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Verkehrspolitik in NeuköllnDer Siegeszug der Poller

Gute Verkehrspolitik soll die Lebensqualität für Anwohnende verbessern. Reichen dafür Verbote und Absperrungen?

Auch ein Konzept: Verbote Foto: Robert Schlesinger/picture alliance/dpa

A ls ich kürzlich in einer Berliner Tageszeitung las, die „Bürgerbeteiligung“ (sic!) am neuen Verkehrskonzept für den Kiez in Berlin-Neukölln, in dem ich wohne, sei abgeschlossen und das neue Konzept werde nun umgesetzt, musste ich erst mal ein bisschen lachen: Diese „Bürgerbeteiligung“ war mir komplett entgangen! Doch wohl hoffentlich nicht wirklich deshalb, weil ich mich als Bürgerin betrachte?

Nein, dass in Neukölln tatsächlich nur als männlich gelesene Menschen an Verkehrspolitik beteiligt werden, kann ich mir dann doch nicht vorstellen. Auch wenn die CDU bei den letzten Bezirkswahlen in Neukölln stets die Stimmenmehrheit geholt hat: Der Bezirksstadtrat für Verkehr ist immer noch grün!

Es muss dieser „Bürgerbeteiligung“ wohl irgendein anderes Auswahlverfahren zugrunde gelegen haben. Für mich jedenfalls ist es ein Rätsel, wann und vor allem wie die betroffenen Bür­ge­r:in­nen zu diesem Beteiligungsverfahren eingeladen worden sind. Ich lebe seit fast 17 Jahren in diesem Kiez, habe 16 davon als Lokaljournalistin gearbeitet und dabei wirklich viele Informationen aus allen möglichen Quellen und Kanälen wahrgenommen. Ehrlich: Wenn ich nichts von diesem Bürgerbeteiligungsverfahren mitgekriegt habe, muss da irgendwas schiefgegangen sein bei der Kommunikation.

Ich hätte mich jedenfalls sehr gerne daran beteiligt: Ich bin nämlich mit dem neuen Verkehrskonzept nicht so zufrieden, genauer gesagt: damit, wie es umgesetzt wurde.

In meinem Kiez stehen jetzt ganz viele rot-weiß gestreifte Poller und sperren Straßen für Autos ab. Eine Durchfahrt in den – von der es abgrenzenden Hauptstraße aus gesehen – hinteren Teil meines Stadtviertels ist zur Einbahnstraße erklärt geworden – und wer da einmal mit dem Auto hineingefahren ist, kommt wegen der vielen neuen Poller auch durch andere Straßen nicht mehr zurück. Er muss dann ebenso wie alle autofahrenden Leute, die in diesem hinteren Kiezteil wohnen, einen fast drei Kilometer langen Umweg durch eine bereits verkehrsberuhigte Straße nehmen, in der die Anwohnenden deshalb zur Hauptverkehrszeit nun stets einen langen Stau vor der Haustür haben. Und dann noch über zwei große Hauptstraßen fahren, um wieder zurück in sein Wohngebiet zu kommen und dort parken zu können.

Nirgendwo wurden Geh­wege breiter ge­macht und Bäume gepflanzt

Die Automaten, an denen man dafür neuerdings Parkscheine kaufen muss, standen eines Tages plötzlich da und waren in Betrieb – ohne dass es vorher irgendeine Information darüber gegeben hätte, dass man als An­woh­ne­r*in eine auf Dauer preiswertere und ein Jahr lang gültige Parkplakette kaufen kann oder wo und wie. Das Verkehrsaufkommen im Kiez ist seither tatsächlich geringer geworden, aber für anwohnende Au­to­fah­re­r:in­nen sind diese Maßnahmen eine Last.

Ich fahre selbst nur sehr selten Auto, mich ärgert das also eigentlich persönlich nicht: Ich gehe zu Fuß. Was mich aber ärgert, ist das Autoritäre in dieser Verkehrspolitik. Da soll doch eigentlich die Lebens- und Aufenthaltsqualität für die Anwohnenden verbessert werden – oder habe ich da etwas falsch verstanden? Aber das einzige Mittel, mit dem dieses Ziel dann durchgesetzt wird, sind neue Verbotsschilder und Absperrpoller.

wochentaz

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Dagegen keine einzige positive Maßnahme: Nirgendwo wurden zum Beispiel Fahrbahnen schmaler und Gehwege dafür breiter gemacht, nirgendwo ein paar Parkplätze entfernt und dort Bäume gepflanzt oder gar Bänke aufgestellt. Das neue Verkehrskonzept besteht nur aus Verboten. Ich mag solche Politik nicht: Ich fühle mich da als Bürgerin nicht gesehen, sondern nur bevormundet.

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Kolumnistin taz.stadtland
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2 Kommentare

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  • Als normale Anwohnerin könnte ich es ja noch verstehen, dass Ihnen die mehrjährigen Planungen und Beteiligungsformate entgangen sind, aber als Lokaljournalistin ist das schon eine erstaunliche "Leistung". Hier ging es erstmal um eine Verkehrsberuhigung. Die Parkraumbewirtschaftung wurde übrigens vom 1. November 2023 auf den 1. Februar 2024 verschoben, es gab im September 2023 eine Informationsveranstaltung dafür. Alles auf der Seite des Bezirks veröffentlicht, www.berlin.de/ba-neukoelln/, sehr wahrscheinlich auch in deren Newsletter erwähnt (so etwas gibt es auch). Dazu wurden von einer Initiative im Jahr 2021 regelmäßig an verschiedenen Stellen im Kiez Unterschriften für eine Anwohner:inneninitiative gesammelt, die sich für einen Kiezblock eingesetzt hat. Dieser wurde sogar zwei Mal von der BVV beschlossen.

    Hier noch eine kleine Informationshilfe, was der Bezirk z.B. in punkto Gehwegsanierung plant dieses Jahr:



    www.rbb24.de/panor...ene-jahr-2024.html



    Im Reuterkiez soll hier etwas passieren:



    Pflügerstraße (von Friedelstraße bis Hobrechtstraße - rechts)



    Lenaustraße (von Friedelstraße bis Reuterstraße - rechts)

    Und falls Sie die Diskussionen auf nebenan.de noch nicht verfolgen sollten: tun Sie das mal. Sobald der Bezirk anfängt, Parkplätze umzuwandeln, dürften einige Menschen noch ganz andere Maßnahmen ergreifen, als "nur" die neuen Poller immer wieder zu entfernen oder zu zerstören.

    Übrigens: die Rechnung mit den drei Kilometern Umweg würde mich wirklich interessieren. Von welcher Straße sprechen Sie?

  • Es gibt bereits seit 2015 die Beteiligungsplattform meinBerlin, auf der alle laufenden und auch abgeschlossene Beteiligungsformate nach u.a. Bezirken sortiert aufrufbar sind: mein.berlin.de . In den Bezirksämtern liegen Informationen aus. Es gibt Kiezzeitungen - in Neukölln hat "Kiez und Kneipe" regelmäßig berichtet. Es gibt Presseerklärungen der Bezirksämter. Es gäbe viele Möglichkeiten, nicht nur für eine Lokaljournalistin, sich über die Vorhaben von Politik und Verwaltung zu informieren, sich sogar zu beteiligen und auch andere zur Beteiligung anzuregen. HG