Simon Rolfes über Bayer Leverkusen: „Wir sind attraktiver“
Simon Rolfes, Geschäftsführer von Bayer Leverkusen, spricht über gelungene Transfers, die Entwicklung des Vereins und die Zukunft von Xabi Alonso.
taz: Herr Rolfes, Sie sind Baumeister einer Mannschaft, die gerade Fußball-Deutschland begeistert und vor dem Rheinderby beim 1. FC Köln am Sonntag seit 33 Pflichtspielen ungeschlagen ist.
Simon Rolfes: Es freut mich wirklich, dass wir nicht nur lokal die Menschen mitnehmen, sondern auch neutrale Zuschauer uns gerne sehen. Wir spielen mit einem guten Spirit, das spricht die Leute offensichtlich an.
Ihr Kader kommt fast wie ein Kunstwerk daher. Hätten Sie vor der Saison gedacht, dass alles so gut zusammenpasst?
Genau weiß man das nie. Wir haben das im Jahr davor auch in die andere Richtung erlebt. Wir waren von vielem überzeugt, aber wie sich ein Team dann zusammenfindet – über Technik und Taktik hinaus –, hängt auch davon ab, wie die Menschen in der Gruppe einander schätzen. Das ist eigentlich das Spannende in jedem Sommer, wie sich der Kader diesbezüglich mit dem Trainer entwickelt.
Können Sie anhand Ihres Königstransfers Granit Xhaka mal erklären, wie Transfers in Leverkusen in die Wege geleitet werden?
Wir hatten über viele Jahre Charles Aránguiz als Anker in unserem Spiel. Wir wollten als Nachfolger auf dieser Position eine besondere Persönlichkeit. Für dieses Profil die notwendige Qualität mitzubringen – dafür kommen dann nicht so viele infrage. Granit war für uns die Topoption. Deswegen haben wir uns so früh um ihn bemüht.
Und er war sofort bereit, in die Bundesliga zurückzukehren?
Wenn er gesagt hätte, er möchte in London bleiben, wäre es nicht gegangen. Aber sein positives Signal hatten wir schon im Februar. Nur war es danach noch ein langer Kampf mit Arsenal, doch Granit hatte sich dort auch in schwierigen Zeiten immer korrekt verhalten. Das hat den Transfer im Juli dann ermöglicht.
Und wie bekommt man ein Juwel wie Alejandro Grimaldo?
Indem man ihn davon überzeugt, dass der Fußball, den wir spielen, noch besser zu ihm passt! Grimaldo war ja auch bei Benfica Lissabon ein guter Spieler, aber genau das war wirklich ein wichtiger Punkt. Er wollte etwas Neues machen, und das konnten wir ihm auf hohem Niveau anbieten. Aber es ist natürlich keine Frage, dass es ein Vorteil war, mit Xabi Alonso einen spanischsprachigen Trainer zu haben, der bei dem Spieler höchstes Ansehen genießt.
Die Spieler sagen, dass die Abläufe unter Alonso alle im Training einstudiert seien. Können Sie das bestätigen?
Ja, ich bin häufig beim Training. Zwei- bis dreimal die Woche mit Sicherheit. Man sieht viel über die Verfassung jedes Einzelnen und bekommt ein Gefühl für die Gemeinschaft.
Was macht Alonso so außergewöhnlich?
Es ist die Kompetenz. Wenn du als Trainer ein erfolgreicher Spieler warst, hast du die ersten vier Wochen einen Bonus. Der ist aber rasch aufgebraucht, wenn die Kompetenz in der anderen Rolle fehlt. Die Spieler merken schnell: Kann er was in seinem neuen Job oder kann er es nicht? Diese Frage ist eindeutig beantwortet. Darüber hinaus baut Xabi eine gute Verbindung zu seinen Spielern auf.
Sein Deutsch ist sicherlich nicht perfekt. Wie wird in der Kabine kommuniziert?
Alles, was die Ansprache auf dem Platz oder in der Kabine betrifft, erfolgt in Englisch. Heutzutage wachsen die meisten Profis international auf und sind mit ihren sozialen Medien global vernetzt. Das ist als gemeinsame Basis kein Problem. Klar, dass sich Xabi mit unseren südamerikanischen oder spanischen Spielern auch noch mal kurz auf Spanisch austauscht.
Ihr Erfolgstrainer wird ständig mit neuen Arbeitgebern für die nächste Saison in Verbindung gebracht. Der FC Liverpool soll interessiert sein, nun sucht der FC Bayern einen neuen Trainer. Wird Xabi Alonso Leverkusen verlassen?
Ich bin da weiterhin gelassen und optimistisch. Das Allerwichtigste ist doch bei Führungskräften, dass sie sich wohl fühlen und das Gefühl haben, am richtigen Ort zu sein. Xabi weiß, was er am Verein hat. Das hat er schon häufig gesagt. So arbeitet er jeden Tag mit seiner Mannschaft und mit seinem Trainerteam.
Wenn er dann doch käme und sagen würde, er wolle weg …
… es gibt viele Konjunktive in der Welt. Nicht alle müssen eintreten.
Im vergangenen Sommer wurde gefühlt nur der FC Bayern dafür gefeiert, dass Harry Kane in die Bundesliga kommt. Am Ende der Transferperiode blieben jedoch einige Leerstellen im Kader. Trotzdem hat Uli Hoeneß kürzlich gestichelt, Bayer Leverkusen hätte „ein bisschen Glück“ mit seinen Transfers gehabt.
Glück ist kein Zufall. Das habe ich kürzlich schon einmal gesagt. Diese Diskussion ist für mich aber kein Thema. Es zählt nur, dass wir eine gute Mannschaft auf dem Platz haben.
Sie haben sich in zwei Sportmanagement-Studiengängen und in einer Firma für Torlinientechnologie teils noch während der aktiven Zeit für ihre zweite Karriere vorbereitet.
Ich hatte das Glück, dass Fußball zu meinem Beruf geworden ist, da musste ich mir doch zwangsläufig ein neues Hobby suchen. (lacht) Und das war die Wirtschaft, die Unternehmensführung. Durch die Studiengänge, einen davon bei der Uefa, habe ich die Theorie und bei der Firma Vieww die Praxis gelernt, um Organisation und Management in der Realität zu erleben.
42, Geschäftsführer Sport beim Bundesliga-Spitzenreiter Bayer Leverkusen. Der 26-fache Nationalspieler spielte selbst von 2005 bis 2015 bei der Werkself und kehrte 2018 als Sportdirektor zurück.
Sie haben bei Amtsantritt gesagt, Bayer Leverkusen habe viel vor. War damit auch der Angriff auf die Meisterschaft gemeint?
Dass wir eine Topmannschaft in der Bundesliga sein wollen, war die Zielrichtung. Bereits als ich bei Werder Bremen als junger Profi gespielt habe, war Bayer Leverkusen ein Topverein mit einer Spitzennachwuchsarbeit.
War es 2002 dumm, sich den Begriff Vizekusen markenrechtlich schützen zu lassen? Was würde die Meisterschaft, vielleicht sogar weitere Titel im DFB-Pokal oder der Europa League verändern?
Ich war an dieser Entscheidung damals nicht beteiligt, genauso wenig alle anderen der heutigen Handlungsträger. Deswegen beeinflusst uns das überhaupt nicht. Es ist doch klar, dass wir immer in allen Wettbewerben nach dem Maximum streben. Man spürt, dass wir auch in der Attraktivität ein neues Niveau erreichen. Das ist nicht mehr der Verein wie vor 20, 25 Jahren. Wir sind bei den Trikotverkäufen unter den Top fünf der Bundesliga, sind in der BayArena immer ausverkauft, rufen bei Auswärtsspielen die Maximalzahl des Gästekontingents ab. Diese Saison hat noch einmal einen Boost gegeben. Wir haben schon jetzt viele Fans, darunter auch viele Kinder begeistert – das wird ein nachhaltiger Effekt bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prognose zu KI und Stromverbrauch
Der Energiefresser
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Jeff Bezos und die Pressefreiheit
Für eine Zwangsabgabe an Qualitätszeitungen!
Nahost-Konflikt vor US-Wahl
„Netanjahu wartet ab“
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“
Krieg in Nordgaza
Die Hungersnot wächst