piwik no script img

Reaktionen auf Faesers MaßnahmenplanLob mit Abstrichen

Zivilgesellschaftliche Initiativen begrüßen Faesers Maßnahmen gegen Rechtsextremismus. Doch manche fürchten, dass auch Linke gefährdet seien könnten.

Berlin, 3. Februar 2024: Demonstration gegen Rechtsextremismus Foto: Virginia Garfunkel/imago

BERLIN taz | Vieles richtig, aber wenig neu – so lassen sich grob die Reaktionen aus der antifaschistischen und zivilgesellschaftlichen Praxis auf die am Dienstag vorgestellten Maßnahmen gegen Rechtsextremismus von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zusammenfassen. Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, begrüßte die Pläne, kritisierte aber, dass vieles davon bereits Teil des 10-Punkte-Plans von 2022 gewesen sei. Auch Dinge wie die Unterbindung rechter Finanzströme sowie die Entwaffnung der rechtsextremen Szene hätten längst umgesetzt sein können.

Aus seiner Sicht blieb die drängendste Frage unbeantwortet: „Wie kann unsere Demokratie in Anbetracht des Superwahljahres 2024 gegen den parteiförmigen Rechtsextremismus der AfD abgesichert werden?“ Die von Faeser vorgestellten Maßnahmen brauchten Zeit, die man nicht habe, so Reinfrank: „Bereits heute werden Lo­kal­po­li­ti­ke­r*in­nen eingeschüchtert, Engagierte bedroht und Rechtsextreme schaffen deutschlandweit ein Klima aus Hass und Hetze.“ Diese Menschen brauchten jetzt konkrete Lösungen und Unterstützung – womit Reinfrank unter anderem auf das noch immer nicht im Bundestag beschlossene Demokratiefördergesetz anspielte, das zivil­gesellschaftliche Strukturen absichern soll.

Zudem brauche es eine breit an­gelegte Bildungsoffensive für alle Altersgruppen und Sozialräume sowie mehr Beteiligungsformen für ­Demokratie. Die NGO plädierte ­außerdem für einen Paradigmen­wechsel in der politischen Kultur: „Solange die ­demokratischen Parteien etwa ­Migration ebenfalls ausschließlich ­ressentimentgeladen und auf Abwehr bedacht verhandeln, spielt das einer AfD in die Hände, die damit die Parteien vor sich her treibt und die Themen setzt.“

Vieles davon haben wir schon einmal gehört

Heiko Klare, Bundesverband Mobile Beratung

Auch für Heiko Klare vom Bundesverband Mobile Beratung, der über 50 quer durch die Republik tätigen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus vertritt, ist das Maßnahmenpaket nicht wirklich neu, sondern eher ein „Weckruf“ für die Regierungskoalition und das Parlament: „Vieles davon haben wir schon einmal gehört – die Bundesregierung müsste nun auch wirklich mal umsetzen, was sie sich vorgenommen hat.“

Ohne Druck von der Straße nicht möglich

Klare kritisierte das Feststecken des Demokratiefördergesetzes im Bundestag und damit ein mangelndes gemeinsames Vorgehen in der Ampelkoalition. Während Faeser eine Pressekonferenz zu Maßnahmen gegen Rechtsextremismus macht und die grüne Familienministerin Lisa Paus am selben Tag eine Studie zu Hass im Netz vorstellt, wolle die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg das Paket zur Demokratieförderung wieder aufschnüren und suggeriere mit Kulturkampfrhetorik fälschlicherweise, dass mit Geldern Selbstbedienungsläden für rot-grüne Vorfeldorganisationen geschaffen werden sollten: „Dabei gibt es jedes Jahr zahlreiche Ausschreibungen mit klaren Förderkriterien im Einklang mit Grundgesetz und Demokratie, transparente Evaluationen, Verwendungsnachweise, Zwischenberichte und Trägergespräche.“ Jetzt Gelder für Demokratieförderung zu blockieren, sei angesichts der extrem rechten Bedrohung gefährlich, warnte Klare. Man habe in Polen und Ungarn gesehen, wie schnell Demokratien demontiert werden könnten – auch hierzulande stehe etwa mit der Landtagswahl in Thüringen ein Härtetest bevor.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Klare begrüßte hingegen, dass Innenministerin Faeser (SPD) und Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang die Neue Rechte und die AfD klar als rechtsextreme Gefahren benannten. Lange Zeit habe es hierbei eine mangelnde Offenheit gegenüber Erkenntnissen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft gegeben, die diese Gefahr schon jahrelang beschrieben hätten. Klare wertete den erhöhten Druck auch als Ergebnis der anhaltenden breiten Proteste gegen Rechtsextremismus der vergangenen Wochen: „Wir wären nicht an diesem Punkt, wenn es den Druck nicht gäbe.“

Gefahr auch für Linke?

Cornelia Kerth, die Vorsitzende Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), sagte der taz, dass die formulierten Ziele zwar „nett klingen“, befürchtete aber, dass sich ausgeweitete Kompetenzen etwa des Verfassungsschutzes am Ende auch gegen linke Organisationen richteten: So sollen künftig die Austrocknung von Finanzquellen rechtsextremistischer Netzwerke nicht mehr nur auf Kriterien wie „volksverhetzende und gewaltorientierte Bestrebungen“ beschränkt sein, sondern das Verfassungsschutzgesetz so geändert werden, dass es bei der Verfolgung extremistischer Organisationen auf schwammige Kategorien wie „Gefährdungspotenzial“, „Aktionspotenzial“ und „gesellschaftliche Einflussnahme“ ankomme.

Kerth befürchtet, dass am Ende über die unterkomplexe Extremismustheorie als Grundlage für das Handeln des Verfassungsschutzes auch linke Vereine unter Beschuss kommen. Ihre Sorge kommt nicht überraschend: Der von NS-Verfolgten gegründete Organisation VVN-BdA war selbst jahrelang in seiner Gemeinnützigkeit durch eine Einstufung durch den bayerischen Verfassungsschutz als linksextrem bedroht, ebenso waren Mitglieder in den 1970ern von Berufsverboten betroffen.

Kerth forderte die Bundesregierung stattdessen dazu auf, ihre eigene Kernforderung „rechtsextreme Netzwerke zerschlagen“ ernst zu nehmen: „Die AfD sitzt wie die Spinne im Netz im Zentrum dieser Netzwerke“, so Kerth. Sie könne über Mandate und Mitarbeitende und möglicherweise auch bald über eine parteinahe Stiftung tausende extrem Rechte einstellen und ehemalige NPD-Mitglieder, Identitäre und Burschenschaftlern in einen Pool von hauptamtlichen Neonazis aufnehmen. Kerth sagte deswegen: „Die durchschlagendste Maßnahme gegen rechtsextreme Netzwerke wäre das Verbot der AfD, weil das dem rechten Sumpf die Mittel entzieht, sich in dieser Gesellschaft weiter breit zu machen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Es ist erfreulich, dass das Bundesministerium reagiert.



    Die Tatsache, dass von den vorgestellten Maßnahmen



    " nicht Alles neu" ist, zeigt vielmehr, dass Frau Faeser bereits seit Amtsbeginn die gleichen Ziele, wie die demonstrierenden DemokratInnen, verfolgt.



    Das ist eine bestärkende Tatsache.



    Der Kritik, dass " Migration ausschließlich (...) auf Abwehr bedacht verhandelt wird", widerspreche ich.



    Mit dem gerade einmal ein halbes Jahr altem Fachkräfteeinwanderungsgesetz wurden gleich mehrere Schritte unternommen.



    Legale Zuwanderung für Nicht EU BürgerInnen in den deutschen Arbeitsmarkt wird vereinfacht.



    Diese Zuwanderungsstrategie kommt ohne Schleusermafia und Lebensbedrohung aus.



    Der Name des Gesetzes ist etwas irreführend, da auf diesem Wege eben auch Menschen ohne klassischen Berufsabschluss die Tür geöffnet wird.



    Neben diesen praktischen Verbesserungen ist auch die Symbolik bedeutsam: wir sind Einwanderungsland!



    Dieser Begriff wurde von Rechts gerne umgangen,abgelehnt , oder bekämpft.



    Die Forderung nach einem Verbot der "afd" ist, im Übrigen, auch nicht neu.



    Wie allerdings in der Vergangenheit erfahren, sind Parteienverbote eben schwierig und ein Verfahren, dass die "afd" am Ende gewinnen würde, ware ein Pferdefuß.



    Dass der Verfassungsschutz die Situation beobachtet ist kein Geheimnis.

  • Danke für diesen umfangreichen Bericht!

  • Schutzmaßnahmen gegen Extremismus sind exakt zu definieren und sollten immer für linken und rechten Extremismus gelten. In der Definition darf keine extreme Richtung mehr oder weniger betroffen sein, auch wenn gerade der Extremismus von rechts das deutlich größere Problem ist.

    • @Rudi Hamm:

      "Schutzmaßnahmen gegen Extremismus sind exakt zu definieren (...)"

      Statt "Schutzmaßnahmen gegen Extremismus" würde ich die Formulierung "Schutzmaßnahmen für unsere Demokratie" bevorzugen, so wie sich diese Demokratie über die Aritkel 1 bis 19 GG (Grundrechte) definiert. Wobei mir (schon lange) nicht einsichtig ist, warum der Artikel 20 (zumindest dessen Absatz 4) nicht zu den Grundrechten gehört.

      Woher die Gegner dieser Demokratie kommen (zur Zeit eindeutig von rechtsaußen) ist dabei letztlich nicht relevant. Geeignete Schutzmaßnahmen müssen dauerhaft und darum "universell" funktional sein.

    • @Rudi Hamm:

      2 klitzekleine Problemchen:

      1. "Links" und "rechts" sind keine exakt definierten Begriffe.

      2. Der Rechtsextremismus definiert sich gerne - und im Falle der AfD - extrem erfolgreich - als "Mitte der Gesellschaft".



      Sieht man hier ziemlich deutlich: www.n-tv.de/politi...ticle24732389.html



      Wie auch das "Alleinstellungsmerkmal" von Mussolinis originalen Faschisten war, sich als "weder rechts noch links" zu definieren.

      Der letzte höchstrichterlich festgestellte Bruch des allerobersten Verfassungsgrundsatzes - der Achtung der Menschenwürde, die *alles* Recht und Gesetz und jedes weitere staatsgewaltliche Handeln zu achten und schützen verpflichtet sein muss -, ging meines Wissens auf die Kappe der Merkel-CDU/CSU. Und die war viele Dinge, wie zB klammheimlich sperrangelweit rechtsoffen. Aber extremistisch war sie nicht - zumindest nicht nach *Ihrer* Definition, die den "Extremismus der Mitte" einfach mal so unterschlägt. Aber er existiert:



      Die Menschenwürde in den Dreck treten zu können ist nicht an irgendein politisches Lager gebunden, sondern eine Option, die allen offensteht, die nur zynisch und machtversessen genug sind.

      Was hilft also?



      Unser Grundgesetz. Oder um es salopp zu formulieren: "Verfassungsextremismus".

      Denn es hat natürlich die eine oder andere Schwäche - nichts ist perfekt -, aber es ist alles in allem die mit weitem Abstand beste rechtliche Rahmenordnung, die es in Deutschland je gab. Alle Deutschen, und alle die es werden wollen, sollten immer wieder die ersten 20 Artikel lesen, und darüber reflektieren.

      • @Ajuga:

        "1. 'Links' und 'rechts' sind keine exakt definierten Begriffe."

        'Links' und 'rechts' leitet sich von der Sitzordnung in den Parlamenten ab, bei der (in den meisten Fällen) bürgerliche (konservative) Parteien eher rechts platziert werden. Bezüglich extremistischer Gesinnungen sagt das (wie Sie richtig feststellen) nichts aus. Letztere kann man auch dazwischen finden, bei religiösen Fanatikern, entfesselten Kapitalisten/Egoisten oder bei Anarchisten.

        "2. Der Rechtsextremismus definiert sich gerne - und im Falle der AfD - extrem erfolgreich - als 'Mitte der Gesellschaft'."

        Der Rechtsextremismus definiert sich (zumindest inhaltlich) eher nicht als 'Mitte der Gesellschaft', sondern er gibt vor, die Mehrheit der Gesellschaft zu vertreten. Damit ist er bei (zur Zeit) rund 20% der Bevölkerung erfolgreich. Zu den anderen rund 80% der Gesellschaft, also zur faktischen Mehrheit gehört auch die 'inhaltliche' Mitte. Die ist in alle Richtungen 'offen', aber nur für Positionen, die ihr aus der 'eigenen Sicht(!)' nicht extremistisch erscheinen. Diese Selbstwahrnehmung der Mitte, die eher nicht von der AfD beeinflusst wird (und schon gar nicht von ihr induziert wurde) gilt vielen im linken Drittel des politischen Spektrums (gemessen am eigenen Weltbild) allerdings mittlerweile bereits als extremistisch.

        Halbwegs ideologiefrei beurteilen kann man das nur, indem man das GG als Maßstab anlegt. Und dort stehen die Artikel 2 bis 19 der Grundrechte gleichberechtigt neben dem Artikel 1, der in seinem dritten Absatz genau darauf hinweist. Sie präzisieren zum Teil, was mit Artikel 1 explizit gemeint ist. Das gilt z. B. auch für den Artikel 16a. Positionen, die sich im Rahmen dieser Vorgaben bewegen, sind nicht extremistisch (jedenfalls nicht im Sinne unserer Demokratie).