Mangel an HIV-Medikamenten: Knapp an der Wahrnehmungsschwelle
Nicht jeder Medikamentenmangel erhält so viel Aufmerksamkeit wie Fiebersaft. Aber die Versorgungssicherheit auch anderer Mittel sinkt.
Einfach in die Apotheke und man ist gut versorgt? So ist es leider immer öfter eben nicht Foto: Monika Skolimowska/dpa
Nicht alle Fälle von Medikamentenmangel schaffen es über die Wahrnehmungsschwelle der Öffentlichkeit wie 2022 der Husten- und Fiebersaft. Als der knapp war, betraf das so viele Eltern, dass die Zeitungen ihre Titelseiten für das Thema räumten. Aber der Mangel an teils alternativlosen Asthmamitteln, Antibiotika, Blutdrucksenkern, Krebs-, Epilepsie-, ADHS- und jetzt HIV-Medikamenten lässt die Gewissheiten im deutschen Gesundheitswesen fast noch mehr erodieren. Die Versorgung mit Medikamenten ist ein Risiko geworden. Beinahe ist unvorhersehbar, wo sich der nächste Mangel zusammenbraut. Einfache Lösungen gibt es nicht.
Aktuell ist ein Medikament zur Vorbeugung und Behandlung von HIV-Infektionen betroffen. Weil die Angst vor Aids sich in den 1980er und 1990er Jahren über die ganze Welt legte, schrillen die Alarmglocken lauter – zu Recht. Aber unter den Patient*innen, die ihre erprobten Medikamente plötzlich nicht mehr bekommen, entsteht ein Gefühl des Ausgeliefertseins.
Wer einmal Dutzende Apotheken erfolglos nach dem gewohnten Epilepsiemedikament abtelefoniert hat, verliert eine für selbstverständlich gehaltene Sicherheit. Natürlich versuchen die zuständigen Behörden, bedrohliche Engpässe zu überwinden. Aber sie sind nur Feuerwehr in einer Welt, in der viele Jahre auf Brandschutz gepfiffen wurde.
Komplexe Lieferketten, Verlagerung der Produktion, sehr wenige Hersteller, die die Nachfrage bedienen – eine jahrzehntelange Entwicklung gemäß den Mechanismen des Kapitalismus hat die Versorgung störanfällig gemacht. Da reicht es nicht, höhere Lagermengen zu fordern oder europäische Hersteller bei Ausschreibungen zu bevorzugen – wie es das Gesundheitsministerium jetzt veranlasst hat.
Allein die Rückverlagerung der Produktion bestimmter Antibiotika würde Jahre dauern und das System 55 Millionen Euro im Jahr mehr kosten. Das sind mit Vorsicht zu genießende Schätzungen der Hersteller. Aber klar ist: Mehr Sicherheit in der Versorgung wird teurer, auch für die Versicherten. Wie viele Engpässe müssen noch die Wahrnehmungsschwelle knacken, bis wir dafür bereit sind?
Mangel an HIV-Medikamenten: Knapp an der Wahrnehmungsschwelle
Nicht jeder Medikamentenmangel erhält so viel Aufmerksamkeit wie Fiebersaft. Aber die Versorgungssicherheit auch anderer Mittel sinkt.
Einfach in die Apotheke und man ist gut versorgt? So ist es leider immer öfter eben nicht Foto: Monika Skolimowska/dpa
Nicht alle Fälle von Medikamentenmangel schaffen es über die Wahrnehmungsschwelle der Öffentlichkeit wie 2022 der Husten- und Fiebersaft. Als der knapp war, betraf das so viele Eltern, dass die Zeitungen ihre Titelseiten für das Thema räumten. Aber der Mangel an teils alternativlosen Asthmamitteln, Antibiotika, Blutdrucksenkern, Krebs-, Epilepsie-, ADHS- und jetzt HIV-Medikamenten lässt die Gewissheiten im deutschen Gesundheitswesen fast noch mehr erodieren. Die Versorgung mit Medikamenten ist ein Risiko geworden. Beinahe ist unvorhersehbar, wo sich der nächste Mangel zusammenbraut. Einfache Lösungen gibt es nicht.
Aktuell ist ein Medikament zur Vorbeugung und Behandlung von HIV-Infektionen betroffen. Weil die Angst vor Aids sich in den 1980er und 1990er Jahren über die ganze Welt legte, schrillen die Alarmglocken lauter – zu Recht. Aber unter den Patient*innen, die ihre erprobten Medikamente plötzlich nicht mehr bekommen, entsteht ein Gefühl des Ausgeliefertseins.
Wer einmal Dutzende Apotheken erfolglos nach dem gewohnten Epilepsiemedikament abtelefoniert hat, verliert eine für selbstverständlich gehaltene Sicherheit. Natürlich versuchen die zuständigen Behörden, bedrohliche Engpässe zu überwinden. Aber sie sind nur Feuerwehr in einer Welt, in der viele Jahre auf Brandschutz gepfiffen wurde.
Komplexe Lieferketten, Verlagerung der Produktion, sehr wenige Hersteller, die die Nachfrage bedienen – eine jahrzehntelange Entwicklung gemäß den Mechanismen des Kapitalismus hat die Versorgung störanfällig gemacht. Da reicht es nicht, höhere Lagermengen zu fordern oder europäische Hersteller bei Ausschreibungen zu bevorzugen – wie es das Gesundheitsministerium jetzt veranlasst hat.
Allein die Rückverlagerung der Produktion bestimmter Antibiotika würde Jahre dauern und das System 55 Millionen Euro im Jahr mehr kosten. Das sind mit Vorsicht zu genießende Schätzungen der Hersteller. Aber klar ist: Mehr Sicherheit in der Versorgung wird teurer, auch für die Versicherten. Wie viele Engpässe müssen noch die Wahrnehmungsschwelle knacken, bis wir dafür bereit sind?
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Schwerpunkt HIV und Aids
Kommentar von
Manuela Heim
Gesundheit und Soziales
Redakteurin in der Inlandsredaktion, schreibt über Gesundheitsthemen und soziale (Un-) Gerechtigkeit.
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