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Krieg in der UkraineAus für die Zesar Kunikow

Der ukrainischen Armee ist es mit Hilfe von Seedrohnen gelungen, erneut ein russisches Kriegsschiff im Schwarzen Meer zu versenken. Moskau schweigt.

Die „Zesar Kunikow“ während einer Marine-Übung im Schwarzen Meer im Oktober 2021 Foto: Itar-Tass/imago

Berlin taz | Getroffen, versenkt: Die russische Schwarzmeerflotte hat sich erneut verkleinert. Laut einer Erklärung des Generalstabes der ukrainischen Streitkräfte (WSU) sei das Landungsschiff „Zesar Kunikow“ am frühen Mittwochmorgen infolge eines Drohnenangriffs vor der Küstenstadt Alupka auf der Krim, rund 17 Kilometer von Jalta entfernt, gesunken.

Die Hauptdirektion des beim ukrainischen Verteidigungsministerium angesiedelten Geheimdienstes (GUR) veröffentlichte ein Video. Dieses zeigt ein Schiff, das von seiner Silhouette her einem größeren Landungsschiff wie der „Zesar Kunikow“ ähnelt. Darauf folgen Bilder einer Explosion. Am Ende ist zu sehen, wie das Schiff zur Seite kippt und langsam zu sinken beginnt.

Laut offiziellen Angaben besteht die Besatzung der „Zesar Kunikow“ aus 87 Personen. Der Telegram-Kanal „Krim-Wind“ berichtet unter Verweis auf Augenzeug*innen, dass verletzte und getötete Matrosen nach den Angriffen mit speziellen Bussen nach Sewastopol gebracht worden seien. Dem Kanal „Dwa maijora (Zwei Majore) eines russischen Militärbloggers hingegen ist zu entnehmen, dass alle Besatzungsmitglieder am Leben seien.

Die Behörden der Krim sowie offizielle Stellen der Stadtverwaltung von Sewastopol kommentierten den Vorfall nicht. Ähnlich wortkarg war auch Kremlsprecher Dmitri Peskow. Jour­na­lis­t*in­nen verwies er an das russische Verteidigungsministerium, er selber könne nichts dazu sagen. Doch auch das Ministerium hüllte sich in Schweigen. Lediglich am Morgen erfolgte ein dürres Statement, wonach sechs Drohnen über dem Schwarzen Meer abgefangen worden seien.

Schwerer Verlust

Sollte die „Zesar Kunikow“– sie und das Schiff „Nowotscherkassk“ waren bereits im Frühjahr 2022 bei einem ukrainischen Angriff auf die Stadt Berdjansk am Asowschen Meer schwer beschädigt worden – tatsächlich außer Gefecht gesetzt worden sein, wäre das ein weiterer schwerer Verlust für die Schwarzmeerflotte und beileibe nicht der erste.

Das Raketenschiff „Iwanowets“ war im Februar 2022 bei einem Drohnenangriff vor der Krim komplett zerstört worden. Im Mai 2023 wurde das russische Aufklärungsschiff „Iwan Churs“ getroffen, drei Monate später erwischte es das Patrouillenboot „Sergei Kotow.“ Die aus Kyjiwer Sicht erfolgreichen Militärschläge zwangen Moskau, einen Teil der Schwarzmeerflotte in den Hafen von Noworossijsk zu verlegen.

Das Schicksal der „Zesar Kunikow“ beschäftigte am Mittwoch auch andere russische Blogger. So schreibt der „Kriegsbeobachter“, das Schiff sei am 14. Februar 2024 „gestorben“, dem Todestag seines Namensgebers, des Offiziers und Helden der Sowjetunion Zesar Kunikow. Der Blogger sparte auch nicht mit Kritik am Kommando der Schwarzmeerflotte. Die Schiffe der Flotte verfügten noch immer über „keine der Bedrohung angemessenen Mittel zur Abwehr.“

Laut Pawel Aksjonow, Militär-Korrespondent des russischsprachigen Dienstes der BBC, habe der Abschuss der „Zesar Kunikow“ keinen unmittelbaren Einfluss auf den Kriegsverlauf. Sie hätte ohnehin keine Marschflugkörper auf Ziele am Boden oder andere Schiffe abfeuern können. Aber Schiffe dieser Art seien wichtig für den Transport militärischer Güter. Diese Möglichkeiten seien jetzt durch den Abschuss weiter eingeschränkt.

Noch größere Angst

Aksjonow weist auf einen weiteren Aspekt hin. Die Schwarzmeerflotte habe bereits ihre Aktivitäten auf hoher See reduziert, ein erheblicher Teil der Schiffe sei schon verlegt worden. Mit dem Untergang eines weiteren Schiffes würden die Ängste des russischen Kommandos nur noch größer.

Für den westukrainischen Journalisten Danylo (seinen Nachnamen möchte er nicht nennen) hat der Mittwoch gut angefangen. „Der Morgenkaffee hat mir besonders gut geschmeckt“, sagt er unter Verweis auf die jüngsten Ereignisse im Schwarzen Meer. „Eigentlich hätte ich zum Frühstück etwas Stärkeres trinken müssen, doch das hebe ich mir für den Abend auf.“

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4 Kommentare

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  • >>Sollte die „Zesar Kunikow“– sie und das Schiff „Nowotscherkassk“ waren bereits im Frühjahr 2022 bei einem ukrainischen Angriff auf die Stadt Berdjansk am Asowschen Meer schwer beschädigt worden – tatsächlich außer Gefecht gesetzt worden sein, wäre das ein weiterer schwerer Verlust für die Schwarzmeerflotte und beileibe nicht der erste.

    Als die Zesar Kunikow im Frühjahr 2022 beschädigt wurde, müsste es es da nicht um einen "russischen Angriff" gehandelt haben? Berdjansk ist eine ukrainische Hafenstadt, die Schiffe wurden vermutlich beschädift, als sie versuchten, Truppen auf ukrainischem Boden anzulanden?

     
    • @Ali Falcone:

      Es werden auch noch weitere Verluste hinzukommen. Letztendlich handelt es sich aber um symbolische Erfolge. Diese Nadelstiche werden (leider) keinen Verlauf auf das Kriegsgeschehen haben.

      • @Alexander Schulz:

        Das Schiff war zur Versorgung der Krim im Einsatz, wäre es unbedeutend wäre es im Hafen geblieben. Genügend "symbolische" Nadelstiche und auch Russland verblutet.

        • @Machiavelli:

          Ja. Bis zu 25 leichte Panzerfahrzeuge oder 450 Tonnen gemischte Fracht sind kein Pappenstiel. Auch: Ropuchas benötigen keinen Hafen. Ein hinreichend flacher Strand reicht zum Be/Entladen.

          Ideal für diese Gegend. Das ukrainische Toponym "Liman" bezeichnet diese riesigen flachen Flussmündungen, so wie breite Fjorde in einem plattgedrückten Land.

          Diese Schiffe sind *die* wertvollste russische Nachschubeinheit vor Ort. Solange sie schwimmen, wird die Krim russisch besetzt bleiben.



          Das ist kein Nadelstich, sondern Teil eines strategischen Plans. Knapp die halbe Transportkapazität der Schwarzmeerflotte ist nun zerstört, und der Rest reicht zur sicheren Versorgung *eines* umkämpften Friontabschnitts oder Orts.