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Eine Brücke über das Valley of Death

Exzellente Krebsforschung kommt zu oft erst mit Verzögerung bei den Pa­ti­en­t:in­nen an. Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen soll die zeitliche Lücke zwischen Grundlagenforschung und Anwendung schließen. Die Betroffenen sind daran beteiligt

Labor im Neubau des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden Foto: Sebastian Kahnert/dpa/picture alliance

Von Cordula Rode

Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund 500.000 Menschen neu an Krebs – Tendenz steigend. Die größte Chance im Kampf gegen Krebs ist exzellente Forschung. Im Jahr 2004 gründeten das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und das Universitätsklinikum Heidelberg gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg. 2015 kam Dresden als zweiter Standort dazu. Im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs, einer Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) wurden Anfang 2023 vier weitere neue Standorte in das NCT aufgenommen: Berlin, SüdWest (Tübingen/Stuttgart-Ulm), WERA (Würzburg mit den Partnern Erlangen, Regensburg und Augsburg) und West (Essen/Köln).

Die beteiligten Kliniken mussten umfangreiche Vorerfahrung nachweisen und in einer zweijährigen Strategiephase exzellente Konzepte entwickeln. Das NCT wird vom BMBF zu 90 Prozent gefördert, die entsprechenden Bundesländer beteiligen sich zu 10 Prozent. Ziel des NCT ist es, vielversprechende Ergebnisse aus der Krebsforschung schnell und sicher in die klinische Anwendung zu bringen, um Pa­ti­en­t:in­nen flächendeckend Zugang zu innovativen Behandlungsansätzen ermöglichen. Dies soll durch enge Kooperation des DKFZ mit ausgewählten Partnern in der Universitätsmedizin und in der Forschung erreicht werden. „Nur Spitzenzentren werden in das NCT aufgenommen“, erklärt Lars Zender, der das im vorigen Jahr als neuen Standort aufgenommene NCT-SüdWest leitet. „Wir sind bereits seit vielen Jahren Comprehensive Cancer Center mit Schwerpunkt auf Präzisionsonkologie, Immuntherapie und molekularer Bildgebung.“

Kamen früher neuentwickelte Medikamente fast ausschließlich von Pharmaziekonzernen, die die Möglichkeit umfangreicher und zeitnaher Studien hatten, so werden heute deutlich mehr innovative und vielversprechende neue Therapeutika in der medizinischen Forschung entwickelt. Und genau da entsteht eine Lücke, so Zender: „Es dauert oft viel zu lang, bis diese neuen Ansätze wirklich bei den Pa­ti­en­t:in­nen ankommen, weil es zu wenig Möglichkeiten für die entsprechenden akademischen Studien gibt.“ Diese große Lücke zwischen Grundlagenforschung und Anwendung wird von den Ex­per­t:in­nen auch als „Valley of Death“ bezeichnet. Eine optimale Vernetzung zwischen Forschung und Kliniken sowie hohe finanzielle Förderung sollen dafür sorgen, dass die an Krebs erkrankten Menschen deutlich schneller von den Forschungsergebnissen profitieren.

Die Idee: Der ständige Austausch der Kliniken und Ex­per­t:in­nen schafft eine Art Wissens­pipe­line, in der alle Ergebnisse allen Beteiligten der Kooperation zur Verfügung stehen und die damit die wissenschaftliche Forschung potenziert. Einer der Schwerpunkte ist die personalisierte Onkologie. Bekamen früher an einem bestimmten Krebs erkrankte Menschen eine Art „Einheitstherapie“ in der Kombination von Operation, Chemotherapie und Bestrahlung, so ist es inzwischen möglich, für jeden Tumor eine Art eigenen Fingerabdruck zu erstellen und die Therapie etwa mit Hemmstoffen und Antikörpern individuell zu planen und durchzuführen. Damit lässt sich im Idealfall verhindern, dass der Tumor durch ungeeignete Behandlung therapieresistent wird.

Doch auch in anderer Hinsicht wird die Behandlung von Krebserkrankungen „personalisiert“. Das NCT etabliert eine Form der Patientenbeteiligung, die in diesem Umfang ein absolutes Novum darstellt und die Pa­ti­en­t:in­nen zu For­schungs­part­ne­r:in­nen auf Augenhöhe machen soll. „Es war uns immer wichtig, Pa­ti­en­t:in­nen so eng wie möglich in unsere Prozesse und Entscheidungen einzubinden“, erläutert Zender. Spielte sich das aber bisher eher in Austausch und Kooperationen mit Selbsthilfegruppen ab, so gibt es nun feste und umfangreiche Kriterien für diese Beteiligung.

Bereits 2018 etablierte das DKFZ den Patientenbeirat Krebsforschung. Schon in der Konzeptphase zur Erweiterung des NCT wurden Pa­ti­en­ten­ver­tre­te­r:in­nen eingebunden. In Arbeitsgruppen gestalteten sie den Entwicklungsprozess entscheidend mit. Um die Patientenbeteiligung fest zu verankern, wurde der NCT-Patientenforschungsrat gegründet, der an den standortübergreifenden Gremien aktiv beteiligt ist. Parallel gibt es lokale Patientenforschungsräte an jedem Standort. Damit die Patientenbeteiligung in der Krebsforschung ihr volles Potenzial entfalten kann, arbeiten die NCT-Patientenforschungsräte mit anderen Organisationen und Initiativen in Deutschland, wie dem Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ, zusammen.

Diese völlig neuartige Form der Beteiligung stelle allerdings hohe Ansprüche an die Patient:innen, so Zender: „Wissen zu klinischen Studien und wissenschaftlichen Methoden ist da ebenso wichtig wie gute Englischkenntnisse, da viele Studien nicht auf Deutsch vorliegen.“ Um diesen Hintergrund zu schaffen, hat das NCT die Nationale Patienten-Experten-Akademie für Tumorerkrankungen (PEAK) ins Leben gerufen, die praxisnahe Kurse für interessierte Pa­ti­en­t:in­nen und deren Ver­tre­te­r:in­nen anbietet. Ziel ist nicht allein der Gedanke, Betroffene besser an Prozessen und Entscheidungsfindungen teilhaben zu lassen, sondern auch, umgekehrt von deren Erfahrungen und Bedürfnissen zu profitieren. Sie sind Ex­per­t:in­nen in eigener Sache und geben unerlässliche Rückmeldungen zum Erleben von Diagnose und Behandlung sowie zur Lebensqualität.

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