Künstliche Intelligenz an Hochschulen: Zauberwort und Risiko

Die Hochschulen beschäftigen sich zunehmend mit künstlicher Intelligenz. Das führte zu Euphorie – und der Sorge, durch KI das Lernen zu verlernen.

Studierende sonnen sich im Schloßgarten vor einem historischen Gebäude der Universität Osnabrück.

Außen alt, innen mit neuen Fragen konfrontiert: ein Gebäude der Universität Osnabrück Foto: dpa | Friso Gentsch

OSNABRÜCK taz | Es gibt Neuland, an dem scheiden sich die Geister. Die künstliche Intelligenz (KI) ist ein solches Neuland. Seine Erschließung, oft begleitet von euphorischer Goldgräber­stimmung, erzeugt Kontroversen. Manche sehen in KI einen Segen, von der besseren Krebsdiagnostik bis zum sichereren Auto. Andere erwarten, dass sie sich als Fluch erweist, der zum Rüstungswettlauf autonomer Waffen und zur Big-Brother-Ausspähung durch ausufernde People Analytics führt

KI habe „in nahezu alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens“ Einzug gehalten, konstatiert der Deutsche Ethikrat Anfang 2023 in seiner Stellungnahme „Mensch und Maschine – Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz“. Er zeigt allen, die sich der KI bedienen, als wäre sie ein Claim am Klondike, Grenzen auf: „Der Einsatz von KI muss menschliche Entfaltung erweitern und darf sie nicht vermindern“, mahnt Alena Buyx, die Vorsitzende des Rates. „KI darf den Menschen nicht ersetzen.“

Künstliche Intelligenz ist also nicht nur eine Frage der Technik und Informatik, der Rechtsprechung und Wirtschaft. Sie ist auch eine Frage für Philosophen. Um die Chancen und Risiken auszuloten, die sie mit sich führt, braucht es viele Disziplinen: Eine Aufgabe für die Hochschulen.

Einer der größten niedersächsischen Hotspots ist der „KI-Campus“ der Universität Osnabrück. Angedockt ist eine Außenstelle des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz. Zudem gibt es das „Joint Lab Künstliche Intelligenz & Data Science“, ein Schulterschluss der Universität mit dem Potsdamer Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie. Rund 200 WissenschaftlerInnen arbeiten in alldem zusammen.

Auch das „Coppenrath Innovation Centre“(CIC) ist Teil dieses KI-Clusters. Es vernetzt Industrie, Wissenschaft, Handwerk, StartUps und Dienstleister und tritt an, für Niedersachsen „Leuchtturmcharakter“ zu erlangen. Die Reise der KI habe „gerade erst begonnen“, betont das Institut für Kognitionswissenschaft der Uni Osnabrück auf seiner Website. Es gebe „eine enorme Anzahl offener Probleme, die gelöst werden müssen, um diese Reise erfolgreich fortzusetzen“.

Norddeutschland holt auf

„Da geht es natürlich auch um die Sicherheit personenbezogener Daten“, gibt Professor Kai-Uwe Kühnberger, Institut für Kognitionswissenschaft und Vizepräsident der Universität Osnabrück für Forschung, gesellschaftlichen Dialog und Transfer, der taz ein Beispiel. „Wem gehören sie? Wer kann sie nutzen? Viele Firmen sitzen ja da drauf wie auf einem Goldsack.“ In Sachen KI habe der wissenschaftliche Norden Deutschlands, zumal Niedersachsen, gegenüber Städten wie Stuttgart oder München, wie Karlsruhe oder Tübingen, „ein wenig nachzuholen“, sagt Kühnberger. Aber jetzt gehe hier „etwas auf“, und das entwickle sich „extrem gut“.

KI soll unser Leben einfacher und lebenswerter machen. Aber wird mein Leben einfacher, wenn ich mich fragen muss, wie selektiv die Filterblase ist, in der mich die Macht der Algorithmen einschließt? Wird mein Leben lebenswerter, wenn mir die KI, statt mir nur stupide, gefährliche Arbeit abzunehmen, womöglich den ganzen Job raubt?

„Sicher, es können heutige Arbeitsplätze verloren gehen“, sagt Kühnberger. „Aber es kommen auch neue hinzu. Gänzlich ermessen lässt sich das noch nicht. Aus früheren Transformationsprozessen dieser Art wissen wir jedoch: Gesamtzusammenbrüche gab es keine.“ Es gebe immer zwei Seiten: „Nehmen wir ein autonomes Fahrzeug. Sicher, es könnte einen Unfall verursachen. Andererseits gibt es Menschen, die nicht mehr selbst fahren können, neue Freiheit.“

Kritische Distanz ist bei alldem wichtig, sagt Kühnberger. In Osnabrück findet sie auch in der Forschungsgruppe „Ethik und kritische Theorien der KI“ statt, die sich im Institut für Kognitionswissenschaft damit beschäftigt, „was in der KI-getriebenen Transformation unserer Gesellschaften sozial und politisch auf dem Spiel steht“, fokussiert „vor allem auf Strukturen von Macht und Ausbeutung“.

Kompetenzverlust befürchtet

Neuland zu betreten, neues Wissen zu generieren, ist eine der Kernaufgaben von Universitäten. Aber was, wenn die KI hier altes Wissen reduziert? Professorin Gabi Reinmann, Universität Hamburg, Psychologin und Leiterin des Hamburger Zentrums für Universitäres Lehren und Lernen, fürchtet, dass genau das geschieht. Im Herbst 2023 hat sie ein Diskussionspapier dazu veröffentlicht: „Deskilling durch Künstliche Intelligenz? Potenzielle Kompetenzverluste als Herausforderung für die Hochschuldidaktik“.

Sie komme zu dem Schluss, schreibt sie darin, „dass Kompetenzverluste durch den Einsatz von generativer KI in Studium, Lehre und Forschung theoretisch möglich sind und individuelle sowie kollektive Folgen haben können“. Sie setzt auf eine „Renaissance der menschlichen Vernunft als Gegengewicht zur künstlichen Intelligenz, eine Aufwertung sozialer Beziehungen als Gegengewicht zur Mensch-Maschine-Relation“.

Kühnberger versteht Reinmanns Besorgnis. „Wir müssen zweigleisig fahren, das eine nicht aufgeben wegen des anderen“, sagt er. „Früher dauerten solche Umbrüche viele Generationen. Heute geht das rasend schnell. Das muss man sehr verantwortungsvoll handhaben, sehr sensibel.“

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