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Die WahrheitGepinselte Frechheiten im Schnee

Die wahre Kunstkritik: Ein Besuch beim aktuellen Star der diesjährigen Mal-Saison Caspar David Friedrich in Greifswald und seinem Leinwandgrauen.

Malte immer alle von hinten, dieser gefühlige Friedrich, selbst die Landschaften Foto: Stefan Boness/Ipon

Ein warmer, blauer Himmel spannt sich über Greifswald. Schon am Vormittag gibt die Sonne Mecklenburg-Vorpommerns Vollgas, kein weißes Wölkchen trübt die Atmosphäre – das perfekte Wetter für einen Besuch der Caspar-David-Friedrich-Ausstellung! Die Menschen in den Gassen und auf den Plätzen der Altstadt, auf den Terrassen der Cafés blicken optimistisch in unsere schöne Welt, sind auch, dem Klimawandel sei Dank, kaum angezogen – es sind immerhin 20 Grad, aber es ist auch erst Januar.

Wir dagegen beugen uns dem altmodischen Dresscode und betreten mit geschlossenem Hemd und langer Hose das Mecklenburgische Landesmuseum. Dort nimmt uns Kustodin Dr. Rodehilde Rodenwald bei der Hand, als wir bei den ersten Bildern entsetzt zurückprallen: Diese furchtbar kahlen Winterlandschaften mit dem vielen Weiß – „Schnee“, erläutert Frau Rodenwald –, diese klirrend leeren Bäume, diese wie im Endstadium der Parkinson-Krankheit erstarrten Ruinen, die offenbar irgendwelche Menschen symbolisieren sollen, Bekannte des Malers vielleicht, diese frostigen Trümmerhaufen anstelle liebevoll restaurierter Kirchen und Klöster – wozu eigentlich jedes Jahr unsere fünf Euro Spende an die Deutsche Stiftung Denkmalschutz?!

Wie schockgefroren stehen wir steif und entgeistert vor diesem unmenschlichen Grauen, auf das uns niemand vorbereitet hat, als wir heute Morgen spontan den Entschluss fassten, statt ins Spaß- und Erlebnisbad Göttingen hierherzufahren. Und jetzt so was!

Doch wir kommen wieder in die Spur und fragen Dr. Rodenwald, ob dieser Caspar David Friedrich tatsächlich im letzten Jahrhundert gelebt und die großen Katastrophen der deutschen Geschichte hautnah miterlebt hat, ob diese Bilder wirklich in den Jahren 1944/45 entstanden seien? Oder bald danach? Aber wo bitte sind dann die Trümmerfrauen?

Ewig toter Maler

Die Frau unterbricht uns. Wenn wir ihr glauben dürfen, ist der Maler schon ewig tot, lebte irgendwie vom 18. ins 19. Jahrhundert, die genauen Zahlen haben wir natürlich vergessen. Geschichte halt. Wir leben heute! Im Hier und Jetzt! Und sind in der ganzen Welt zu Hause, nicht nur in Vorpommern oder im Erzgebirge wie dieser Stubenhocker, der bestimmt nie eine tolle Kreuzfahrt mit Tausenden supernetten Menschen gemacht hat!

„Hatte der Friedrich überhaupt alle auf der Latte?“, erkundigen wir uns bei Dr. Rodenwald, die indigniert in die Ferne schaut: „Wenn Sie meinen, ob der Künstler eine solide Handwerkerausbildung hatte, nein. Wenn das allerdings eine sexuelle Anspielung gewesen sein soll, kann ich Ihnen nur die Auskunft geben, dass Friedrich ein treuer Ehemann und braver Vater war.“

Doch wir insistieren, denn wenn eines an diesen Bildern auffällt, dann, dass er die Menschen von hinten malt. War er in Wahrheit andersrum? Und hat so wenig Rosa und Pink benutzt, um so zu tun, als ob? Aber selbst als voll eingespurter Hetero hätte er doch vor 200 Jahren ein Zeichen setzen können, schon aus megaselbstverständlicher Solidarität! Aber nein, wenn einer absolut nicht gegen veraltete bürgerliche Konventionen rebelliert, dann der hier. Pfui, Herr Friedrich!

Wir überwinden uns und schauen uns weiter diese alten, komplett aus der Zeit gefallenen Ölschinken an. Natürlich immer in der Hoffnung, dass uns irgendwas für das Eintrittsgeld entschädigt, das wir wohl besser für eine Pizza, ein Bier und einen Espresso ausgegeben hätten.

Stattdessen müssen wir langweiliges altes Zeugs anglotzen, Krempel wie die ultimativ öden „Kreidefelsen auf Rügen“ – der Typ hat halt nie den Grand Canyon gesehen, und es gibt auch geile Fotos, die man abmalen kann, wenn man selber keinen Bock hat, hinzufahren!

Bescheuerter Ölgötze

Dann dieser bescheuerte „Wanderer über dem Nebelmeer“, der sich besser unter Menschen begeben hätte, statt mutterseelenallein in der Landschaft herumzustehen wie eine Ölgötze, total autistisch das. Schade um die Leinwand! Und dann auch noch „Das Eismeer – eine Frechheit. Als wenn es nicht die Karibik gäbe, zwei Wochen DomRep Last Minute für etwas mehr als 1.000 Euro!

Nein, mit diesem Penner Caspar David Friedrich war echt nichts los. Allein schon der Name! Wer sich hierher verirrt hat, um bunte Bilder von fröhlich feiernden Menschen zu sehen, wird total enttäuscht, verliert alle Lebensfreude, denkt an Selbstmord. Kein Wunder, dass der Typ einsam in seinem Atelier mit dem Pinsel in der Hand vor der armen Leinwand saß! Aber vielleicht war es ein Glück für seine Mitmenschen, seine Frau, seine Familie. Wir jedenfalls schütteln den Kopf, aber nichts kommt raus.

Frau Dr. Rodehilde Rodenwald weiß es mal wieder besser und behauptet glatt, der Pinselfritz habe seine Gefühle durch die Malerei ausgedrückt. Auweia! Was das wohl für Gefühle waren, die durch einsame Landschaften, leere Strände, nacktes Eis dargestellt werden?! Und warum fahren Leute, die das mögen, nicht einfach nach Grönland? Statt nach Greifswald wie wir?

Wir danken und gehen, übergeben uns draußen. Inzwischen hat sich der Himmel zugezogen, es fieselt, ist kalt und trübe – und das im Winter! Wir fassen es nicht, können auch das nicht fassen. Was finden manche Leute nur an diesem Kasper namens Friedrich, an seinen düsteren, kalten, toten Landschaften, die einem schnöde jenen Rücken zukehren, mit denen jeder normale Mensch sie anschauen sollte? Wären wir doch ins Spaß- und Erlebnisbad gefahren! Göttingen, home of the fun, wir kommen!

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4 Kommentare

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  • Eine Info an den Autor: Das nennt sich Kultur!



    Genauso gut könnte man statt der Mona Lisa einen Smiley in den Louvre hängen.



    Die Überschrift "wahre Kunstkritik" ist fehl am Platz und müsste durch "einfältige Betrachtung" ersetzt werden.



    Ich empfehle dem Autor einen lustigen Micky Mouse Comic. Offensichtlich ist er überfordert.

  • Ach was! Vagel Bülow

    “Was finden manche Leute nur an diesem Kasper namens Friedrich, an seinen düsteren, kalten, toten Landschaften, die einem schnöde jenen Rücken zukehren, mit denen jeder normale Mensch sie anschauen sollte? Wären wir doch ins Spaß- und Erlebnisbad gefahren! Göttingen, home of the fun, wir kommen!“



    Da können wir nur mit klammheimlicher Freude sagen;



    Bliiv bi de Meckelnbörger - rook de Pipen con Knaster!*



    www.projekt-gutenb...chan/krischan.html - Knaster => Hanfdampf;)



    Un lies genüsslich dann - denn annern Kasper!



    “Kasper Ohm un ick“ von John Brinkman,



    “Mit di Fixigkeit warst du mich über! Aber in die Richtigkeit war ich dich über!“ un ook fein “Hei hett keen Respekt för dat Huus!“ - 🙀🥳 -



    unterm——gar nicht so klammheimlich —



    “Der neunzehnjährige John studierte von Ostern 1834[3] bis 1838 an der Rostocker Universität Jura. Während seines Studiums wurde er 1834 Mitglied der Alten Rostocker Burschenschaft und der burschenschaftlichen Allgemeinheit. Er war seit 1835 Mitglied des Corps Vandalia Rostock. Er wurde wegen „versuchter Stiftung eines verbotenen politischen Vereins auf der Universität Rostock“ (Verbindung zu antimonarchistischen Burschenschaften) zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Er bat um landesherrliche Begnadigung durch Großherzog Paul Friedrich, der diese am 25. Januar 1839 gewährte. Sein Studium beendete er aber nicht mehr.…



    Als Mitglied des Goldberger Reformvereins und als Verfasser scharfer satirischer Gedichte gegen den konservativen Gutsbesitzeradel engagierte er sich in der Revolution in Mecklenburg (1848)(das nie eine Verfassung hatte!).



    Brinckman und Fritz Reuter nahmen am ersten mecklenburgischen Reformtag in Güstrow teil.“



    un bedenke *



    www.projekt-gutenb...chan/krischan.html



    Krischan mit de Piepe



    (So “seien …die Blüten des Nutz-Hanfs Knaster genannt und in einer Pfeife geraucht worden. …habe lautmalerisch das Geräusch des Platzens der Samen beim Hanfrauchen wiedergegeben.“)

  • "Pinselfritz" nett ausgedrückt! Ihr Kunstbanausen. Hahaha. Habe mich köstlich amüsiert! Mußte den Fritz im Kustunterricht ertragen.

  • Was man an den Bildern finden kann? Nun, erstens gibt weit Verstörenderes - und zweitens: eins von den Ölbildern und ich hätte ausgesorgt.

    Träumen darf man, und mir liegen andere Maler auch mehr. Und wer zwei Wochen DomRep für 1000 Ocken sieht, darf gerne Bescheid geben.