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Krebserkrankung von King Charles III.Staatsoberhaupt statt Promi

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

King Charles III. macht seine Krebserkrankung publik und zieht sich vorerst aus der Öffentlichkeit zurück. Er steht für einen Wandel bei den Royals.

König Charles und Königin Camilla auf dem Weg zum Gottesdienst in Sandringham, Norfolk, 4. Februar 2024 Foto: Paul Marriott/imago

D ass King Charles III für eine Zeitenwende in der britischen Monarchie steht, war spätestens am 10. September 2022 klar. Als er bei der Unterzeichnung seiner Proklamation zum König mit seinem renitenten Füllfederhalter schimpfte, gab er in wenigen Sekunden mehr von sich preis als die zwei Tage zuvor verstorbene Queen Elizabeth II in 72 Jahren auf dem Thron. Am Montag dieser Woche hat Charles nun erneut Geschichte geschrieben, indem das Königshaus seine Krebserkrankung öffentlich machte – ein Schritt, der in dieser Form mit jahrhundertealten Konventionen bricht.

„Never complain, never explain“ – sich nie beklagen, sich nie erklären – das galt immer als Motto der Royals, mit dem sie wie mit so vielem anderen nicht etwa einen Spleen pflegten, sondern als Spiegel eines moralischen Idealzustands des britischen Charakters dienen sollten.

Der 75-jährige Charles wuchs noch in einer Ära auf, in der es als Gipfel der Unhöflichkeit galt, über die eigene Befindlichkeit zu sprechen. Die Frage „How do you do?“ erforderte keine Antwort mit Substanz, sie war ein Benimmtest. Als kleiner Engländer lernte man: Die anstrengendsten Menschen sind die, die auf die Frage „Wie geht es Ihnen?“ anfangen, es einem zu erzählen.

Die Sitten haben sich geändert

Inzwischen weiß man, dass es noch anstrengendere Menschen gibt: die, die es erzählen, ohne gefragt worden zu sein. Prinz Harry etwa hat dies zu seinem Lebensinhalt erkoren und ist dafür in die USA gezogen, das Land der Unkultiviertheit. Aber auch im Vereinigten Königreich haben sich die Sitten geändert. Man verbirgt das Private nicht mehr, man inszeniert es. Subjektive Gefühle sind objektiven Umständen mindestens gleichrangig. Das ist eine Grundlage von so unterschiedlichen Entwicklungen wie der „woken“ Identitätspolitik und dem Brexit.

Die komplette Enthüllung des Privaten leistet King Charles III. natürlich nicht, es werden keine Einzelheiten seiner Erkrankung und Behandlung preisgegeben und es wird sicher auch kein tägliches Gesundheitsbulletin folgen. Auch die Bauchoperation von Kate, Ehefrau des Thronfolgers William, im Januar wurde der Öffentlichkeit nicht im Detail vorgeführt. Aber als der König im Januar wegen einer vergrößerten Prostata ins Krankenhaus kam, wurde dies offen angesprochen und zum Vorbild für andere Männer seiner Generation erklärt. Der Mentalitätswandel der britischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert ist ganz oben angekommen. Was selbst der König macht, kann nicht falsch sein.

Diese Entwicklung deutete sich bereits an, als Charles neben seiner Ehe mit Diana seine Affäre mit Camilla pflegte, als er sich scheiden ließ und als er, anders als seine Vorfahren, seinen Söhnen keine Beschränkung bei der Partnerwahl setzte. Im 20. Jahrhundert musste ein König noch abdanken, um eine geschiedene Frau zu ehelichen. Heute ist die Queen, also Camilla, nicht einmal mehr die Mutter des Thronfolgers, die Royal Family ist genauso unübersichtlich und damit auch normal wie andere Familien auch – der Spiegel einer britischen Gesellschaft eben, in der es gar keinen moralischen Idealzustand mehr gibt.

Unerwarteter Nebeneffekt

Die öffentliche Erkrankung des Königs hat noch einen unerwarteten Nebeneffekt. King Charles III. nimmt bis auf Weiteres keine öffentlichen Termine mehr wahr. Er regiert einfach, setzt also weiter Gesetze in Kraft, empfängt jede Woche den Premierminister. Aber er ist vorläufig keine öffentliche Figur mehr. Seine Mutter konnte sich das nicht leisten. Indem sie nie etwas von sich preisgab, musste Queen Elizabeth II. öffentlich immer da sein. Indem er etwas von sich preisgibt, kann King Charles III. sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen.

Der Monarch reduziert sich auf seine Kernfunktion: Staatsoberhaupt statt Promi. Glamour war gestern. Auch William und Kate bestehen längst auf mehr Privatsphäre, vor allem für ihre Kinder, und das wird anders als früher respektiert.

Die relativ junge Ära, in der die Royal Family unablässig im Scheinwerferlicht einer gnadenlosen Öffentlichkeit stand und immer wieder einzelne ihrer Mitglieder, vor allem die Angeheirateten, daran zugrunde gingen, geht zu Ende. Wenn das so bleibt, wäre es für King Charles III. ein würdiges Vermächtnis.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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4 Kommentare

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  • "Staatsoberhaupt statt Promi."

    Es wäre mir neu, dass die öffentlichen, rein repräsentativen Einsätze eines Staatsoberhaupts NICHT zum Job gehörten. Fragen Sie mal Herrn Steinmeier (wohl in Relation zur Exponiertheit seines Amtes ein absoluter Un-"Promi"), ob er zwischen den Staatsgeschäften keine öffentlichen Auftritte hat und hübsch die Füße hochlegen kann! Staatsgäste empfangen, Orden verleihen, Hände schütteln, die noch lebenden Gründungsmitglieder des Gesangsvereins Harmonia Hintertupfing zu ihrem 75. Vereinsjubiläum empfangen, sich vom wackeren Bauern seine schönen Kühe zeigen lassen etc. gehören aus meiner Sicht genau so zu SEINEM Job wie dem aller anderen Präsidenten und Monarchen. Die haben nur nicht alle so viel Zeit dafür, vor allem wenn sie gleichzeitig Politiker sind.

    Der Unterschied bei Royals ist also eher das genaue Gegenteil, nämlich dass ihr Glamour-Faktor neben den Repräsentationsaufgaben noch ihr Privatleben ins öffentliche Interesse zieht und zu erheblichen Teilen öffentlich werden lässt. Wenn überhaupt, hat Charles mit der Veröffentlichung seiner Krankheit also eher den genauen Gegenschritt getan: Mehr promimäßiger Einblick ins Privatleben, weniger reine, stoische Pflichterfüllung wie seine Mutter.

  • "Er steht für einen Wandel bei den Royals." - Ja, hin zum Untergang ...

    • @Lee Ma:

      Wo ist denn da ein Untergang zu erkennen? Harry tanzt halt außer der Reihe, aber sonst ist da nichts was einen gestandenen Briten erschüttern kann…

    • @Lee Ma:

      Wenn die Monarchie in Großbritannien weiter besteht, ist das nicht schlimm. Wenn nicht, ebenso.