Urbane Mitte am Gleisdreieck: Politik darf doch mitbestimmen
Die Pläne für Bürohochhäuser am Gleisdreieckspark dürfen verändert werden. Ein Gutachten sieht keine Entschädigung für den Investor.
Doch dem Bezirk schienen die Hände gebunden. 100 bis 150 Millionen Euro Schadenersatz stünden dem Investor bei Änderungen an den Projektplänen zu, so hieß es von Seiten des Senats. Kein Handlungsspielraum also für die Abgeordneten der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), die zuständig für die Erstellung eines Bebauungsplans sind.
Doch das hat sich nun geändert: Ein von der BVV beantragtes und vom Bezirksamt in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten der Kanzlei GGSC kommt zu dem Ergebnis, dass zwar der Rahmenvertrag Gültigkeit besitzt, jedoch der darin vereinbarte Entschädigungsmechanismus unwirksam ist. Dieser verstoße „gegen das Verbot der unzulässigen Planbindung“.
Zumindest was die Baumasse angeht, also die Zahl und Größe der geplanten Neubauten, dürfen die Abgeordneten von den einst getroffenen Vereinbarungen abweichen. Möglich sei ein „Interessenausgleich“ zwischen den öffentlichen und privaten Belangen. Die Bedarfe des Bezirks sollen damit gleichberechtigt neben den Interessen des aktuellen luxemburgischen Investors stehen – „unter maßgeblicher Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit“.
In einem ersten, im vergangenen Sommer veröffentlichten Gutachten der Anwohnerinitiative AG Gleisdreieck und der Naturfreunde Berlin, das den Bezirk unter Handlungszwang setzte, hatte es geheißen, der Rahmenvertrag stelle eine „unzulässige Vorabbindung“ für die BVV dar und sei daher „unwirksam“. Ein Gegengutachten der Eigentümer widersprach dieser Auffassung.
Was macht der Bezirk?
Im Bezirk führt das neuerliche Gutachten nun zu Betriebsamkeit. Bereits am Mittwoch wollen die regierenden Grünen, wohl unterstützt von Linken und SPD, einen Dringlichkeitsantrag in die BVV einbringen, dessen Inhalt am Dienstag noch nicht feststand. Laut der Fraktionsvorsitzenden Sarah Jermutus sei es wichtig, „dass die BVV deutlich sagt, was sie möchte und wie der weitere Weg ist“. Der bisherige Plan jedenfalls hätte Nachbesserungsbedarf in den Punkten „Baumasse, Nutzung und Versiegelung“. Der Auftrag der BVV sei es, so Jermutus, dem Bezirksamt „Hinweise und einen Auftrag“ für das weitere Handeln zu geben.
Vom Bezirksamt hat Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) angekündigt, die „Begründung des Bebauungsplanentwurfs“ für das südliche Baufeld zu überarbeiten, ergo, sie den Vorgaben aus dem Gutachten anzupassen, ohne aber den B-Plan selbst zu verändern. In der Vergangenheit hatte Schmidt das Projekt verteidigt und dabei auch mit den „erheblichen Entschädigungen“ argumentiert. Jermutus sagt dagegen der taz, es gehe nicht alleine um „eine alleinige Anpassung des Begründungstexts“.
Wie ein „rosa Elefant“ im Raum stehe jedoch die Gefahr, dass letztlich der Senat das Vorhaben an sich zieht und im Sinne des Investors umsetzen lässt. So sagt es die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger. Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt hatte zuletzt im Sommer 2022 das Projekt in seiner bisherigen Planung verteidigt und festgehalten, „dass kein Erfordernis zur Änderung des Städtebaulichen Rahmenvertrages“ bestehe.
Die Bezirks-Grüne Jermutus aber sagt: „Wir können nicht aus Sorge vor dem Senat nicht handeln.“ Gegenüber den Engagierten der Bürgerinitiative sei man „in der Pflicht“ zu versuchen, die Pläne zu ändern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!