Lösungssuche im Abgeordnetenhaus: Wer kann das jetzt gerade rücken?

Im Hauptausschuss hat Finanzsenator Stefan Evers (CDU) noch keine Idee, wie das geplante Klima-Sondervermögen noch vor dem Absturz zu retten ist.

Das Foto zeigt ein Hochhaus, das schief zu stehen scheint.

Milliardenschwere Investitionen in den Klimaschutz stehen auf der Kippe Foto: Emmanuele Contini (Imago)

BERLIN taz | Nichts Genaues weiß man nicht. Im großen Saal des Abgeordnetenhauses sind am Mittwochmittag zwar weit eloquentere Sätze zum weiteren Umgang mit den versprochenen Milliardeninvestitionen zu hören, sowohl vom Finanzsenator als auch von Parlamentariern. Aber im Kern stehen auch sie nur für die ungelöste Frage: Womit soll das Land Berlin mehr Klimaschutz bezahlen, wenn das geplante Sondervermögen dafür genauso wenig zulässig ist wie das Sondervermögen auf Bundesebene? Zu diesem Ergebnis war ein in seit Ende vergangener Woche kursierendes Gutachten einer renommierten Anwaltskanzlei gekommen.

Die Idee war während der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD im Frühjahr 2023 entstanden: mit einem Geldtopf von fünf, möglicherweise zehn Milliarden Euro auf Berliner Ebene gegen den Klimawandel angehen. Finanziert werden sollte das durch ein Sondervermögen – ähnlich wie jener Topf auf Bundesebene, aus dem die Ampelkoalition ursprünglich als Coronakredite bewilligte Gelder nachträglich für den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft bezahlen wollte. Das Bundesverfassungsgericht urteilte jedoch Mitte November: Das verstößt gegen die Verfassung.

Im Haus von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hatte man darauf zunächst ganz entspannt reagiert: „Das Urteil kann nicht auf die Regelungen im Land Berlin übertragen werden“, hieß es von einer Sprecherin. Es gebe grundlegende Unterschiede. Unter anderem hatte Evers Anfang November in einer Ausschussanhörung das geplante Berliner Sondervermögen nicht allein mit der Klima­krise begründet, sondern dazu auch auf den Ukrainekrieg und den Konflikt im Nahen Osten verwiesen.

Vernahm man Evers zwei Wochen später im Abgeordnetenhaus, so klang es eher nach einer Formalie, als er dort ankündigte, das Ganze noch einmal extern begutachten lassen zu wollen. Das übernahm die Kanzlei Redeker. Das Gutachten, das dem Hauptausschuss des Parlaments nun vorlag, hat unter anderem Rechtsanwalt Ulrich Karpenstein unterzeichnet, der auch für die Bundesregierung am Bundesverfassungsgericht und am Europäischen Gerichtshof tätig ist. Er vertrat auch das Land Berlin im Herbst 2022, als das Landesverfassungsgericht über die Wahlpannen urteilte und schließlich eine Wiederholungswahl anordnete.

Suchen nach einem Ausweg

Das Ergebnis der Begutachtung ist sinngemäß: Das vom Senat geplante Sondervermögen ist nicht grundsätzlich unzulässig, aber nicht mit dem Haushaltsprinzip der Jährlichkeit zu vereinbaren, die das Bundesverfassungsgericht betont hat. Was bedeutet: Legt man ein Sondervermögen nun für ein Jahr an, wäre das okay. Doch der Grundgedanke eines solchen Topfes war ja gerade, daran nicht gebunden zu sein und längerfristig planen zu können.

Dafür, dass er das Urteil des Bundesverfassungsgerichts anfangs ganz anders auslegte, wirkt Finanzsenator Evers am Mittwoch nicht übermäßig zerknirscht. Die Abgeordneten wollen wissen, wie es nun weitergeht. Das kann ihnen Evers jedoch nicht sagen: „Das ist eine Diskussion, bei der wir erst am Anfang stehen“, sagt er. Das Gutachten müsse nun in Ruhe ausgewertet werden, erst dann könne man andere Wege ausloten. Ein Treffen mit den Gutachtern in zwei Wochen soll dabei weiterhelfen.

Was nicht ganz zu diesem Erst-in-Ruhe-auswerten passt: Fünfeinhalb Stunden vorher war am frühen Morgen Evers' Senatskollegin Franziska Giffey (SPD) im Inforadio des RBB mit eigenen Ideen dazu vorgeprescht: Die Wirtschaftssenatorin sprach dort von einem „Transformationspaket“, das die notwendigen Investitionen auf verschiedenen Wegen ermögliche. „Wahrscheinlich wird es nicht die eine Lösung geben“, so Giffey weiter. Eine Möglichkeit wären Darlehen und Kredite, die Landesunternehmen – nicht von der Schuldenbremse erfasst – auf zulässige Weise aufnehmen können. Und schlägt einen weiteren Nachtragshaushalt vor.

Während es im Hauptausschuss bei Abgeordneten von Grünen und Linkspartei durchaus auf Zustimmung stößt, dass der Senat sich Gedanken dazu macht, tritt für die SPD-Fraktion ihr Chefhaushälter Torsten Schneider auf die Bremse: Er finde es „ein wenig ambitioniert“, das jetzt schon anzukündigen – und offenbar auch übergriffig von Seiten der Landesregierung: „Beste Grüße an die Fantasien im Senat – dieses Geschäft wird das Parlament vornehmen.“

Noch ein Nachtragshaushalt?

Der Nachtragshaushalt, den Giffey ins Gespräch bringt, wäre schon der zweite, nachdem das Abgeordnetenhaus den Haushalt für 2024 und 2025 erst kurz vor Weihnachten beschlossen hat. Denn erst vergangene Woche debattierte das Parlament erstmals den Entwurf eines Nachtrags, der Kredite für den Kauf des Fernwärmenetzes ermöglichen soll.

Was die Gesamtlage verschärft: All diese Überlegungen bewegen sich parallel zum milliardenschweren Einspardruck im aktuellen Haushalt und weiteren drängenden Kürzungen. Das hatte Evers schon als Gast der Klausurtagung der SPD-Fraktion vor einem Monat in Leipzig vorgerechnet.

Von Grünen-Haushaltspolitiker André Schulze oder seinem Oppositionskollegen Steffen Zillich von der Linksfraktion ist am Mittwoch weder Häme noch Spott zu hören, sondern allein die Hoffnung auf Lösungen. Im Ausschuss wirkt es so, als suche eine Vierparteienkoalition jenseits der AfD nach einem Ausweg. Schulze, der Diplom-Mathematiker ist, bezweifelt allerdings, dass sich Gelder in einst geplanter Höhe lockermachen lassen. Seine Formulierung über das, was möglich sein könnte: ein „Sondervermögen light“.

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