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Baerbock in SüdostasienGefeiert und gefordert

Außenministerin Annalena Baerbock macht Station in Südostasien und will über China und Fachkräfte sprechen. Doch der Nahost-Konflikt holt sie ein.

Grüne Ministerin hat Spaß an Drohnen: Annalena Baerbock übt in Manila für den Ernstfall Foto: Michael Kappeler/dpa

Manila/Kuala Lumpur taz | „Es war ein Der-die-das-Horror.“ Mit diesen Worten fasst Lolita Echaluse ihre ersten Monate in Deutschland zusammen. Das war vor sieben Jahren. Um als Pflegefachkaft zu arbeiten, kam sie damals von den Philippinen nach Berlin. „Es gab viele Herausforderungen“, sagt Echaluse. Die Sprache, die Kultur, die Arbeitsweise im Pflegeheim. „Es war sehr hart für mich.“ Jetzt arbeitet sie in einem Krankenhaus in Mainz und will auch andere ermutigen, als Fachkräfte für Gesundheit und Pflege in Deutschland zu arbeiten.

Echaluse fordert nicht nur eine gute Vorbereitung mit Sprachkursen zu Hause auf den Philippinen, sondern auch mehr Betreuung vor Ort, zum Beispiel, um bürokratischen Papierkram, Visafragen, den Aufenthaltstitel zu klären. Oder auch im Umgang mit Kolleg:innen. „Es geht um einen Clash der Kulturen“, sagt Echaluse. „Und wir haben keine Idee und keine Erfahrung, wie wir damit umgehen sollen.“

Ihren Appell richtet Echaluse an Außenministerin Annalena Baerbock. Nach vier Tagen im Nahen Osten ist die Grünen-Politikerin in Südostasien unterwegs. Die Philippinen, Malaysia und Singapur stehen auf ihrem Programm. In Manila moderiert Baerbock einen runden Tisch, an dem auch Pflegerin Echaluse sitzt. Das Goethe-Institut ist bei dem Termin in einem Ausbildungszentrum dabei, eine Porsche-Vertreterin, Verbandsleute, die sich um die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Philippinen und Deutschland kümmern.

Rund 12 Millionen Filipinos arbeiten im Ausland. Viele davon in der Pflege und im Gesundheitssektor oder in der Automobilindustrie. Schätzungen zufolge machen ihre Rücküberweisungen etwa 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. „Es geht nicht um einen Braindrain hier im Land“, sagt die Außenministerin. Viel mehr wünsche sie sich, dass eines Tages im Austausch auch mehr deutsche Staats­bür­ge­r:in­nen auf den Philippinen arbeiten.

Deutschland muss sich um Fachkräfte bemühen

Arbeitsmigration im besten Sinne also. Aber die Realität zeigt auch: Der Fachkräftemangel in Deutschland ist eklatant, und vor allem im Gesundheitsbereich wird dringend Personal gesucht. Personal, das es auf den Philippinen gibt und Deutschland ist aufgrund der jahrzehntelangen Beziehungen ein möglicher Arbeitsort. Auch Australien, Kanada, Großbritannien werben um die Fachkräfte. Dort fällt die Sprachbarriere weg – Englisch ist eine der Hauptsprachen auf den Philippinen –, die Löhne sind vielerorts auch höher. Im Anschluss an den Roundtable unterzeichnen beide Länder eine gemeinsame Erklärung, Ausbildung und Integration zu verstetigen.

Ob bei der Küstenwache oder in einem Ausbildungszentrum für Mechatroniker:innen: Überall hängen riesige Plakate mit Baerbocks Foto. Während der Empfang in Ägypten eher frostig war, herrscht viele Tausend Kilometer entfernt Feierstimmung. Von der deutschen politischen Chefetage wird die Region Südostasien eher spärlich behandelt. Zehn Jahre lang war kei­n Au­ßen­mi­nis­te­r auf den Philippinen zu Besuch, zuletzt war Guido Westerwelle (FDP) in dieser Funktion vor Ort. Dabei gibt es neben wirtschaftlicher Zusammenarbeit auch etliche sicherheitspolitische Fragen, die Deutschland, die die Europäische Union betreffen.

China – dieses Wort wird von den Philippinen kaum ausgesprochen. Also spricht auch Baerbock lieber vom „raueren Wind, der über das südchinesische Meer weht“. Konflikte um Territorien und besetzte Gebiete, um die Spratly-Inseln und Paracel-Inseln gibt es seit Jahrzehnten. Doch während die Philippinen, Malaysia, Vietnam, Indonesien und Brunei sich bestimmt, aber diplomatisch einigen können, geht China deutlich aggressiver vor.

Und beansprucht den größten Teil des Gebietes für sich. Einen entsprechenden UN-Schiedsspruch zu einem Seerechtsübereinkommen von 2016 erkennt China nicht an. Wie die philippinische Küstenwache der Außenministerin bei ihrem Besuch bestätigte, setzte die chinesische Küstenwache 2023 mehrfach Wasserkanonen gegen philippinische Fischerboote ein oder blendete sie mit Lasern. Und das in der philippinischen Wirtschaftszone. Solche riskanten Manöver verletzten Rechte und wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten der Philippinen und anderer Anrainer, betont die Außenministerin.

Deutschland unterstützt Bombardierung von Huthi-Posten

Das Gebiet ist wegen der Fischgründe interessant, wegen Erdgas und Erdölvorkommen und ist als Seehandelsweg für die internationale Schifffahrt wichtig. „Solche Ansprüche sind nicht vom Völkerrecht gedeckt“, sagt Baerbock zum Gebahren Chinas. „Weltweit zeigen wir Flagge für eine regelbasierte Weltordnung.“ Im März will der philippinische Präsident Ferdinand Marcos nach Berlin kommen.

Deutschland unterstützt die philippinische Küstenwache mit Drohnen und Trainings, um die maritime Sicherheit zu stärken. Viel ist es nicht, was die Bundesregierung tun kann, außer die Vorfälle anzusprechen und öffentlich anzuprangern. Noch während die Außenministerin in Manila zu Besuch ist, reagiert China. Länder, die nicht zu der Region gehörten, hätten kein Recht, sich in die Angelegenheiten Chinas und relevanter Staaten im Südchinesischen Meer einzumischen.

Rund 9.000 Kilometer von Israel entfernt holt der Krieg im Gazastreifen Baerbock in Südostasien ein. Auch philippinische Staatsangehörige wurden am 7. Oktober 2023 von der Terrormiliz Hamas verschleppt, vier wurden ermordet. Zudem werden 17 Seeleute von der jemenitischen Rebellengruppe Huthi gefangen gehalten. In der Nacht zu Freitag bombardierten die USA, Großbritannien und weitere Verbündete Stellungen der Miliz im Jemen.

Die Huthi haben sich mit der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen solidarisch erklärt und attackierten mehrfach Schiffe vor der von ihnen kontrollierten Küste. Viele Frachter meiden nun das Rote Meer und den Suezkanal und fahren einen Umweg um Südafrika, was zu höheren Kosten führt.

Malaysia unterstützt Völkermord-Klage gegen Israel

In der Zwischenzeit ist Baerbock im malaysischen Kuala Lumpur angekommen. Die Bundesregierung unterstützt die Bombardierungen der Huthi-Stellungen politisch und sieht sie im Einklang mit UN-Recht. Einen Einsatz der Bundeswehr sagt Baerbock an diesem Freitag aber nicht zu. Dies werde auf europäischer Ebene derzeit besprochen, so formuliert sie es. Kurz vor Weihnachten gab es schon einmal die Debatte, ob die deutsche Marine sich an einem Einsatz im Roten Meer beteiligen könnte und sollte.

Dafür wäre allerdings ein Mandat des Bundestags notwendig. Konkreteres ergab sich bisher nicht. Was die Außenministerin jedoch bereits in Jerusalem am vergangenen Sonntag zugab, ist, dass deutsche Eurofighter von Saudi-Arabien im Kampf gegen die Huthi eingesetzt werden. Zum Schutz der Handelsrouten im Roten Meer. Mit ihrem Solidaritätskurs gegenüber Israel und ihrer Forderung für humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen, mit dieser Haltung kommt Baerbock in Malaysia nicht weit.

Hier positioniert man sich eindeutig für die Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen und sieht die Hamas auch als Widerstandsorganisation. „Das Leid der Palästinenser können wir nur beenden, wenn wir auch das Leid der Israelis beenden“, sagt Baerbock nach einem Treffen mit ihrem Amtskollegen Mohamad Hasan. Malaysia unterstützt zudem die Völkermord-Klage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof.

An diesem Freitag wurden israelische Ver­tre­te­r:in­nen vor Gericht befragt. Der Vorwurf wiegt schwer, dass Israel wissentlich einen Völkermord an den Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen im Gazastreifen begehe. International bekommt die Klage viel Zuspruch. In Malaysia – mehr als 60 Prozent der Menschen gehören dem Islam an – zeigt sich erneut, dass das Selbstverteidigungsrecht Israels keineswegs gesetzt ist.

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2 Kommentare

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  • Die Außenministerin steuert vergnügt eine Drohne gegen das imperialistische China. Symbolisch.



    Mir bereitet das großes Unbehagen.



    Wobei ich nicht recherchiert habe, was sich nach dem Schlächter der Dealer und Drogenkranken unter dem neuen Präsidenten (Sohn des noch schlimmeren Diktators) auf den Philippinen grundlegend geändert hat.

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