Bewegungstermine in Berlin: Alle zusammen gegen den Faschismus
Überall regt sich Widerstand gegen Faschismus und Rechtsruck. Wie man über einzelne Demos hinaus aktiv werden kann? Hier sind einige Termine.
P lötzlich menschenüberflutete Plätze, Straßen und Brücken zu sehen, eine tatsächliche Massenbewegung gegen den Faschismus, löst bei einigen Linken gemischte Gefühle aus. Das Fünkchen Hoffnung, das sich da regen will, wird sofort durchmischt mit Skepsis, vielleicht sogar Misstrauen. Sind Antifas nicht in den letzten Jahren von Rückzug zu Rückzug gehetzt? Wurden sie nicht von der bürgerlichen Gesellschaft alleingelassen? Hat diese nicht ihren Staatsapparat auf die Antifas gehetzt, sie ohne Gnade verfolgt und unterdrückt?
Warum, fragen sich da nicht wenige, soll diese bürgerliche Gesellschaft plötzlich etwas verstanden haben? Wie könnte es sich da um mehr handeln als um eine Laune, um den nächsten Kick zur moralischen Selbstbefriedigung? Was kann schon erwartet werden von Protesten, auf denen Menschen wie in Berlin nicht einmal „auf die Barrikaden“, sondern nur „haltet fest zusammen“ singen wollten, denen schon ein „siamo tutti antifascisti“ offensichtlich zu radikal ist, um in den Sprechchor miteinzustimmen?
Es ist leicht, von links die Anti-AfD-Proteste mit dem Totschlagargument „bürgerlich“ abzuwinken. Doch eine allzu zynische Sicht auf die Welt führt bekanntlich zu Selbstsabotage. Ohne in kopflosen Optimismus zu verfallen, wären Linke gut beraten, nicht das Möglichkeitsfenster zu verkennen, das sich infolge der Correctiv-Recherche tatsächlich aufgetan hat. Es regt sich was in dieser Gesellschaft. Was erlebbar ist, ist eine offene Situation – wie sie sich entwickelt, hängt nicht zuletzt vom eigenen Handeln ab.
Statt die Fehler der anderen zu suchen, lohnt sich deshalb ein Blick auf die eigenen Strukturen. Wie viele Leute sind da in den letzten Jahren abgegangen? Wie aktiv ist man selbst noch gegen den Faschismus, wie sehr hat man selbst schon resigniert? Ist man noch aktiv, ist man noch organisiert? Nicht wenige (der Autor des Textes nimmt sich explizit nicht aus) haben ihren Aktivismus zuletzt schleifen lassen. In Berlin ist die radikale Linke fragmentiert wie eh und je. Was daraus folgt? Dass es keinen besseren Zeitpunkt gibt als diesen, um sich endlich (wieder) einer antifaschistischen Organisation anzuschließen.
Raus aus dem Bett, ab auf die Straße
Eine Anlaufstelle für alle, die aktiv werden wollen, ist das Offene Antifa Treffen Berlin (OAT). Alle 14 Tage findet das OAT als offenes Plenum statt, anschließend gibt es immer Zeit, sich kennenzulernen. Jede:r ist willkommen, die einzige Voraussetzung lautet, kein Bock auf Nazis zu haben. Zum nächsten Treffen am Mittwoch (24. 1., 19 Uhr, Bandito Rosso, Lottumstraße 10a) wird es auch einen kurzen Input-Vortrag zum bevorstehenden Superwahljahr geben.
Wer noch damit hadert, sich in festen Strukturen zu organisieren, kann auch zunächst zu den vielen leckeren Küfa-Angeboten vorbeikommen, mit denen soziale Kämpfe wie die von Geflüchteten gegen die rassistische Abschottungspolitik Europas finanziert werden. In lockerer Atmosphäre quatscht es sich leichter darüber, wie man sich längerfristig engagieren kann.
Solche Angebote gibt es einige: Am Dienstag (23.1., 19 Uhr) etwa in der Linienstraße 206, Nähe Rosenthaler Platz, oder am selben Tag in Lichtenberg in der Villa Kuriosum (Scheffelstraße 21, ebenfalls 19 Uhr). Jeden Freitag gibt es in der Regenbogenfabrik (Lausitzer Straße 22) die Küfa der No Border Assembly (15 bis 22 Uhr). An diesem letzten Freitag im Monat findet dort auch die Sprechstunde für antirassistische Supportgruppen statt, wo auch Menschen hingehen können, die noch nie von „Supportgruppen“ gehört, aber die Schnauze voll von der rassistischen Abschiebepolitik haben.
Alle Orte supporten
Ein großer Schritt vorwärts wäre es auch, jenseits der linken Großstadtbubble klare Kante gegen Nazis zu zeigen. Denn was in der Berliner Innenstadt sehr leicht fällt, ist anderorts oft mit erheblichen Risiken verbunden. Es gilt deshalb, die mutigen Menschen zu unterstützen, die in den braunen Hochburgen ihre Stimme gegen rechts erheben. Eine gute aktuelle Übersicht, wo Demos stattfinden, findet sich in vielen taz-Artikeln (siehe Kasten) zum Thema AfD und auf der Seite Demokrateam.
Direkt am Stadtrand, in Oranienburg, ruft am Samstag (27.1.) eine Fraueninitiative dazu auf, zu zeigen, dass der Landkreis Oberhavel unteilbar zusammenhält. Die Demo startet um 13 Uhr am Bahnhofsplatz in Oranienburg und endet am Schlossplatz. Menschen aus Ahrensfelde rufen für Freitag (26. 1.) zu einer Lichteraktion und einer Demonstration auf (Startpunkt 17:30, vor dem Rathaus). Achtung: Da die Lokführer:innen streiken, ist damit zu rechnen, dass die S-Bahnen nicht wie gewohnt verkehren.
Etwas weiter weg, doch vielleicht auch trotz Streik noch im Radius des 49-Euro-Tickets, findet am Mittwoch (24.1.) auch in Dessau eine Lichterdemo gegen rechts statt (17 Uhr, an der Friedensglocke am Platz der Deutschen Einheit). Am Samstag (27.1.) um 16 Uhr startet auch in der Lutherstadt Wittenberg eine Demo gegen rechts vom Marktplatz. Dass viele Demos am Samstag stattfinden, ist kein Zufall: Dann ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. An diesem Tag vor 79 Jahren wurde Auschwitz von der Roten Armee befreit.
Antifaschistische Gedenkdemonstration
Für Berlin wäre es toll, wenn auch die Antifa-Demo zum Gedenktag zu einem Großevent werden würde. Auf der Demo der North East Antifa und der Initiative La Rage – Berlin Ost durch den Prenzlauer Berg wird es nicht nur um das Schicksal der Menschen gehen, die einst aus dem Kiez in die Vernichtungslager verschleppt wurden, sondern auch um die heutigen Neonazistrukturen, die hier ihr Unwesen treiben (Start S-Bahnhof Schönhauser Allee, 13:30 Uhr).
In Friedrichshain veranstaltet die Ortsgruppe des VVN-BdA eine Kundgebung mit anschließendem Stadtspaziergang. Um 14 Uhr beginnen an der VVN-Stele Koppenstraße Ecke Singerstraße Redebeiträge, anschließend informieren die Historikerin Trille Schünke-Bettinger und der Kurator Martin Düspohl bei einem Spaziergang über das Leben von Widerstandskämpfer:innen im Bezirk. Die Route endet an der Informationstafel zur Zwangsarbeit auf dem RAW-Gelände.
In der alten Pfarrkirche Pankow findet zudem eine Lichterkettenaktion mit anschließender Gedenkveranstaltung statt. Los geht es um 18 Uhr am ehemaligen Jüdischen Waisenhaus (Berliner Straße 121) nahe dem S-Bahnhof Pankow. Von dort aus geht es gemeinsam zur Andacht, wo das „Trio Csókolom“, der „Erich-Fried-Chor“, der „HardChorElla“ und der „Chor Stille 10“ musizieren werden. Es wird darum gebeten, Kerzen mitzubringen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen
Umgang mit Trauer
Deutschland, warum weinst du nicht?
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Nahost-Konflikt vor US-Wahl
„Netanjahu wartet ab“
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig
Rechtsruck in den Niederlanden
„Wilders drückt der Regierung spürbar seinen Stempel auf“