ausgedacht....

  • Sind denn Alleinerziehende wirklich eine einheitliche Gruppe, die alle vergleichbare Probleme und Anliegen haben? Neben Höhe des Einkommens, Anzahl und Alter der Kinder gibt es doch vor allem riesige Unterschiede dabei, wie präsent der andere Elternteil ist, ob und wieviel Unterhalt man erhält, ob die Kinder regelmäßig Zeit mit dem anderen Elternteil verbringen, ob man vielleicht sogar ein Wechselmodell hat etc. Es gibt alleinerziehende Eltern, die regelmäßig freie Wochenenden haben, an denen sie sich erholen und Dinge erledigen können (was Eltern die zusammen sind meist nicht haben), die sich aufgrund der Unterhaltszahlungen leisten können, in Teilzeit zu arbeiten, die Kinder trotz Trennung gemeinsam erziehen oder bei denen ein neuer Partner sich stark einbringt - und es gibt solche, die aus unterschiedlichen Gründen all das nicht haben. Die kann man nicht über einen Kamm scheren. Förderung von Eltern und Kindern sollte vom Bedarf abhängen, nicht vom Beziehungsstatus der Eltern

  • Wahnsinn. Ich bin selbst Single - Mama und merke beim Lesen: Stimmt, wir haben keine Lobby, wir fallen einfach durchs System, Pech gehabt. Ich habe lange nicht mehr darüber nachgedacht. Man ist es so sehr gewöhnt, dass der Alltag hart ist, dass man gar nicht mehr darüber reflektiert…

    Und der Punkt: Mangels Ressourcen können wir gar nicht so für uns kämpfen wie wir wollen, den hab ich 1:1 schon so gesagt. Mir fällt das in verschiedenen Kontexten immer wieder auf. Wenn ich als alleinerziehende diese Gruppe vertreten will, zb beim Träger der Kita im Gesamtelternbeirat, dann ist das mit viel Anstrengung verbunden. Wer passt abends aufs Kind auf? Muss ich dafür bezahlen (was nochmal mehr weh tut)? etc…

  • Ja da muss sich dringend etwas ändern. ich gehörte selbst in diese "gruppe" und kann im Nachhinein sagen: Es ist krass, wie sehr die Gesellschaft diese "Gruppe" ignoriert und im regen stehen lässt.