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Fanproteste verhindern DFL-InvestorDie gelbe Revolution

Kommentar von Johannes Kopp

Mit Protesten haben Fans den Einstieg von Investoren bei der DFL verhindert. Es ist einer der größten Erfolge von sozialen Bewegungen in Deutschland.

Können jetzt wieder zum Tennisspielen benutzt werden: Tennisbälle Foto: Joaquim Ferreira/imago

L ieber auf den Deal mit der einen Milliarde Euro verzichten, als sich die Fußballfans in den Stadien zum dauerhaften Gegner zu machen. Wow! Das war eine radikale Kehrtwende, welche die Deutsche Fußball Liga am Mittwochnachmittag mit den gestoppten Plänen zum Investoreneinstieg verkündete. Ein Private-Equity-Unternehmen sollte eben für die Zahlung von einer Milliarde Euro 20 Jahre lang mit bis zu 8 Prozent der Einnahmen an den TV-Erlösen beteiligt werden. Es gibt also nun eine konkrete Zahl, die dafür steht, welche Dimension Fan-Proteste in den Stadien erreichen können.

Es ist eine der größten Erfolgsgeschichten von sozialen Bewegungen in Deutschland. Und wie so oft lag der Charme des Protests in der Einfachheit seiner Mittel. Vornehmlich Tennisbälle, Flummis und Schokotaler brachten in den vergangenen Wochen die Fußballspiele immer wieder minutenlang zum Erliegen. Auf diese Weise erwirkte die organisierte Fanszene vor Jahren bereits die Abschaffung der ungeliebten Montagabendspiele. Doch die nun beförderte Abwicklung des Investorendeals ist in ihrer Symbolkraft viel weitreichender. Ein erster größer dimensionierter Investorendeal war zuvor bereits innerhalb der DFL gescheitert, weil unter den Vereinen keine Zweidrittelmehrheit dafür zustande kam.

Schaut man nur auf die Finanzberichte des deutschen Profiklubs, verwundert der aktuelle Protesterfolg der Fans noch mehr. Denn das Geld, das die Vereine über die Stadiongänger einnehmen, macht angesichts der rasant gestiegenen TV-Gelder einen immer geringeren Anteil aus. Entsprechend glaubten viele Klubverantwortliche Fanbelange ignorieren zu können. Doch in den Kurven hat sich im Kampf gegen die Bedrohung ihrer eigenen Lebenswelt und gegen den eigenen Bedeutungsverlust eine Kraft entwickelt, die zu einer kommerziellen Größe geworden ist. Nirgends in Europa sind die Stadien so voll, trotz fehlender Stardichte, nirgends sind Choreografien und Stimmung so prächtig: Ein Alleinstellungsmerkmal, das DFL-Funktionäre bei TV-Verhandlungen in bare Münze umsetzen können.

Das Besondere und Heikle dieser gewinnbringenden Verbindung ist, dass die aktive Fanszene massive Vorbehalte gegen die immer dynamischere Kommerzialisierung des Fußballs hat. Die Interessenlage ist konträr. Oder wie DFL-Präsidiumssprecher Hans-Joachim Watzke am Mittwoch erklärte: „Der deutsche Profifußball steht inmitten einer Zerreißprobe.“

Räume des Sichausprobierens

Auf der einen Seite befinden sich insbesondere die erfolgreichen Erstligisten, die den Anschluss an die hyperkommerzialisierte Premier League in England nicht verlieren wollen und bereit sind, für Investorengeld ein Stück weit Kontrolle und Gestaltungsmacht über ihr eigenes Produkt aufzugeben.

Auf der anderen Seite fürchten viele Fußballanhänger den Verlust von etwas, das es in der deutschen Gesellschaft so kaum noch gibt. Räume des Sichausprobierens, der sozialen und demokratischen Teilhabe, die Menschen unterschiedlichster Herkunft, sozialer Schichten und Gesinnung anzieht und zusammenführt.

Aber erst die Arroganz der DFL, die meinte, in ihren Gremien mit allen Mitteln Stimmmehrheiten organisieren zu können, ohne auf Mehrheiten unter Vereinsmitgliedern und Anhängern Rücksicht zu nehmen, verhalf dem Protest auf die Beine. Dieser wurde eben nicht nur von den Lautsprechern der Ultras in den Stadien getragen, sondern wie Umfragen bestätigten auch von einer breiten Mehrheit des Fanvolkes.

Indem die DFL die Klubvertreter geheim abstimmen ließ, war es Klubinvestor Martin Kind von Hannover 96 möglich, gegen die Weisung seine Vereins für den DFL-Investorendeal zu stimmen und gegen die 50+1-Regel zu verstoßen, nach der die Stimmmehrheit und Entscheidungsgewalt beim Verein liegt. Kind weigerte sich trotz vieler Nachfragen, sein Wahlverhalten offenzulegen. Die DFL räumte reumütig am Mittwoch in ihrer Stellungnahme ein, dass der Verdacht des Verstoßes gegen die 50+1-Regel der Akzeptanz der Abstimmung sehr geschadet habe. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit war gerade einmal so erreicht worden.

Die Kehrtwende bei der DFL können die Fans zu Recht als großen Triumph ihres fast ausschließlich friedlichen Protests feiern. Damit ist aber nur etwas verhindert und noch nichts gewonnen. Die Zerrissenheit des deutschen Profifußballs zu überwinden bleibt die große Herausforderung. Soziale Bewegungen sind gut darin, Proteste gegen etwas zu organisieren, schwieriger wird es, wenn Mehrheiten für etwas gefunden werden müssen. Der DFL wird von Fanseite zu Recht vorgeworfen, sie beteilige sich kopflos am Rattenrennen der großen Ligen und es fehle ihr an einer Vision. Noch wichtiger als die von Ultras gern aufgeworfene Frage, wem eigentlich der Fußball gehöre, ist die Frage: Was für einen Fußball wollen die Verbände, Vereine, Fußballer, Fans und Zuschauer überhaupt? Kann eine gemeinsame Vision entwickelt werden?

Für Traumtänzerei beseht derzeit kein Anlass. Vereine wie Bayern München und Borussia Dortmund haben schon mehrfach angedeutet, sie könnten ihr eigenes Ding machen und aus der zentralen TV-Vermarktung und Solidargemeinschaft aussteigen, sollten sich die kleinen Klubs ihnen gegenüber nicht solidarisch verhalten. Wie schwierig solche Alleingänge werden könnten, davon durften sich allerdings auch diese Vereine in den letzten Wochen ein Bild machen.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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