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Meduza-Auswahl 15. – 21. FebruarEr war „der russische Mandela“

Seit Jahren berichtete das Exilmedium Meduza über Alexei Nawalny. Auch über seinen Tod hinaus bleibt er eine Ikone.

Blumen für den Sohn. Die Mutter von Alexei Nawalny legte die Blumen am Denkmal für Opfer politischer Repression in Salechard nieder Foto: ap

Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.

In der Woche vom 15. bis zum 21. Februar 2024 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Russland hatte jemanden, der an die Zukunft glaubte

Die genauen Umstände des Todes von Alexei Nawalny sind nach wie vor unklar – doch kaum jemand zweifelt an, dass er aufgrund einer Handlung der russischen Behörden starb. Meduza sprach mit dem Journalisten Maxim Trudoljubow darüber, warum Nawalny zur Zielscheibe seiner Regierung wurde (englischer Text).

Gerichtstermin um Gerichtstermin, Klagen über Klagen: Nawalny blieb bei seinen Werten und blieb fest in seinem Glauben an die Macht der Wahrheit. „Die russischen Behörden haben den russischen Mandela, den russischen Havel getötet“, schreibt Meduza. Die „Diagnose“ der Strafkolonie in Sibirien, wo Nawalny inhaftiert war, hält das Exilmedium für falsch: „Es war ein politisches Attentat, von Putin und seinen Getreuen, das ein Zeichen setzen soll“.

Der russische Präsident Wladimir Putin bewunderte das sowjetische System und dessen Technik, sich mit Notmaßnahmen durchzusetzen. Doch mit jedem weiteren politischen Mord ist auch die Bedrohung für Putin und für die Existenz seines Regimes gewachsen. Das ist wohl das Gegenteil von dem, was er erreichen wollte.

Könnte Nawalnys Tod Putin schwächen?

Wird Nawalnys Tod den Sturz von Putin bringen? Was könnte dann aus Russland werden? Diese Fragen hat das Exilmedium Meduza Erica Frantz gestellt, die als Professorin an der Universität von Michigan arbeitet und sich seit mehr als 15 Jahren mit autoritären Regimen in verschiedenen Ländern befasst. Frantz hat eine Datenbank erstellt, mit Informationen über fast 300 autokratische Regime, die seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Welt herrschen (russischer Text).

Wie oft Autokraten ihre wichtigsten Gegner ermorden? Dazu gibt es bisher keine ausführliche Recherche, sagt Frantz – doch die Praxis ist gängig. Die Professorin nennt etwa das Beispiel Simbabwe: Dort wurde der Vorsitzende einer Oppositionspartei auf der Straße ermordet. In brutalen politischen Regimen wie Russland, wo viel Macht in den Händen einer einzigen Person konzentriert ist, werden die Führer irgendwann „paranoid“, erklärt sie. „Es ist überhaupt nicht überraschend, dass die Repressionen in Russland zunehmen, wenn Putin von der breiten Öffentlichkeit so isoliert ist“.

Als einziger realistischer Hebel, um Putins Regime zu stürzen, sieht Frantz neue Bemühungen der Weltgemeinschaft, Putin und seinem System entgegenzutreten.

Häftlinge über Leben und Tod in der Arktis-Strafkolonie

Am 16. Februar, als der russische Oppositionspolitiker Nawalny starb, verbüßte er eine 19-jährige Haftstrafe in einem Hochsicherheitsgefängnis nördlich des Polarkreises, im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen in Russland. Das Gefängnis mit dem Spitznamen „Polarwolf“, die Strafvollzugsanstalt Nr. 3 (abgekürzt IK-3), ist berüchtigt. Meduza sprach mit ehemaligen Insassen, um mehr über die harten Bedingungen im Gefängnis zu erfahren (englischer Text).

In der IK-3 gibt es Abteilungen, die für Gefangene reserviert sind, die besonders strengen Beschränkungen unterliegen. Das galt auch für Nawalny. Wladimir Kara-Mursa, ebenfalls russischer Oppositionspolitiker, der dort 25 Jahre Haft verbüßt, wurde Berichten zufolge im Januar in eine Einzelzelle verlegt.

Ein Menschenrechtsaktivist beschreibt diese Zellen als ein separates „Gefängnis im Gefängnis“. Ein anderer ehemaliger IK-3-Insasse, der 2022 entlassen wurde, sagt, dass selbst andere Gefangene nicht wüssten, wer dort inhaftiert sei.

Meduza-Quellen erzählen, dass die Videokameras im Gefängnishof irgendwann entfernt worden seien. „Man kann dort vergewaltigen, töten oder einer Person alles antun, was man will“, sagt ein weiterer ehemaliger Häftling.

Wie der Tod Nawalnys Russlands Politik verändern könnte

Der 16. Februar fixiert endgültig „den Übergang des Regimes von einer Diktatur der Täuschung zu einer Diktatur der Angst und des Terrors“. So beschreibt Meduza in diesem Beitrag den Tag, an dem Nawalny im Gefängnis starb, in einer Sonderfolge des Podcasts „Blick auf den Kreml“ (russischer Text).

Die Jour­na­lis­t*in­nen Alexandra Prokopenko und Andrei Perzew, erörtern, was der Tod Nawalnys für die russischen Behörden, Eliten und die Opposition bedeuten kann: Am 11. März findet die Präsidentschaftswahl in Russland statt – wie wird Putins fünfte Amtszeit aussehen?

Nobelpreisträgerin Alexijewitsch über Nawalny

Im Interview mit der belarussischen Zeitung Nascha Niwa sagte die belarussische Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch: Der Tod von Nawalny habe „den Abgrund der Freizügigkeit für Diktatoren auf der ganzen Welt geöffnet“. Damit meinte sie auch Belarus. Doch Alexijewitsch hat Hoffnung, dass nach der Ermordung Nawalnys „die Welt erkennen“ werde, dass Putin „wie Hitler“ in der Lage sei, die Welt „in einen Weltkrieg zu stürzen“. Meduza veröffentlicht Passagen des Interviews des ebenfalls unabhängigen Mediums aus dem Nachbarland (russischer Text).

„Putin ist kein Politiker, sondern ein KGB-Mann. Deshalb kann man bei ihm alles erwarten“, sagt Alexijewitsch. Im Interview befasst sich die Literaturnobelpreisträgerin außerdem mit dem Leid und der Rolle der Ehefrauen von Oppositionellen. Anlass ist ein Treffen zwischen Swetlana Tichanowskaja und Julija Nawalnaja, Nawalnys Frau. Tichanowskajas Mann, ein belarussischer Oppositioneller, wurde 2021 zu 18 Jahre Haft verurteilt und sitzt seitdem im Gefängnis. Tichanowskaja, ebenfalls Politikerin, weiß schon lange nicht mehr, wie es ihm geht.

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3 Kommentare

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  • 9G
    94799 (Profil gelöscht)

    "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" - mehr ist zu dem politischen Wohlwollen des "Westen" zu dem russischen Populisten* nicht zu sagen.

    *) und in der Ukraine dazu verdächtiges Schweigen für den, direkt oder indirekt getötenen, Befürworter der These "die Ukraine gehört zu Russland" - wäre Navalny ein Deutscher wäre er sicherlich, in Bezug auf seine Ansichten zu Menschen aus anderen Kulturkreisen, als "AfD nah" einzuordnen

  • Nawalny , so bedauerlich sein Tod ist , war kein "russischer Mandela".Er war, zumindestens in früheren Jahren, homophob, rassistisch und nationalistisch.Das macht die Mordversuche und einen Tod nicht weniger tragisch , das ändert nichts an der Einschätzung Putins als KGB-Stalinisten , der die Russische Förderation immer mehr zu einer Sowjetunion 2.0 ausrichtet, einschließlich des Gulags , der Nawalnys Tod bedeutete. Nawalny hat große Verdienste, aber seine dunkle Seite sollte man nicht ausblenden : Der Feind unseres Feindes muss nicht unser Freund sein.

  • Nawalny mit Mandela zu vergleichen finde ich schon sehr weit hergeholt.

    Wir wussten eigentlich nichts über Nawalny's Ziele ausgenommen die Beseitigung von Putin.

    Was wir noch wissen ist dass er mal Mitglied einer nationalistischen Partei war und dass er die Kaukasier als Kakerlaken bezeichnete.

    Es ist ja verständlich dass der Westen ihn als Hoffnungsträger gesehen hat aber man sollte ihn auf Grund dieser Tatsachen nicht heilig sprechen.

    Etwas mehr Objektivität wäre angebracht.