piwik no script img

„Ein Pirat sticht auch ins rote Meer“?Danke für nichts, Piraten

Abwertende Sprüche gegen Menstruierende vor allem von Männern sind an der Tagesordnung. Sie bewegen sich auf dem Level von pubertierenden Jungs.

Alle vier bis sechs Wochen geht’s aufs Neue los Foto: Daniel Belousov/Pond5/imago

S prüche, die sich mit dem Innenleben von Menstruierenden oder Prämenstruierenden beschäftigen, gibt es zuhauf. Verständnis enthalten diese allerdings nicht – eher Schuldzuweisungen, Pathologisierungen und Gaslighting.

Ein echter Pirat sticht auch ins Rote Meer. Wo fängt man da jetzt an? Vielleicht damit, wie gewaltvoll dieser Satz ist. Die primäre Bedeutung von Stechen lautet: einen spitzen Gegenstand wie eine Nadel in einen anderen Gegenstand treiben. Aus einem Liebes- oder Leidenschaftsakt zweier Menschen wird – wieder mal – ein gewaltvoller Akt, mit einer aktiv und einer passiv teilnehmenden Person.

Dem stechenden Piraten, der auch vor dem Roten Meer nicht zurückschreckt, und der menstruierenden Person, deren Wille oder Nichtwille irrelevant scheint. Menschen, die das zwölfte Lebensjahr vollendet haben und weiterhin von sich als Pirat sprechen, scheinen mir ohnehin gänzlich andere Sorgen zu haben als die, ob ihr Objekt der Begierde gerade menstruiert.

„Was bist du so hysterisch? Bekommst du deine Tage?“

Jetzt muss man sich mal vorstellen, dass es Zeiten gab, in denen die Annahme vorherrschte, sogenanntes hysterisches Verhalten entstehe, weil die Gebärmutter nicht in den „Genuss“ von Sperma komme. Daraufhin lande diese den gesamten Körper nach Sperma absuchende, heillos verwirrte Gebärmutter im Kopf.

Ah ja. Wo fängt man da jetzt an? Am besten damit, auf diesen Spruch das nächste Mal zu entgegnen: „Du, ich hab grad gar keinen Kopf für dich, meine Gebärmutter will alle Aufmerksamkeit.“

„Wieso bist du so zickig? Bekommst du deine Tage?“ Wo fängt man da jetzt an? Am besten damit, einfach zu mähen. Keinen Rasen, sondern wie eine Ziege.

„Bekommst du SCHON WIEDER deine Tage?“

Wo fängt man da jetzt an? Am besten mit einem Wikipedia-Link, der über den Menstruationszyklus aufklärt. Denn ja, erstaunlich, aber wahr: alle vier bis sechs Wochen geht’s aufs Neue los mit dem Bluten und den Schmerzen und den, das Blut ankündigenden, Symptomen. Was eine Überraschung! SCHON WIEDER! Könnte man sich auch einfach dran gewöhnen und statt unverschämter, ungläubiger Sprüche Mitleid, Snacks und sogenannte Hygieneartikel offerieren.

„Meine Cousine macht jetzt richtig viel Sport und verzichtet auf Zucker, bevor sie ihre Periode bekommt, seitdem ist sie viel ausgeglichener.“

Wo fängt man da jetzt an? Am besten damit, darauf aufmerksam zu machen, ein erwachsener, der Bedienung des Internets fähiger Mensch zu sein, der durchaus schon von diesen Geheimtipps gehört hat. „Wenn das jeden Monat so ist, müsstest du dich eigentlich mal dran gewöhnt haben. Kann ja nicht sein, dass etwas so Natürliches dein ganzes Sein verändert. Du musst lernen, deine Gefühle in dieser Zeit besser zu kontrollieren.“ Wo fängt man da jetzt an? Am besten damit, die Kontrolle komplett zu verlieren. Scheint ja davor noch nicht der Fall gewesen zu sein, sonst hätte sich so ein Spruch nicht rausgetraut.

Der schlimmste Spruch, den ich je zu hören bekam, war: „Ich schlafe doch jetzt nicht mit dir, du blutest wie eine abgestochene Sau.“ Wo fängt man da jetzt an? Am besten mit Trennung. Als hätte ich je wieder Lust, mit einem Menschen zu schlafen, der so über mich, der so über Menschen spricht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Sarah Lorenz
Sarah Lorenz wurde 1984 in Eckernförde geboren, lebt und schreibt auf St.Pauli. Seit 2023 Kolumne PMS-Ultras in der taz. Im Internet bringt sie unter dem Pseudonym Buchi Schnubbel allabendlich eine Kleinstadt an Menschen zu Bett.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    „Ein echter Pirat sticht auch ins Rote Meer.“ Noch nie gehört und ohne den Artikel wäre ich auch im Leben nicht auf die dargelegte Assoziation gekommen.

    Diese in einem Zeitungsartikel zu vermitteln, den man sich unter Umständen am Frühstückstisch zu Gemüte führt, halte ich auch alles andere als für notwendig. Dürfen wir demnächst noch Fäkalwortspiele erwarten, die allseits geläufige Begriffe unwiderruflich mit unappetitlichen Bildern verknüpfen?

    Wenn man solche Sprüche zu hören bekommt, ist es angebrachter, sich Gedanken über seinen persönlichen Umgang zu machen, als diesen für eine komplette Menschengruppe als repräsentativ zu erklären.

    • @14231 (Profil gelöscht):

      Wer am Frühstückstisch Zeitung liest, sollte sich eigentlich im Klaren darüber sein, daß einem manche Nachrichten den Appetit verderben könnten. Kriegsmeldungen zum Beispiel. Oder der Mord um die Ecke. Oder Enthüllungen zur „Haltung“ der zur Nahrungslieferung auserkorenen Tiere.

      Menstruation mit Fäkalien gleichzusetzen und generell Menstruation als „unappetitlich“ zu bezeichnen zeigt hingegen wieder, wie weit wir als Gesellschaft von einem sinnvollen und erstrebenswerten Umgang mit dieser regelmäßigen und biologisch sinnigen Körperfunktion entfernt sind. Traurig.

      Und das schreibe ich als nicht direkt davon betroffener.

      • @Staublaus:

        Ich küsse deine Augen, Staublaus! - Hätte ich fast gesagt für diese wunderbare Antwort.

        Wenn einem*r bei Kriegsberichterstattung, Artikeln zu Mord, Totschlag, Vergewaltigung, häuslicher Gewalt, Fluchtursachen, Rechtsextremismus, Klimaschaden usw. der Appetit bleibt, aber bei Menstruation der Appetit vergeht - dann sollte mensch kurz oder lang sich selbst reflektieren, bevor's ans Kommentieren und Schuldzuweisen ggü. der Autorin geht.



        Puh, ich könnte hier noch ewig weitermachen, aber mitten in der Menstruation bin ich gar nicht mehr so aggro wie die Woche davor :)

  • Den Piratenspruch kannte ich bisher nur von Frauen. Ebenso die Bezeichnung „Stecher“, die finde ich wird auch eher abwertend gegenüber Männern gebraucht, aber „stechen“ ist frauenfeindlich?

  • "Das kenn ich aus der Schule, da war das auch immer die Ausrede von den Mädchen, nicht mitzumachen!"



    O-Ton Scheff. Nicht der einzige.



    Wenn nicht dummerweise das Haushaltseinkommen von mir abhinge ...

  • Auch ich als Mann kenne solche Männer nicht, und erwarte auch von Männern, daß sie das kommentieren. Denn solange es nicht von uns boykottiert wird, kapieren es die Piraten nicht.

  • Ich bin froh, dass ich solche Männer nicht kenne. Ja, nicht einmal kannte.